Kapitel 16

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„Ich frage mich, ob niemand von der Gefängniswache den Tumult in der Nacht bemerkt hat." Die Frauen saßen alle in einem großen Kreis in der Mitte, der Zelle und wollten die obligatorische Morgenandacht halten, aber alle waren noch viel zu aufgekratzt. 

„Auch die anderen Gefangenen müssen doch etwas gehört haben." 

Sonia nickte - Cosmina zustimmend. „Vielleicht wollte man diesen Aufstand nicht verhindern. Jede Qual, die uns widerfährt ist unseren Feinden nur recht." 

Ramona lächelte die Freundin ein wenig spöttisch an. „Sie mal nicht alles so schwarz, Soni." 

Diese zuckte nur mit den Schultern und hob die Hände. „Ich bin nur Realistin." 

Ramona lachte auf. „Wir sollten lieber eine Lösung finden, um das Fenster zu reparieren, oder wollt ihr euch alle erkälten? Die kälteren Tage kommen immer näher." 

Sonia seufzte. Elin wusste, dass die alte Frau schon bald ein Jahr in dieser Zelle war. Letztes Jahr an Weihnachten hatte man sie, und alle, die mit ihr den Gottesdienst gefeiert hatten, gefangen genommen. Elin konnte sich nicht vorstellen so lange Zeit nur in diesem einen Raum zu sein und immer wieder zu ermüdenden Verhören gerufen zu werden. 

„Es gibt für uns keine Möglichkeit. Wir brauchen ein neues Glas und fertig." Elin wunderte sich. Sonia war sonst immer optimistisch und blickte voller Vertrauen in die Zukunft. Heute sah sie ganz niedergeschlagen aus. Ich werde sie später fragen was los ist, nahm sie sich vor. 

„Wir werden den Wärter darum bitten." Alle Augen richteten sich bei Ramonas Worten auf Elin. 

Diese lachte. „Ich übernehme das, natürlich. Er kennt mich und meine... Beharrlichkeit ja schon." 

Die Anderen schmunzelten. „Jetzt bist du aber erst damit dran uns eine Morgenandacht zu halten." 

Elin hatte sich die ganze Woche den Kopf darüber zerbrochen welchen Vers sie nehmen sollte und hatte sich dann Verse aus Philipper drei ausgesucht. Sie stand auf und sah ihre Glaubensschwestern an. „Gott hat mir Philipper drei Verse 13 und den Anfang von Vers 14 aufs Herz gelegt. Dort heißt es: Brüder, ich halte mich selbst nicht dafür, dass ich es ergriffen habe; eines aber tue ich: Ich vergesse, was dahinten ist und strecke mich aus nach dem, was vor mir liegt, und jage auf das Ziel zu, den Kampfpreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus. In diesen beiden Versen wird deutlich, dass wir die Welt hinter uns lassen sollen. Wir sollen unser Ziel- den Himmel- vor Augen haben. Auch hier in dieser Zelle sollen wir nur danach trachten Jesus nicht aus den Augen zu verlieren. Für ihn wollen wir leiden. Paulus sagt wir sollen auf das Ziel zu jagen. Lasst uns unsere ganze Kraft auf dieses Ziel richten. Wenn ich meine gequetschten Finger anschaue, dann spüre ich jedes Mal tief in meinem Herzen, dass es richtig ist, was wir tun. Wir können es uns nicht oft genug ins Gedächtnis rufen: Jesus ist es wert. Um jeden Preis. Wir wollen nicht auf das schauen was wir verlieren, sondern auf das, was wir gewinnen. Die Welt liegt hinter uns und der Himmel vor uns." Sie setzte sich wieder. 

„Amen", bekräftigten die anderen laut. Dann stellten sie sich auf ihre Knie und beteten. Anschließend sagte jeder einen Bibelvers auf, an den sie sich gerade erinnerte und dann sangen sie noch ein paar Lieder. Elin vergaß die Sorgen um Felicia und Gabi und lobte Gott von ganzem Herzen. Sie ahnte nicht was sich zur selben Zeit abspielte.

Felicia

Felicia fühlte sich wie gerädert als sie erwachte. Sie war erst verwirrt über die unbekannte Umgebung, aber dann dämmerte ihr nach und nach, was mit ihr geschehen war. Ich bin allein. In dieser Zelle wohne nur ich. Und die anderen wissen nicht wo ich bin. 

Bis in den TodWhere stories live. Discover now