Das Dekoteam

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Tatsächlich hatte sich die Zusammenarbeit mit der Schülerzeitung erschwerlicher erwiesen als erwartet. Sie waren trotzallen Schwierigkeiten und Tücken immernoch die erfahrensten Schreiber und Autoren im Umkreis. Also blieb uns keine andere Möglichkeit, wenn wir den Fall einer langweiligen Rede vermeiden wollten. Mir selbst streubte sich immer alles, wenn ich, als Leseratte, schlampig geschriebe Texte las. Wir waren uns also einig, dass wir wenigsten halbwegs professionell wirken wollte. Ich konnte nur hoffen, dass die fünf Jungs diese eine Sache, auch ohne meine Hilfe erledigen konnten. Ich hatte nämlich weit aus wichtigere Dinge zu tun. Ich musste mich jetzt einer meiner größten Herausforderungen stellen. Dem Dekoteam.
Ich atmete tief ein und aus, hob meine Hand und klopfte gegen das hölzerne Eingangstor zum Bootshaus. Ich kniff die Augen zusammen. Nur Mädchen. Da drin waren im Grunde nur Abbilder meiner Schwester. Wobei, konnte ich mir so ein Schubladendenken überhaupt leisten? Immerhin war ich auch ein Mädchen und ähnelte Cassy kein bisschen. In eben jenem Moment unterbrach mich ein freundliches und zugleich misstrauisches "Herrein" aus meinen Gedankensprüngen. Vorsichtig legte ich meine Hand auf die Klinke. Ich schloss kurz die Augen, atmete ein letztes Mal noch einmal so tief wie möglich ein und wieder aus. Dann drückte ich die Klinke herunter und trat ein.

Ich muss zugeben, ich hatte eine rosarote Verwandlung unseres Bootshauses erwartet. Doch hier drin war alles wie immer. Das gewohnt geordnete Chaos: Kanus waren an Haltrungen an den Wänden befestigt, die Regale quillten über an Krimskrams und alten Comics, oben hingen Fischernetze an den Balken, welche das Dach trugen und ein wohlig und zugleich muffiger Geruch hing immer noch in der Luft. „Hallo?" auf einer freigeräumten Stelle am Boden saßen ungefähr zehn Mädchen in einem Kreis und in ihrer Mitte lagen Klemmbretter mit Zeichnungen und Checklisten kreuz und quer verteilt auf den Holzplanken. Alle Mädchen hatten ihre Blicke auf mich gerichtet. „Können wir dir irgendwie helfen?" Eines der Mädchen lehnte sich etwas zurück, um mich besser erkennen zu können und musste nun ihr Gesicht mit der Hand abschirmen, da mein Schatten nun nicht mehr auf sie fiel, und sie nicht mehr vor der Sonne verdeckte. „Ähm...mhm ja." Ich schloss die Tür und sperrte die Sonnenstrahlen von draußen wieder aus. Das Licht im Raum verdunkelte sich abprupt und es dauerte einen Moment, bis ich wieder alles erkennen konnte.
„Ich suche das Dekoteam? Also die die hier die Dekoration übernehmen. Man sagte mir das ihr hier seid? Ihr müsst wissen ich habe einige Erfahrung. Zum Beispiel habe ich im Winter die Dekoration unserer Burg übernommen." Ich konnte nicht abstreiten das ich ein wenig nervös war, und redete um dies zu überspielen einfach drauf los. Wieso erzählte ich ihnen das? Das ging diese Hühner überhaupt nichts an! Die Mädchen tauschten verstänislose Blicke. „Ich wusste garnicht, dass Burg Schreckenstein zu Festen dekoriert wird."
Mhm...peinlich. Die größte der zehn hielt mir ihre Hand entgegen. „Hi. Ich bin Ankatrin und das sind meine Mädels." Die Mädchenrunde winkte mir freundlich zu. „Glaub mir. Wir haben schon viel von dir gehört. So als einziges Mädchen auf der Burg. Wir hätten dich zugerne an Board gehabt. Die Streiche, die wir hätten spielen können... ."
Da musste ich plötzlich wieder an Mina denken und was sie uns im Krankenhaus erzählt hatte. Die Erinnerungen an diesen schrecklichen Tag zogen wie ein Film an meinem geistigen Auge vorbei.
„Wart ihr es, die die Idee mit dem Rabenstreich hatten?" rutschte es mir heraus. Doch ich bereute es nicht, diese Frage gestellt zu haben. Wenn sie es nämlich wären, würde das Licht in diese verworrene Geschichte bringen.
„Nein! Natürlich nicht! Wie kommst du darauf? Es war ganz allein Minas Idee und somit auch Schuld. Wir haben damit nichts zu tun. Du darfst nicht alle von uns in ein und den selben Topf werfen!" „Sorry. Es war nur weil Mina uns gesagt hatte, das sie angestachelt wurde. Von einer Gruppe Mädchen...-„
„Sag mal, wenn du uns nicht traust, kannst du auch gleich wieder gehen!" Hatte ich mir zuviel rausgenommenen? Urteilte ich zu schnell? Andererseits hatte ich mich vor diesen zehn, fremden Mädchen nicht zu verantworten. Vielleicht vor Frau Dr. Horn, ja aber doch nicht vor denen. Es ist ja nicht so als müsste ich um jeden Preis hier sein.
„Nein das werde ich ganz sicher nicht tun. Ich werde mich nicht für diese Frage vor euch schämen, okay? Ihr seid auch nur Mädchen genau wie ich und ihr sitzt in unserem Bootshaus" ich zeigte mit meinem Finger gegen meine Brust,"also wäre ich vorsichtig, wen ihr verurteilt."
„Ist ja schon gut, alles okay." Ankatrin hob beschwichtigend die Hände. „Man merkt das dich die Zeit hier auf der Burg sehr geprägt hat." Eines der anderen, umsitzenden Mädchen hatte eine Hand auf meine Schulter gelegt und drückte sie sachte nach unten. Ich verstand dies, als ein Zeichen mich zu ihnen zu setzten. Und wie ich da so saß, umringt von Mädchen, die hier und da leise kicherten merkte ich, wie fremd mir das geworden war. Klar, ich war noch nie ein typisches Mädchen gewesen...aber ich konnte damit leben. Nun hatte ich mich noch mehr verändert. Ich war härter und grober geworden, aber lästern taten die Jungs ebenso gerne wie Mädchen. Von daher konnte ich das wohl nicht verlernt haben. Aber nein. Was mir fehlte war das kichern, das peinlich berührte Verhalten, der Geschmack für schicke Klamotten. Ich weiß wohl, dass nicht alle Mädchen so sind. Aber diese Sachen verbindet man nun einmal mit diesem Begriff, und ich hasste es. Dieses Schubladendenken, was ich selbst manchmal an den Tag legte.
„Ja,"ich sah das Mädchen an,"auf einer Schule wie dieser, mit lauter Jungen muss man sich behaupten können,...oder man geht unter."
„Ich hab mir schon gedacht, dass die Burg einen selbst verändert." Das Mädchen schien wirklich interessiert an dem, was ich zu sagen hatte. Sie trug die Rosenfelser Schuluniform und ihre dunklen Haare waren zu Zöpfen geflochten.
Ich musste bei ihren Worten an meine Erlebnisse an die Burg denken und lächelte.
„Aber in einem positiven Sinne."

Burg Schreckenstein und ich mittendrinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt