Kapitel 34 - Das Wasserzeichen

74 16 3
                                    

»Dieses Ding wurde ihr zum Verhängnis?« Erstaunt wendete ich den Anhänger mehrmals in den Händen. »Wie?« Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dieses Ding gefährlich sein sollte.

»Der Anhänger selbst ist keineswegs gefährlich«, sagte Mrs. Parker, als hätte sie meine Gedanken gelesen.

»Aber wie wurde ihr der Anhänger dann zum Verhängnis?«

Mrs. Parkers Mundwinkel verzogen sich wieder zu diesem wissenden Lächeln, wie sie es in meiner Gegenwart recht häufig tat. »Katy und Elaine hatten damals das gleiche Ereignis hinter sich wie Zoey und du.«

Es lag auf der Hand, von welchem Ereignis sie sprach, ich wusste genau was sie meinte, dennoch musste ich es aus ihrem Mund hören und fragte: »Was denn für ein Ereignis?«

Sie ging darauf ein. »Katy war damals auch eine Meerjungfrau, wie du. Und Elaine eine Hexe.«

Ich runzelte die Stirn. »Moment ... Sie wissen, dass ich eine Meerjungfrau bin?«

Judy nickte. »Ja, ich erkenne es daran, wie du tagsüber am Strand das Wasser meidest, und in der Nacht – wenn es keiner sieht – es gar nicht erwarten kannst, ins Wasser zu springen und zur Insel zu schwimmen«, flüsterte sie verschwörerisch.

Ich zuckte zusammen. Und da dachte ich immer, mich würde niemand sehen. So viel dazu. »Und Elaine und Katy haben Ihnen ihr Geheimnis einfach so anvertraut?«

»Ich war von Anfang an dabei. Da gab es nichts zu verheimlichen.« Ihr Blick – dem nichts zu entgehen schien – sprach Bände. Ich verdrängte das schlechte Gewissen, das mich packte, weil ich am Anfang ganz allein damit fertig werden wollte. Judy winkte mit einer Hand ab, zum Zeichen, dass für sie das Thema damit beendet war, und ich genehmigte mir ein erleichtertes Seufzen, froh darüber, ihrem intensiven Augenmerk nicht länger ausgeliefert zu sein. »Aber zurück zu deiner Frage, was mit Elaine passiert ist. Dafür muss ich ein wenig ausholen ... Diese Geschichte ist etwas länger.«

Gespannt lehnte ich mich noch ein Stück nach vorn und Mrs. Parker begann ohne weitere Umschweife mit der Erzählung ihrer Geschichte: »Wir waren damals etwa in deinem und Zoeys Alter. Wir waren jung und abenteuerlustig. Wir wollten etwas erleben. Deshalb beschlossen wir eines nachmittags, während wir gemütlich am Strand saßen, dass wir der Insel noch am gleichen Tag einen Besuch abstatten würden. Es war meine Idee. Ich meinte, dass Katy es nicht einmal für ein paar Stunden dort aushalten würde, weil sie so schreckhaft war. Elaine war sofort Feuer und Flamme. Und da Katy nichts gegen uns zwei aussetzen konnte, machte sie mit.

Wir mieteten uns ein Ruderboot und paddelten zur Insel hinüber. Wir hatten kaum etwas dabei, nur die Sachen, die wir bei uns trugen: Handtücher, eine Kleinigkeit zu Trinken, Sonnencreme, Wechselklamotten ... Sehr riskant, muss ich im Nachhinein sagen. Wegen eines plötzlichen Sturms hätten wir tagelang auf der Insel festsitzen können. Zum Glück ist nichts dergleichen passiert.

Ein paar Stunden irrten wir durch die dichten, dschungelartigen Wälder, es war heiß und stickig. Bald hatten wir nichts mehr zu Trinken. Wir suchten nach einer Quelle oder einem kleinen Bach, Hauptsache trinkbares Wasser. Schließlich stießen wir, wie du dir vermutlich schon denken kannst, auf die Grotte. Leider besteht der See aus Meerwasser, da er einen unterirdischen Zugang zum Ozean besitzt, aber wir waren dennoch sprachlos. Einen solch faszinierenden Ort findet man äußerst selten.

Wir blieben bis die Nacht hereinbrach. Doch als wir uns auf den Rückweg machen wollten, benahmen sich Katy und Elaine auf einmal ganz seltsam. Wie der Zufall es wollte, war in dieser Nacht Vollmond. Katy meinte, das Wasser ziehe sie an, Elaine hingegen starrte die ganze Zeit zum Mond hinauf und sprach kaum ein Wort. Mir wurde klar, dass irgendetwas nicht stimmte, hier ging es nicht mit rechten Dingen zu. Dann füllte der Mond den Krater vollkommen aus, das Wasser im See begann zu brodeln und seltsame Lichtpartikel stiegen in die Höhe.

Mondsüchtig | VerwandlungWhere stories live. Discover now