Ich sah, wie der Supra in das erste Quartal der vierten Zone einfuhr, denn unter mir erstreckten sich mehrere kleine Seen, an deren Ufern ich Boote ausmachen konnte, die den Fischern gehörten. Die Wasserstellen waren künstlich angelegt und die Fische darin ausgesetzt worden. Doch sie pflanzten sich seit jeher erfolgreich fort, sodass es Circle nie an frischem Fisch mangelte.

Ich war nicht oft im ersten Quartal gewesen. Nur ein oder zwei Mal, weil Cori mich darum gebeten hatte, ihn zu begleiten. Irgendwann hatte ich nur noch abgelehnt. Der Geruch nach Fisch und Wasser war nichts für mich, er ekelte mich an. Da war mir der Wald mit seinem fröhlichen Rauschen und der frischen Brise tausend Mal lieber.

Mehrere Minuten lang sah man nichts anderes als die glitzernde Wasseroberfläche und etliche, zu dieser Zeit noch leere Boote noch leere Boote. Dann versperrte eine an die Hochebene angebaute betonierte Fläche die Sicht und der Zug hielt an.

Wenn man leise war, hörte man, wie sich die Tür öffnete und ein oder zwei Menschen das letzte Abteil betraten. In meinem Waggon jedoch regte sich nichts. Ich blieb weiterhin allein. Dann ging die Fahrt auch schon weiter und kaum fünf Minuten später ertönte ein mechanisches Brummen, welches die Abkopplung des vierten Waggons signalisierte, der vorerst seine eigene Fahrt in Zone Vier fortsetzte. Zu den Feldern und den Viehzüchtern in Quartal Vier und Drei und zum Wald mit seinen Jägern.

Unwillentlich dachte ich an Johnson, wie er mich mit einem Reh verwechselt hatte und musste grinsen. All das schien auf einmal so lächerlich weit entfernt zu sein. Ich konnte nicht lange darüber nachgrübeln, was wohl aus dem Jäger werden würde, denn der Zug fuhr über eine Grenzbrücke.

Nach dem Tod meines Vaters, hatten uns die Gesetze der Stadt keine lange Schonfrist verschafft. Nur fünf Tage nach seinem Ableben wurden wir aufgefordert, die Wohnung zu räumen und zurück in die vierte Zone zu ziehen. Zufälligerweise waren wir in dieselbe Hütte gezogen, in der mein Vater aufgewachsen war, wie Mum mir bei der Ankunft erzählt hatte. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt wieder leer gestanden. Die Zugfahrt in unser neues Zuhause war an mir vorbeigeflogen, ohne dass ich großartig auf die Umgebung geachtet hatte. Dementsprechend sah ich die dritte Zone nun das erste Mal wirklich bewusst und der Anblick war überwältigend.

Natürlich hatte ich aus der Entfernung durch den meterhohen, elektrischen Zaun, der die Zonen voneinander trennte, schon die riesigen Steintürme der Industrieanlagen erspäht, die weißen Rauch in den Himmel stießen, doch von Nahem waren sie viel imposanter und größer.

Die dritte Zone wirkte fast wie eine eigenständige Stadt. An diesem bedeckten Morgen war in der Vier kaum etwas losgewesen, doch hier herrschte bereits reges Treiben. Ich konnte die Menschen auf den Straßen gehen sehen. Sie trugen einfache Arbeitskleidung, fuhren auf klapprigen Fahrrädern umher und transportierten in Holz- oder Metallkarren Materialien von einer Fabrikhalle zur anderen.

Allen Gebäuden sah man an, dass sie der Produktion dienlich waren und täglich genutzt wurden. Einige der dunkelroten Backsteine waren stark verrußt, bei anderen bröckelten die Wände bereits, doch sie schienen intakt genug, um sich nicht mit der Reparatur aufhalten zu müssen. Die Menschen achteten gar nicht auf die kleinen Häufchen aus kaputtem Stein, die sich unter Löchern in der Decke stapelten. Sicher waren an den meisten Schäden starke Unwetter schuld gewesen. Es machte den Eindruck, als würde das ganze Quartal fast ausschließlich aus Fabrikgebäuden bestehen, denn sie standen so nah beieinander, dass die Straßen, die sich zwischen ihnen entlang schlängelten, von dem roten Meer der massiven Backsteindächer verschluckt wurden.

Dennoch waren die Wege mit Menschen belebt, die scheinbar durch ein heilloses Durcheinander liefen, jedoch jeder sein eigenes Ziel fest vor Augen hatte. Einige hielten mit Schubkarren in den Händen an und sprachen mit einem Kollegen oder Freund. Andere liefen nebeneinanderher und unterhielten sich. Es war etwas gänzlich Neues für mich.

Captured | Band 1Donde viven las historias. Descúbrelo ahora