13 - Die Dämonen der Vergangenheit

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„Denk daran, deinem Gegenüber zuzuhören und ihn ausreden zu lassen, okay?"

Zweifelt sie etwa so sehr an meinen sozialen Kompetenzen, dass sie denkt, mich noch einmal daran erinnern zu müssen?

Ohne etwas auf die Frage meiner Mum zu erwidern, öffne ich die Haustür und starre direkt in die kristallblauen Augen von Trace. Da schwimmen so viele verschiedene Emotionen in seinem Blick, dass mir ganz schwindelig wird.

Ein vorsichtiges Lächeln ziert die Lippen des Blondschopfes, als ich mich auf den kleinen Treppenvorsprung hocke und darauf warte, dass er sich neben mich setzt.

„Es ist schön, dich zu sehen, Rayla", murmelt Trace leise. Ich wünschte, ich könnte seine Euphorie erwidern, aber das wäre dann gelogen. „Und ich bin dir mehr als nur dankbar für dieses Gespräch."

„Freu dich nicht zu früh", dämpfe ich seine Glücksgefühle in nur einem Atemzug. „Noch haben wir nämlich kein richtiges Gespräch auf die Beine gestellt."

Und irgendwie bezweifele ich auch, dass wir das in den nächsten Minuten schaffen werden.

„Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll."

„Am besten am Anfang."

Mir ist bewusst, dass es Trace ohnehin schon schwerfällt, mit mir zu sprechen, aber meinen Sarkasmus kann ich mir einfach nicht verkneifen. Außerdem hat er die kleinen Seitenhiebe auch verdient.

„Als ich nach dem Tod meines Großvaters nach Kanada gezogen bin, meinten meine Eltern, dass ich eine Beschäftigung bräuchte, um seinen Tod besser zu verarbeiten. Also fing ich mit dem Schwimmen an", ringt sich Trace nach einigen Minuten zu den ersten Worten durch.

„Am Anfang war ich ein miserabler Schwimmer - wirklich! Ich habe mich nicht mal getraut, frei im Becken zu schwimmen, sondern musste immer am Rand bleiben. Nur dort habe ich mich sicher gefühlt."

Ohne es verhindern zu können, schleicht sich ein sanftes Lächeln auf meine Lippen. Die Vorstellung von Trace als Kind ist einfach zu niedlich um wahr zu sein.

„Trotzdem habe ich nicht aufgehört und immer weitergemacht. Zusammen mit meinem Trainer habe ich an mir und meiner Angst gearbeitet, sodass ich von Jahr zu Jahr besser und irgendwann sogar in das Jugendnationalteam berufen wurde."

Vermutlich ist der Blondschopf das beste Beispiel dafür, dass es sich lohnt, immer weiterzumachen und nicht aufzugeben. Leider ist er aber auch gleichzeitig das Negativbeispiel dafür, wie schnell man abrutschen kann.

„Mit sechszehn Jahren habe ich dann den Sprung zu Olympia geschafft. Für mich war es damals das Beste, was mir hätte passieren können, aber im Endeffekt war es das Schlimmste." Trace seufzt, fährt sich einmal mit der Hand durch die Haare und setzt sich dann neben mich auf den Treppenvorsprung.

Ein paar Sekunden ist es so ruhig, dass ich mir sogar einbilde, seinen schnellen Herzschlag zu hören.

„Warum war es das Schlimmste, was dir hätte passieren können?", hake ich vorsichtig nach, nachdem der Lockenkopf nicht weiterspricht. „Es ist doch etwas Schönes, für sein hartes Training belohnt zu werden."

Traces Blick hat sich irgendwo in der Ferne verloren, sodass er sehnsuchtsvoll einen Punkt in der Dunkelheit fixiert. Ich kann ihm ansehen, wie sehr ihn seine Vergangenheit belastet.

„Nachdem ich die Olympianorm geschwommen bin, habe ich den Verein gewechselt", spricht der Lederjackenjunge leise weiter. „Das erste Jahr war alles okay. Ich habe gefühlt jedes Wochenende neue Rekorde aufgestellt, hatte einen Stammplatz in der Nationalmannschaft und wurde mit Goldmedaillen überschüttet."

Fries before guysWhere stories live. Discover now