Kapitel 5

897 56 13
                                    

Die Zeit vergeht schnell. Fast hätte Elsa vergessen, dass sie nicht Teil dieser Welt ist. Doch wie jedes Mal schlägt die Realität dann zu, wenn du sie nicht erwartest. Diesmal ist es ein besonders heftiger Schlag. 

Alles läuft gut. Elsa macht ihren Job, jede Nacht kommt sie zufrieden nach Hause und wenn sie an Jack denkt, fühlt sie ein leichtes Kribbeln in der Magengegend. Wer hätte gedacht, dass sie ausgerechnet in dieser Welt jemanden trifft, der sie interessiert?
Was das zwischen ihnen ist, dass weiß Elsa nicht so genau. Sie weiß nur, es fühlt sich sehr gut an wenn sie und Jack sich küssen. Dann vibriert ihr ganzer Körper innerlich. Dann ist ihr Kopf nicht mehr klar. Dann fühlt sie sich als würde sie schweben. 
Natürlich ist sie noch immer traurig über die Tatsache, dass sie ihre Schwester nicht sehen kann. Aber durch Jack ist auch das nicht mehr so schmerzhaft. Sie weiß, irgendwann wird sie zurück nach Arendelle gehen können. Auch wenn es noch lange dauert. Hans Schreckensherrschaft kann nicht ewig andauern und Anna hat versprochen alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen um ihn zu stürzen.  

Vielleicht hätte Elsa es erwarten sollen. Es passiert immer dann, wenn du am Glücklichsten bist. Es läuft etwas schief. 

"Du hättest dieses Zeug nicht drinken dürfen. Karls Drinks nach zwei Uhr sind gefährlich. Das weißt du doch!", meint Elsa halb lachend als sie Jacks zerknittertes Morgengesicht sieht. Er murrt leicht und vergräbt seinen Kopf im Polster. Gestern hat er es nicht einmal mehr zum Schlafzimmer geschafft. Elsa hat ihn einfach auf der Couch liegen gelassen. Kotze braucht sie nun wirklich nicht in ihrem Bett. Sie kennt betrunkenen Menschen von den Feiern aus Arendelle. Seit dem sie das Tor geöffnet wurde, haben sie fast jede Woche ein Bankett gegeben. Da ist es kein Sonderfall gewesen, wenn jemand auf die blankpolierten Rüstungen gekotzt  hat. Diese Ereignisse müssen sich hier in ihrem Apartment nicht wiederholen.
"Komm. Ich mach dir Kaffee." Ein leises Würgen ist aus der Richtung von Jack zu vernehmen. "Dann eben nicht." Elsa zuckt mit den Achseln und geht schließlich in die Küche. Man hört die Kühlschranktür als sie geöffnet wird, Elsa summt, es klappert und schon ist sie wieder da. Sie lässt sich auf das Ende des Sofas sinken. In den Händen eine volle Schüssel Müsli. Geräuschvoll beginnt sie zum Kauen.
"Könntest du das bitte lassen?!", ruft Jack nach einer Weile ärgerlich. Er hat sich aufgetzt und betrachtet Elsa nun mit einem wütendem Gesichtsausdruck. Sie hebt fragend eine Augenbraue. "Willst du etwa, dass ich mich hier auf der Stelle übergebe?!" Er blitzt sie mit funkelnden Augen an. Ein Grinsen breitet sich auf ihrem Gesicht aus. "Tja wenn man zu viel trinkt, muss man mir den Nachwirkungen rechnen.", sagt sie ein wenig schadenfroh. Jack stöhnt und lässt sich zurück fallen. Er schließt wieder seine Augen. Der Schmerz in seinem Kopf erdrückt ihn fast. Elsa hat Recht. Er hätte diesen blöden Drink von Karl nicht trinken sollen.
Plötzlich spürt er etwas Schweres auf sich, dass ihn niederdrückt. Als er die Augen öffnet, schwebt Elsas Gesicht direkt über ihm. Sie lächelt noch immer.
"Ach komm. Sei doch nicht so missgelaunt." Sie wil sich hinunterlehnen und ihn küssen als Jack sie gerade noch rechtzeitig abfangen kann. "Ich habe einen echt ekelhaften Geschmack im Mund und ich glaube mein Mundgeruch ist auch nicht besser.", erklärt er auf ihren fragenden Gesichtausdruck. Bevor er es realisiert, ist ihr Mund dennoch auf seinem. Reflexartig öffnet er seinen Mund, da zieht sich Elsa zurück. "Du hast Recht. Wirklich abscheulicher Mundgeruch!" Mit diesen Worten springt sie auf. Sie nimmt ihre leere Müslischüssel und geht in Richtung Küche. "Du solltest dich besser fertig machen. Sonst kommst du zu spät zur Arbeit.", ruft sie bevor sie das Zimmer ganz verlässt. 

Vielleicht ist eine lange glückliche Zeitspanne einfach nicht möglich. Jedenfalls in Elsas Leben. 

Die Sonne scheint. Ein schöner Wintertag. Menschen lachen. Ihre Wangen sind gerötet von der Kälte. Ihre Hände haben sie in ihre Jackentaschen gesteckt. Ihren Atem kann man in der Luft sehen. Elsa sieht ihnen gerne zu. Oft kommt sie hier her zum Brunnen, setzt sich an seinen Rand und betrachtet einfach die Menschen. 
"Hey Eisprinzessin!" Eine Stimme reißt Elsa aus ihren Gedanken. Sie sieht auf. Ein Mann steht vor ihr. Er ist groß und dünn. Seine Haare sind schwarz, seine Augen blitzen im gefährlichen Gelbbraun. Er trägt einen langen schwarzen Mantel und seine Lippen sind zu einem kalten Lächeln verzogen. "Ja? Wie kann ich Ihnen helfen?", fragt Elsa ein bisschen harsch. Was will dieser Fremde von ihr?  
"Ach, ich habe mich nur gefragt ob Ihnen denn nicht kalt ist.", meint er und sieht bedeutungsvoll auf Elsas dünnen Pullover. "Oh, ah das. Nein, nein! Mir ist nicht kalt.", beeilt sich Elsa zu erklären. Schon oft haben Menschen sie eigenartig angeschaut aufgrund ihrer nicht gerade für diese Jahreszeit geeigneten Kleidung.
"Winter ist anscheinend ihre Jahreszeit.", stellt der Mann fest. Elsa lächelt ein wenig und nickt. "Ich kann mich auch nicht beklagen. Im Winter sind die Nächte länger. Und dunkler." Als er das sagt wird sein Lächeln fieser. Der weißblonden Frau läuft ein Schauer über den Rücken. Irgendetwas hat dieser Mann an sich, dass ihr nicht geheuer ist. "Nun dann, ich will Sie nicht weiterbelästigen. Schönen Tag noch." Der Fremde nickt ihr leicht zu. Mit zügigen Schritten entfernt er sich, bevor Elsa überhaupt die Möglichkeit dazu hat sich auch zu verabschieden. 
Auf dem Heimweg fühlt sich Elsa komisch. Irgendetwas treibt sie dazu sich andauernd umzudrehen. Sie hat ihre Hände unter die Achseln geklemmt und erst als sie bei ihrem Apartment ankommt bemerkt sie das kleine Schneeflocken von ihren Fingerspitzen herabrieseln. Daraufhin ballt sie sie zu Fäusten. Was soll das? Sonst hat sie ihre Kräfte doch immer unter Kontrolle. 
Und auch als Elsa diesen Abend zu Bett geht, fühlt sich etwas noch immer anders an. 

Gefrorene NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt