19. Dinner for One und Nur ein Schwein trinkt allein

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Heute war noch weniger los als sonst, aber aus Erfahrung wusste ich, dass in wenigen Stunden, wenn die Partyszene nach Hause zog, hier die Hölle los sein wird. Wer hatte nach einer anstrengenden Nacht voller Tanzen und Alkohol nicht das Verlangen nach einem fettigen Burger mit Fritten?

Ich wusste nicht, warum ich mir nichts zu essen bestellt hatte, denn mein Magen rumorte seit Stunden. Im Nachhinein betrachtet war es nicht die beste Idee, dass Mittagessen ausfallen zu lassen und bis zum Abendessen zu warten, vor allem nachdem ich mir jetzt nichts bestellt hatte.
Aber irgendwie wollte ich warten und schauen, ob Charles nicht vielleicht doch kommen würde. Denn wenn er kommen sollte, wollte ich mit ihm zusammen essen und nicht allein.

Im Sekundentakt fiel mein Blick auf meine Armbanduhr und als es halb Neun schlug, bestellte ich mir schlussendlich doch mein übliches Menü. Der Hunger hatte gesiegt und irgendwie musste ich meine Trauer verarbeiten. Dabei schien mir Frustfressen als die beste Option.

Mir war im Vorhinein klar gewesen, dass Charles nicht kommen würde - immerhin hatte ich ja selber dafür gesorgt -, aber ich hatte die Hoffnung irgendwie nicht aufgegeben.
Doch mein langsam aber sicher immer kleiner werdender Burger und der Boden der Pommesschachtel, der schon zwischen den übrigen Fritten durchblitzte, ließ auch das letzte bisschen Hoffnung sterben.

Charles und ich waren jetzt Geschichte.

Die Erkenntnis traf mich stärker als erwartet.
Zitternd zog ich die Luft ein und schmiss meine angebissene Pommes zurück in die Schachtel, ehe ich die Folie, auf der mein Burger gelegen hatte, zusammenknüllte.

Es war die dümmste Idee überhaupt hierher zu kommen und auch nur eine Sekunde lang zu hoffen, dass er wirklich erscheinen würde.
Ich war so dumm.

Ich könnte jetzt schön zuhause auf meiner Couch liegen, fernsehschauen und meinen Kummer mit schlechten Sitcoms vertreiben, aber hier in der Kälte irgendwo unter einer Autobahnbrücke, so hatte ich mir meinen Freitagabend ganz und gar nicht vorgestellt.

Ich zog den Kragen meiner Jacke höher um mich vor der Kälte zu schützen.
Hier war es, Gott sei Dank, zwischen den Häusern windgeschützt, aber die Kälte kroch dennoch tief in meine Knochen und mit einem letztes lauten Seufzen, packte ich meinen Müll zusammen und donnerte ihn in die Mülltonne.

Ohne mich von Fred zu verabschieden - auf irgendwelche dummen Kommentare konnte ich gerade wirklich verzichten -, schob ich meine Hände tiefer in meine Hosentaschen und machte mich auf den Weg zurück zu U-Bahn Station.

Unweigerlich musste ich an das letzte Mal denken als Charles und ich hier waren. Als wir gemeinsam zurück zur Station gelaufen waren nachdem er das erste Mal überhaupt in einer U-Bahn gefahren war.
Als er mich hier nach Maxi gefragt hatte und wie wir uns in der Station das erste Mal geküsst hatten.

Wenn ich gewusst hätte, wohin mich das alles führen würde, hätte ich ihn damals wahrscheinlich nicht noch einmal geküsst. Ich hätte es einfach bei diesem Kindergartenkuss belassen sollen, dann hätte ich keine Ohrfeige kassiert und würde jetzt nicht hier stehen, wie bestellt und nicht abgeholt.

Meine Augen brannten, und das nicht nur wegen dem kalten Wind, der auf der offenen Straße erbarmungslos vorbeifegte. Nein, auch wegen den Erinnerungen an Charles.

Mein Gehirn packte plötzlich alle schönen Momente, die ich mit Charles erlebt hatte, aus und ließ sie mich schmerzlich Revue passieren. Als wir das erste Mal miteinander geschlafen hatte, seine Zärtlichkeit, das Kuscheln danach, das asiatische Essen mit dem er plötzlich vor meiner Tür gestanden hatte, sein Versprechen und der atemberaubende Sex danach.
Selbst der blöde Blumenstrauß und seine unangekündigten Besuche in meinem Büro.

unmoralisch ✓Where stories live. Discover now