Kapitel 14 - Familiengeheimnis

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Mom lächelte mich aufmunternd an und tätschelte sanft meine Wange. »Rede mit ihm. Er ist es wert, glaube mir«, sagte sie, wie die allwissende Großmutter, obwohl sie noch lange nicht dieses Alter erreicht hatte.

Ich seufzte tief. »Okay. Können wir das wiederholen? Über Dad zu sprechen, meine ich?«

»Aber klar, und jetzt geh!« Lachend scheuchte sie mich aus der Küche. »Wenn du wiederkommst, gibt es Kuchen, der nur auf dich wartet!«, teilte sie mir noch mit.

»Mom, willst du etwa, dass Kaycie fett wird?«, quakte Zoey von oben.

Ich verdrehte meine Augen. Musste sie denn immer ihren Senf dazugeben? Anschließend öffnete ich die Tür. »Komm, lass uns ein Stück gehen«, sagte ich zu Oscar, der ziemlich zerknirscht wirkte.

Wir liefen am Strand entlang, der Wind zerrte an unseren Haaren und der Kleidung.

»Ich weiß, dass du gesagt hast, du brauchst Zeit ...«, fing er an.

»Aber trotzdem sind wir hier«, stellte ich fest, und machte eine ausladende Geste, die den gesamten Strand umfassen sollte.

Oscar stöhnte leise. Er fuhr sich mehrmals durch das zerzauste Haar. Er war nervös, was ziemlich selten bei ihm vorkam.

Ich blieb stehen und hielt ihn am Arm fest. »Bitte sag mir, was du zu sagen hast.«

Er wich meinem Blick aus. »Kaycie ... Ich weiß nicht genau, wie ich da anfangen soll ...« Er zupfte an seinen Fingern.

Mit gerunzelter Stirn beobachtete ich sein Verhalten. So hatte er sich noch nie in meiner Gegenwart benommen. Schließlich ging ich einen Schritt auf ihn zu und legte meine Hände auf seine Schultern, damit er mich endlich ansah. »Was ist los? Ich sehe doch, dass etwas nicht stimmt«, forderte ich ihn auf.

Seine blauen Augen trafen auf meine. »Das gestern war mehr für mich ... auch wenn du dich an nichts erinnern kannst«, gab er zu.

Ich unterdrückte den Impuls, von ihm abzuweichen. Wie sollte ich denn darauf reagieren? Mir kam das alles unwirklich vor. Wie in einem Traum, der sich doch so real anfühlte. »Weißt du, ich dachte immer, dass aus uns nie etwas werden würde«, sagte ich schief lächelnd, nachdem lange keiner ein Wort von sich gegeben hatte.

»Warum das?«, fragte er erstaunt.

Nun wollte ich meine Hände doch wieder zurücknehmen, aber Oscar hielt sie fest umschlossen. »Naja, ich dachte immer, du interessierst dich nicht ... für Mädchen.« Jetzt war ich es, die den Kopf abwandte.

Oscar fing an zu lachen. »Was? Du dachtest, ich wäre schwul?«, hakte er ungläubig nach.

Sein Grinsen steckte mich an. »Ja, genau das dachte ich! Und es hat mir auch nichts ausgemacht. Ich habe dich immer nur als meinen besten Freund gesehen ... Jetzt ist es verwirrend für mich, dass ich die ganze Zeit falsch lag«, erklärte ich.

»Kaycie, ich werde dich zu nichts drängen. Wir sind immer noch beste Freunde, egal was passiert. Das verspreche ich.« Er hielt mein Gesicht in seinen Händen.

Wir sahen uns eine geraume Zeit nur an, und kurz war ich versucht gleich herauszufinden, wie sich ein Kuss mit ihm wohl anfühlen würde. Meine Lippen wollten sich schon öffnen, aber dann entschied ich mich dagegen und presste sie zusammen. »Okay«, flüsterte ich schließlich. Vorsichtig befreite ich mich aus seinem sanften Griff und starrte zum Meer hinaus.

»Kaycie, wenn du weißt, was das Richtige ist ... komm zu mir«, sagte Oscar noch, dann entfernte er sich von mir.

Ich war hin und hergerissen, als ich ihm nachblickte. Auf der einen Seite war er mein bester Freund und wie ein großer Bruder für mich, aber auf der anderen Seite ... wollte ich herausfinden, was gestern Nacht zwischen uns passiert war, das ihn dermaßen überzeugte.

Um das Chaos in meinem Kopf besser ordnen zu können, ging ich ins Wasser. Dort schien die Zeit stillzustehen und meine Probleme und wirren Gedanken lösten sich in Luft auf. Ich tauchte bis zur Insel, wollte aber nicht in die Höhle. Dort hatten wir uns gestern geküsst – jetzt diesen Ort aufzusuchen würde meine Gefühle zu sehr aufwirbeln.

Also betrachtete ich die Fische um mich herum, deren Schuppen in den Sonnenstrahlen schimmerten, die durch die Wasseroberfläche drangen. Der Sand tief unter mir glitzerte ebenfalls ... und dann sah ich auf einmal einen Gegenstand, der hell glänzte, und mich blendete. Neugierig schwamm ich darauf zu. Es war ein Medaillon aus Silber. Es wirkte etwas zerkratzt und es hatte eine kleine Delle, weshalb ich es nicht gleich aufbekam.

Ich schwamm zurück zum Strand, um es mir an Land genauer ansehen zu können. Nachdem ich wieder trocken und angezogen war und den Anhänger mit dem Saum meines Shirts vorsichtig gesäubert hatte, versuchte ich ihn erneut zu öffnen. Erst nach dem dritten Versuch klappte es.

Lange starrte ich das Bild an, das auf der Innenseite befestigt war. Durch den festen Verschluss war es noch in einem sehr guten Zustand. Irgendwie kam es mir bekannt vor ... Zwei Teenager waren darauf abgebildet: ein hübsches Mädchen mit langen, rötlichen Haaren und blauen Augen und ein Junge mit dunklen Augen und kurzen schwarzen Haaren. Beide lächelten in die Kamera – es sah aus wie ein Selfie. Sie wirkten glücklich zusammen. Wahrscheinlich ein Liebespaar.

Nachdenklich fuhr ich mit dem Finger darüber. Dann hatte ich einen Geistesblitz und augenblicklich wusste ich, woher ich dieses Bild kannte. Ein Ausschnitt von diesem Foto hing bei uns im Wohnzimmer ... Die zwei Teenager waren meine Eltern! Vor Aufregung über meine Entdeckung, hätte ich den Anhänger beinahe fallen gelassen.

Ich nahm die Abbildung noch genauer unter die Lupe. Der Ausschnitt war größer als bei uns Zuhause. Mom trug die Kette, die ich gerade in den Händen hielt ... und Moment mal, was war das hinter ihr? Täuschte ich mich, oder hatte sie etwa eine Schwanzflosse?

Mondsüchtig | VerwandlungWhere stories live. Discover now