112. Morgendliche Post

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Wie vom Grund eines Tiefen Sees dessen mildes, warmes Wasser sich an den Körper schmiegte, verließ Eragon das Reich seiner Wachträume und kehrte in die Realität zurück. Ein blick aus dem Fenster zeigte ihm, dass der Morgen noch jung war. Der Tag, mit all seinen Entscheidungen und Pflichten war noch ein gutes Stück entfernt und so konnte Saphiras Reiter ganz den Anblick der schlafenden Elfe neben ihm genießen.
Er musste fast über sich selbst lachen. All die Jahre die ins Land gegangen waren, eine gemeinsame Tochter und noch immer war er im Stande sich völlig in Aryas Anblick zu verlieren.
Obwohl, war verlieren das richtige Wort? In gewisser weise schon! Der Bauernjunge aus Carvahall hatte begriffen, dass, wenn man einen anderen so liebte wie er die Elfe in seinen Armen, dann musste man bereit sein einen Teil seines "Ichs" zu opfern um diese Liebe zu leben. Der Andere tat das Selbe und aus den beiden Fragmenten des "Ich" wurde das gemeinsame "Wir".
Plötzlich wurde Eragon bewusst, dass es noch ein anderes Wesen in seinem Leben gab, mit dem er eine Bindung hatte, die ähnlicher Natur war.
-"Na endlich!"- Saphiras Stimme klang sanft aber auch schelmische Freude klang darin mit. -"Es hat dich ja eine halbe Ewigkeit gekostet um das zu begreifen."-
-"Du meinst, was ihr Drachen durch uns Zweibeiner erhalten habt als die Seelen der Völker verschmolzen sind?"- erkundigte sich Eragon nach einigen Augenblicken des Überlegens in denen die Bruchstücke der Erkenntnis alle an ihren Platz fielen.
-"Ich hab es auch nicht sofort begriffen."- räumte die blaue Drachendame ein. Eines ihre unergründlichen Augen schwebte vor dem Fenster und musterte ihren Reiter liebevoll. Strahlen der aufgehenden Sonne ließen die edelsteinartigen Schuppen der Drachendame erstrahlen. -"Miemel hat es mir und Fírnen erklärt, kurz nachdem mein Nistpartner und dein Herzstern wieder zu uns gefunden haben. Auch ich habe damals begriffen, was ich schon wusst3e, aber nicht in Worte fassen konnte. So wählen wir unsere Reiter kleiner. Deshalb ergänzen sich die Gespanne oft so gut. Wir wählen nicht den der von nobler Abstammung ist, der der stark ist oder viele Schlachten gewonnen hat sondern den der uns durch sein Wesen vollständig werden lässt."-
-"Und du bist nicht wütend auf mich weil ich noch mit einem anderen Wesen eine solche "Bindung" habe?"-
Eragon hatte seine Worte vorsichtig gewählt. Bewusst hatte er das Wort "eifersüchtig" vermieden und "wütend" gesagt. Eifersucht war etwas dummes und kindisches und das wollte er Saphira gerade in diesem warmen Moment nicht unterstellen.
Die blaue Drachdame durchschaute ihn sofort und lachte leise.
-"Ist die Schwester WÜTEND auf den Bruder wenn er sich in ein Mädchen verliebt?"- sie betonte das Wort "wütend" noch einmal besonders um Eragon klar zu machen, dass sie genau wusste von welchem Gefühl eigentlich die Rede war. Dann fuhr sie fort: -"So etwas fühlt man nur solange bis man begreift, dass das, was uns verbindet Kleiner niemals von Arya beansprucht werden kann und umgekehrt. Mit mir teilst du Dinge, die du ihr nicht anvertraust und umgekehrt. Also: nein, ich bin nicht wütend."
Dankbar öffnete Eragon seine Seele. Er ließ Saphira spüren wie recht sie hatte und wie unersetzlich wichtig sie für ihn war.
Die Drachendame summte behaglich.
Der Zauber des Augenblicks fiel jäh in sich zusammen als ein leises Klopfen zu hören war. Jemand pochte gegen die Tür zum Schlafzimmer der beiden Drachenreiter.
Nun erwachte auch Arya. Kurz lächelte sie ihren Gefährten an, bevor sie mit glockenheller Stimme "Herein" rief.
Die Tür zum Schlafzimmer der beiden ältesten Reiter des Ordens wurde aufgeschoben und Marlena steckte den Kopf durch den Türspalt. Mit noch von der Nacht zerzaustem Haar und schelmisch funkelnden Augen begrüßte sie ihre Eltern und nahm Am Fußende des Bettes der Beiden im Schneidersitz platz.
"Ich hoffe ich störe nicht?" fragte sie, während sie einen Apfel an ihrem Nachthemd polierte.
-"Nur wenn du Küken immer noch auf einen kleinen Bruder hoffst."- antwortete Saphira noch bevor Eragon oder Arya es tu konnten.
Während Marlena von einem Kicheranfall geschüttelt wurde warf Eragon seiner Drachendame einen strafenden Blick zu. Diese zwinkerte nur frech.
"Darf ich fragen was dich in unser Bett führt Tochter?" erkundigte sich der Anführer der Reiter mit übertriebener Höflichkeit bei Marlena.
Diese hatte inzwischen genüsslich in ihren Apfel gebissen, schluckte nun eilig und erwiderte im selben Ton wie ihr Vater:
"Weil, lieber Vater, teure Mutter, ein Brief für euch angekommen ist." sie zog einen versiegelten braunen Umschlag hervor. "Er wurde uns mit Magie geschickt und trägt das Siegel des Elfenkönigs. Die Krieger der Drachen haben ihn mir übergeben, da sie ihn für wichtig halten und euch nicht so früh stören wollten."
Marlena reichte ihrem Vater ein versiegeltes Kuvert. Auch ohne die einleitenden Worte seines Sprösslings war es für Eragon klar, dass dieser Brief von den Elfen stammte. All Herrscher verwenden spezielle, widerstandsfähige Umschläge für offizielle Korrespondenz . Bei den meisten Herrschern waren sie aus weichem Leder. Allein die Elfen verwendeten braunen Stoff der ihrer Webkunst entsprang. Sie verwendeten keine Häute von Tieren für ihre Post.
Eragon war sich sicher, dass es um etwas ernstes gehen musste denn nur wenn eile geboten war verwendete man Magie zum übersenden der Briefe.
Es überraschte nicht, dass der Brief zunächst durch die Hände der Krieger der Drachen gegangen war. Um Unfälle zu verhindern waren bestimmte Ankunftspunkte für diese Art von Nachricht eingerichtet worden. Der des Ordens befand sich in der Nähe der Kaserne der Krieger.
"Ich nehme an, es interessiert dich was man von uns will oder Kind?" erkundigte sich Arya bei ihrer Tochter, die keine Anstalten machte das Zimmer ihrer Eltern zu verlassen. Statt dessen biss sie mit Unschuldsmine erneut in ihren Apfel.
Eragon hatte den Brief inzwischen geöffnet und überflog die Zeilen. Mit jedem Satz wurde ihm bewusst, dass der Tag mit all seinen Pflichten ihn nun eingeholt hatte.
"Worum geht es?" wollte Arya wissen.
"Nun, nicht um eine große Gefahr oder eine Naturkatastrophe." beruhigte Eragon seine Gefährtin. "Sondern um einen Streitfall bei dem König Maranus mich um Vermittlung bittet."
Ein Anflug von Unverständnis huschte über Aryas Gesicht. Die Geduld die für ihr Volk typisch war ließ sie aber schweigen und Abwarten.
Marlena besaß diese Disziplin noch nicht:
"Warum bittet der König denn dich Vater? Das ist doch eher selten. Die Elfen sind stolz darauf ihre Probleme selbst zu lösen!"
"Das stimmt." bestätigte Eragon." Aber in dieser Sache sind wir bereits beteiligt. Du erinnerst dich an den Zirkel der Heiler über den wir zu Gericht sitzen mussten?"
Arya begegnete dem Fragenden Blick ihres Gefährten mit einem Nicken.
"Die, die Kinder gestohlen haben die nicht in ihr Schönheitsideal für das Volk der Elfen passten?" erkundigte sich Marlena.
"Genau die." bestätigte Eragon. "Sie wurden von uns verbannt und nur mit der Vergebung der Opfer dürfen sie in die Wälder des Nordens zurückkehren. Es sieht wohl so aus, dass einer dieser Heiler diese Vergebung von einem Elternpaar nun erhalten hat aber es gibt Probleme. Die Eltern des betroffenen Kindes haben vergeben aber der Onkel des Vaters ist dazu nicht bereit."
"Der Onkel des Vaters?" Marlena hob eine Augenbraue.
"Ein Elfenfürst Namens Melechoris. Er gehört nicht zum Hochadel aber er ist immerhin der Sprecher für die östlichen Auen." erläuterte Eragon.
"Das ist das Waldgebiet zwischen Ceris und Ellesméra oder?" fragte Marlena wissbegierig.
"Richtig." bestätigte Arya. "Ich stelle mit Freude fest, dass du meiner Bitte nachgekommen bist und dich mit deinem elfischen Erbe beschäftigt hast Kind."
"Ich würde es nicht unbedingt eine Bitte nennen Mutter." murrte Marlena.
"Es ist wichtig für dich diese Dinge zu wissen." beharrte Arya. "Du hast den Segen des Herrscherpaares erhalten und als meine Tochter......"
"Gehörst du zu einer alten Adelsfamilie!" leierte Marlena herunter. "Bitte nicht so früh am Morgen Mutter."
"Wie dem auch sei." unterbrach Eragon den aufkeimenden Konflikt." Dieser Elf, Melechoris, hatte seine Gefährtin, Seinen Bruder und seinen Sohn im Kampf gegen Galbatorix verloren. Sein Neffe und dessen Gefährtin sind seine letzten lebenden Verwandten und daher nimmt er großen Anteil an ihrem Schicksal."
"Das den beiden das Kind genommen wurde muss ihn mit großem Schmerz erfüllt haben." vermutete Arya mitfühlend.
Auch Marlena wirkte betroffen.
"Es kommt sogar noch schlimmer." murmelte Eragon. "Der Sohn, den man dem jungen Paar genommen hat ist in keiner Weise missgebildet. Er ist ein völlig gesund."
"Aber warum...." setzte Marlena an, dann begriff sie. "Er ist wie Sina oder?"
"Genau." bestätigte Eragon. "In der Familie der Mutter hat es einen Fall von Missbildung gegeben und für diesen Heiler war das Grund genug ein ansonsten gesundes Kind zu verstoßen."
Marlena schüttelte wütend den Kopf.
"Und da wundern sich die Elfen warum Kinder bei ihnen so selten sind, ich meine, wenn selbst Gesunde Kinder verstoßen werden weil ein entfernter Verwandter mal...."
Marlena verstummte als sie den strengen Blick ihrer Mutter auf sich spürte. Dieser Blick wurde allerdings schnell weicher.
"Du hast ja recht Kind. Dieser Zirkel und sein Handeln wird auf ewig ein dunkles Kapitel in der Geschichte der Elfen sein aber ich sehe hier noch nicht ganz das Problem Liebster. Wenn die Familie nicht bereit ist zu vergeben bleibt die Verbannung bestehen!"
"Das Problem" erklärte Eragon. "....besteht darin, dass Melechoris zum einen nur ein entfernter Verwandter der Eltern ist. Er hat zwar für seinen Neffen gesorgt nach dem Krieg aber dennoch ist er "nur" der Onkel. Außerdem steht der Verdacht im Raum, dass es politische Erwägungen sind die die Vergebung verhindern."
"Ach ja!" Marlena trumpfte auf. "Es ist bald Sonnenwende. Da werden die Sprecher von den Adligen der Auen neu gewählt. Sie bilden den Rat der Stadthalter und die Stadthalten wählen aus dem Hochadel den Kronrat."
"Sehr gut!" lobte Arya und fügte an Eragon gewandt hinzu:" Melechoris ist Sprecher der östlichen Aue. Dort war ein besonders strenger Heiler am Werk. Viele Familien haben gelitten. Er fürchtet sicher, dass er nicht wiedergewählt wird wenn er einem Heiler des Zirkels vergibt. Aber haben wir nicht Trenjan und Sairis zur Zeit als Botschafter in Ellesméra? Können die beiden nicht für uns sprechen."
"Die beiden fühlen sich wohl etwas überfordert." murmelte Eragon und blickte zu Saphira auf. "Wir werden wohl eine kleine Reise machen müssen meine Schöne. Diese Sache kann ich nicht durch einen Spiegel klären. Es wäre eine Beleidigung für alle Beteiligten. Es würde ausshen wie mangelndes Interesse von meiner Seite."
Arya bestätigte mit einem schlichten Nicken, dass sie einverstanden war. Aus Saphiras Geist empfing Eragon bereits Wellen heißer Vorfreude.
-"Ein langer Flug und nur wir beide Kleiner. Wie in den alten Zeiten."-






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