Kapitel 4

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Severus öffnete die Tür zum Wohnzimmer, setzte seinen besten Todesblick auf und trat ein. Die beiden Professoren sahen stumm zu ihm hinüber, als er sich galant auf der Couch niederließ.

Er verdrehte die Augen bei den Gesichtern der beiden.

„Starren sie mich nicht so an. Entgegen aller Meinungen, ist mein Herz nicht aus Stein.", meinte er kalt.

McGonagall starrte ihn immer noch an, doch Dumbeldore lächelte sanft.

„Natürlich nicht, mein Junge. Man merkt wie sehr dir der Junge am Herzen liegt."

Severus schüttelte den Kopf und griff nach seiner Tasse.

„Uns sie denken, weil ich den Bengel für einige Tage zu mir nehme und seine unzähligen Verletzungen heile, liegt mir etwas an ihm?! Denken sie wirklich, ich würde ein Kind, das nebenbei gesagt auch noch unter meiner Aufsicht steht, Schmerzen leiden lassen?! Denken sie, ich würde einem Kind, dass misshandelt und vernachlässigt wurde, mit nichts als Hass und Abneigung begegnen? Nur weil ich das nicht mache, heißt das nicht, dass ich Harry mag.", zu spät bemerkte er seinen Fehler, den Jungen beim Vornamen genannt zu haben.

Genervt verdrehte er die Augen und verzog das Gesicht, beim Anblick des breiten Lächelns, das sich auf Dumbledores Gesicht ausbreitete.

„Reden sie keinen Unsinn, Severus. Natürlich mögen sie Harry, wie könnten sie nicht.", meinte McGonagall, mit ihrer typischen Lehrerstimme, die keinerlei Widerspruch duldete.

Genervt räuspert Snape sich.

„ Na gut... na gut...er ist nicht dumm, nicht laut, macht was man ihm sagt und kann sich selbstständig beschäftigen. Es gibt nichts an ihm zu bemängeln. Können wir jetzt aber endlich zum Punkt kommen? Was passiert mit dem Jungen?"

„Wir können ihn zu uns nach Hogwarts nehmen.", bot Dumbledore leise an.

„Und wer soll sich dort um ihn kümmern?", schnappte Snape verwirrt.

„Nun, Filius und Pomona wären sicherlich bereit dazu. Außerdem wäre ja auch ich da."

„Sie meinen sie würden den Jungen alleine in Hogwarts lassen, wo man ihn den ganzen Tag verwöhnen würde? Ein Kind, das an derartige Zuneigung nicht gewöhnt ist. Halten sie das wirklich für eine gute Idee?",meinte Snape spöttisch und drehte die Tasse in seinen Händen.

„Nein, nein, nein! Der Junge bleibt bei mir. Ich kann seine Verletzungen angemessen versorgen und weiß, wie ich mit einem traumatisierten Kind umgehen muss."- und ich schulde es Lily, setzte er in Gedanken hinzu.

„Wie lange?", wollte Minerva wissen.

„So lange bis sie eine passende Familie finden, kann er bleiben."

„Sie sind ein guter Mann, Severus.", der „gute Mann", schüttelte verächtlich den Kopf.

„Wieso sind sie eigentlich hier? Ich dachte sie sind bei ihren Verwandten?!", streng musterte Snape McGonagall. „Oder war das nur eine Ausrede, um mir den Jungen unterzujubeln und mich dazu zu bringen, ihm ein Zuhaus... eine Unterkunft zu geben?"

„Tatsächlich habe ich meine Reise für einen Tag verschoben, um noch einmal nach Mr Potters Verfassung zu sehen.", meinte die alte Dame würdevoll.

Severus schnaubte beleidigt, erhob sich und schritt im Raum umher, bevor er die beiden anderen wütend anfunkelte.

„ Sie brauchen mir nichts vormachen. Sie dachten, sie sehen besser nach, damit der Junge nicht vom Regen in die Traufe kommt, richtig? Damit die böse, fettige Kerkerfledermaus ihn nicht auch noch misshandelt oder vernachlässigt.

Sie brauchen sich gar nicht zu rechtfertigen! Ich würde auch ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich einen kleinen Jungen vor die Tür dieser... dieser Leute gelegt hätte! Haben sie denn nicht einmal... nicht ein einziges, verdammtes Mal, nach ihm gesehen?! Vielleicht wäre es dann nicht soweit gekommen. Vielleicht wäre der Junge jetzt gerade irgendwo bei einer netten Familie, hätte jetzt gerade keine Schmerzen, keine Angst und keine Gedanken an seinen Tod und müsste nicht bei einem verbitterten, kalten Mann sein, weil ihn sonst keiner will.", schloss er und ließ sich wieder auf sein Sofa sinken.

Er blickte in zwei starre, kummervolle Gesichter und seufzte.

„Sie sollten besser gehen. Der Junge kann so lange bleiben, wie er will... ich meine, wie sie Zeit brauchen, jemanden passenden zu finden."

Er erhob sich und Albus und Minerva taten es ihm gleich.

„Vielen Dank, Severus!", murmelte Dumbledore und tätschelte seine Hand. „Ich weiß, dass du Lilys Sohn niemals etwas antun würdest oder auch nur könntest. Egal was James dir angetan hat oder wie sehr du Harry auch gehasst hast."

„Ich hasse ihn nicht. Ich habe ihn nicht gehasst. Er ist doch nur ein hilfloses, kleines Kind, das nichts für... nichts kann.", antwortete Snape leise, sich darüber im Klaren seiend, dass McGonagall jedes Wort mit neugierem Blick verfolgte. Ihre Miene erhellte sich um eine Nuance, als sie Severus Worte hörte.

Dumbledore schenkte ihm ein letztes, warmes Lächeln und verließ dann mit McGonagall das Haus.

Severus ließ sich auf sein Sofa sinken und atmete tief durch. Obwohl es erst halb zehn war, überkam ihn eine Müdigkeit. Er unterdrückte ein Gähnen und erhob sich wieder, bevor er noch oben ging. Als er gerade aus dem Bad kam, die Zähne geputzt und in seinem schwarzen Schlafanzug, entschloss er sich, erneut nach dem Jungen zu sehen. Leise schlich er hinüber zu der angelehnten Tür und öffnete sie mit einem Knarren. Vorsichtig spähte er in den Raum. Der Junge schien tief zu schlafen. Snape näherte sich dem Bett und blickte hinab auf den kleinen Potter, der tief in den weißen Laken vergraben war. Trotzdem hatte er die Arme immer noch schützend um sich geschlungen, sogar im Schlaf. Langsam streckte Snape die Hand aus und lege sie auf die Stirn des Jungen, um zu sehen, ob dieser Fieber hatte. Er erschrak, als er die Hitze spürte. Schnell rief er einen Zaubertrank auf, der das Fieber senken würde und setzte sich dann auf die Bettkante.

Vorsichtig berührte er den Jungen an der Schulter.

„Harry. Wach auf!", murmelte er leise. Prompt erfolgte die Reaktion. Der Junge riss die Augen auf und fuhr erschrocken hoch. Beinahe traf er mit seinem Kopf, den des Professors.

„Tut mir leid.", nuschelte er verschlafen und blinzelte hinauf zu dem Mann, der auf ihn herunterblickte. Plötzlich kam eine Phiole in sein Sichtfeld. Verwirrt blinzelte er. In seinem Kopf war alles schummrig und vor Müdigkeit benebelt.

„Du hast immer noch Fieber. Trink doch bitte einen Heiltrank."

Harry nickte und tat was ihm befohlen worden war. Angewidert verzog er sein Gesicht, um den widerlichen Geschmack in seinem Mund loszuwerden. Er hörte ein leises Lachen und blickte auf zu Mister Snape. Ihm fiel auf, dass, wenn dieser lachte, er viel jünger und freundlicher aussah.

„Diese Tränke schmecken zugegebenermaßen wirklich scheußlich. Aber sie helfen dir und senken das Fieber.", meinte er. Harry meinte das Vergnügen in seiner Stimme zu hören. Leise gähnte er und merkte, wie seine Augen wieder zufielen.

„Schlaf ruhig, Harry. Gute Nacht.", flüsterte er und Harry spürte noch, wie jemand ihn sorgfältig zudeckte und über seine Stirn strich, bevor er endgültig vom Schlaf übermannt wurde.

Eine dunkle WahrheitWhere stories live. Discover now