„Meine Mutter ist Italienerin."

„Aha, deshalb." Simeon zog einen dicken Ordner heraus, schlug ihn auf und blätterte darin. Dann nahm er einen schwarz glänzenden Füllfederhalter und tippte auf das Blatt. „Dein Name?", fragte er und schaute sie abwartend an.

Kira atmete einmal tief durch. Vielleicht würde es ja gar nicht so kompliziert werden. Für ihn war es nur die übliche Prozedur, eine alltägliche Routinemaßnahme. Sie musste überhaupt nicht auf Vogel und das Ei eingehen.

„Kira Kronenberger." Wer in aller Welt verwendete heute noch einen Füllfederhalter?

Er notierte fein säuberlich ihren Namen und blickte sie dann abwartend an. Der Spitze des Füllfederhalters senkte sich wieder auf das Papier nieder, bereit, Fakten zu notieren. „Worum geht es?"

Genau jetzt würde es knifflig werden. Sie hasste es, zu lügen. „Ich habe ... äh ... Scherben gefunden." Das war nicht einmal die Unwahrheit, schließlich waren die Scherben das, was von ihrem Fund noch übrig war.

„Geht es etwas genauer?" Seine Lippen kräuselten sich. Mist, offensichtlich erwartete er, dass sie ihren Fund näher erläuterte.
„Mehrere schwarze Scherben sind es", sagte sie schließlich. Damit hatte sie nicht einmal gelogen, die Scherben waren zwischenzeitlich ja wirklich schwarz geworden.

Da glomm in Simeons Augen eine Spur von Interesse auf. Oder meinte sie es nur?

„Schwarz? Ach ja? Von einer Vase oder Amphore?", fragte er langsam.
„Äh, ja, vermutlich." Widerstrebend und etwas trotzig hielt sie seinem Blick stand. So einfach würde es wohl doch nicht werden.

Der alte Mann strich sich bedächtig über seinen kurzen grauen Kinnbart und schaute lange zum Fenster hinüber. „Hm, hm, schwarz also", sagte er. Er schien alle Zeit der Welt zu haben. Seine Gemächlichkeit wirkte beruhigend auf sie. Vielleicht konnte sie ihm ja sogar einen Teil der Wahrheit sagen? So beiläufig wie möglich fügte sie hinzu: „Eventuell könnten es auch Schalen sein. Von einem Ei oder so ..."

Simeon riss den Kopf zu ihr herum, als hätte sie ihm gerade mitgeteilt, dass in seinem Büro in Kürze eine Bombe explodieren würde. Der Sachverwalter sprang mit einer für sein Alter beachtlichen Geschwindigkeit vom Stuhl auf. Der Füllfederhalter, den er in der Hand gehalten hatte, fiel mit einem leisen Klappern zu Boden. Er beachtete es gar nicht.

„Von einem Ei?", rief er und seine Stimme überschlug sich fast. Er durchbohrte sie plötzlich mit Blicken. „Bist du sicher?"

„Ich weiß nicht ...", stotterte sie erschrocken. „Ich kann mich auch täuschen. Es hatte aber zumindest den Anschein ..., die Sonne war sehr heiß ... es kann auch sein, dass ich nicht ganz bei Sinnen war ..."
Was hatte der alte Mann? Dass die Erwähnung schwarzer Schalen diese Reaktion hervorrufen würde, hatte sie nicht erwartet.

„Sapristi, das wäre ja unerhört!", rief er jetzt. „Aber nur ... Schalen, sagst du?" Sein Blick überschattete sich.

Sie bereute, das Ei überhaupt zur Sprache gebracht zu haben. „Äh, ich weiß nicht genau, ob ...", begann sie.

Simeon wischte ihre Einwände mit einer resoluten Handbewegung beiseite. „Wo finde ich diese schwarzen Scherben? Ich muss sie sehen! Sofort!"

In ihr festigte sich die Überzeugung, nichts von dem Vogel verlauten zu lassen. Schon die Eierschalen hatten ihn ja komplett aus dem Konzept gebracht. Und den Vogel nicht zu erwähnen, hieß ja wohl nicht, dass sie log, oder? Sie ließ einfach nur einen Teil der Geschichte unerwähnt ...
„Also, naja, ... ich habe sie zur Fundsammelstelle gebracht. Zu den anderen Fundstücken."

Aufgeregt rieb Simeon die Hände aneinander. „Ja, natürlich, natürlich. Ich Esel!", rief er, während er zur Tür eilte. Im Vorbeigehen griff er nach dem Gehstock, ohne den man ihn draußen auf dem Gelände nie antraf. Die Türklinke schon in der Hand, hielt er einen Moment inne. „Brauchst du noch etwas?", sagte er zerstreut.

Im Schatten des PhönixDonde viven las historias. Descúbrelo ahora