Cade spürte die brennende Wunde an seiner Schulter natürlich, aber er zeigte es nicht. Er musste sich gegen zwei Gegner gleichzeitig wehren und das reichte erstmal. Kurz waren die beiden unvorsichtig und schon lagen sie reglos neben ihm. Mit finsterem Blick sah Cade zu Lord Alistair. "Alles muss man selber machen", grummelte dieser gerade gespielt missmutig, zog sein Langschwert und rannte mit drei weiteren Männern auf Cade zu. Cade spürte das klebrige Blut seiner nun toten Angreifer an seinen Händen. In seiner Zeit als Assassine war er abgehärtet worden. Gegen all das Töten, das Blut... Das alles nahm er kaum noch wahr. Er hielt die Schwerter schräg vor seinen Oberkörper, um den ersten Angriff zu parieren. Die Klingen trafen mit einem metallischen Geräusch aufeinander. Der Mann kämpfte gut, das musste er sich eingestehen. Einmal erwischte er ihn am Bein. Cade zog sein eines Schwert weg und stach mit dem anderen zu. Doch während er das Kurzschwert wieder herauszog wurde ihm das andere mit einem starken Schlag aus der Hand geschleudert. Seine linke Hand, in der er nun keine Waffe mehr hielt, schmerzte von dem Schlag. Wütend funkelte er den Lord an, der diesen Schlag getätigt hatte. Doch direkt danach wurde er von dem anderen Mann abgelenkt. Er schlug gerade mit voller Kraft in Cades Richtung. Der Assassine hatte nicht genug Zeit um sein Schwert zu heben also hob er schützend seine leere Hand. Die Klinge schnitt unangenehm in seine Handfläche und sofort strömte warmes Blut über Cades Handfläche, an seinem Handgelenk hinab nach unten in den Ärmel. Der Mann holte erneut aus. Kurz dachte Cade, er hätte den Mann. Aber es war ein Bluff. Der Mann packte statt zu schlagen seinen Arm und verdrehte sein Handgelenk so dass er das andere Schwert auch fallen lassen musste. Cade gab einen unterdrückten Fluchlaut von sich und versuchte, sich dem Griff zu entwinden. Erfolglos. Der Mann zwang ihn auf die Knie. Cade wehrte sich verbissen, aber er kam nicht frei. Der eine Templer hatte sein Schwert weggesteckt und hielt Cade nun mit eisernem Griff an den Schultern fest. Faith, die noch auf dem Brunnen stand, zitterte unaufhörlich und konnte sich nicht rühren. Der Lord ließ ein abfälliges Lachen von sich hören und hob die Spitze seines Schwertes an Cades Kinn. "Also seid ihr Assassinen doch nicht so schlau. Geister, Schatten, ... - pah. Ihr seid auch nur Menschen!" Nun legte er die Schneide seines Schwertes über Cades Kehle. "Soll ich, kleiner Meuchelmörder?", fragte er mit lauernder Stimme und grinste boshaft. Cade verzog grimmig das Gesicht. "Wir Assassinen fürchten den Tod nicht", erwiderte er nur kalt. Obwohl der Lord ihm direkt ins Gesicht sah erkannte er es nicht. Die Kapuze warf einen langen Schatten. Faith sackte auf dem Dach des Brunnens schließlich zusammen und blieb zitternd auf den Knien sitzen. Sie betete inständig um ein Wunder. Sie hoffte, jemand würde kommen und Cade und sie retten. Sie dachte nur nicht an Aed und Kadir - so war es wirklich ein Wunder, als der Lord plötzlich aufschrie und sein rechtes Bein leicht einknickte. Cade sah dorthin. Ein schmaler, scharf geschliffener Metallstab mit Schlaufe am Ende steckte darin. Cade kannte jemanden, der diese Waffe benutzte. Er sah zu den Dächern. Nichts war zu erkennen. Der Lord sah sich ebenfalls unruhig um. "Zeig dich, Assassine!", befahl er mit zischender Stimme und hielt sein Schwert schützend vor seinen Körper. Faith sah sich hoffnungsvoll um. Wer war das gewesen? Plötzlich trat eine Gestalt aus dem Schatten. Die fast vollkommen weiße Kleidung flatterte leicht im kühlen Nachtwind, die Kapuze verbarg das Gesicht. Faith erkannte ihn. Ihre Augen leuchteten hoffnungsvoll. "Ihr solltet nach eurem Double sehen, Lord", erwiderte er gleichermaßen sachlich wie drohend. Kurz wirkte der Lord verwirrt, dann atmete er hörbar erschrocken ein und rannte in die Gasse. "Irwin! Nein!" Faith spürte einen kleinen Stich im Herzen. Was hatte Kadir nun schon wieder getan? Wer war Irwin? Es war ein Mädchen- sowie Jungenname. Seine Frau? Sein Sohn? Faiths Zittern hörte nicht auf. Cade spürte immer noch die Griffe an seiner Schulter. Als der Lord losrannte lockerten sie sich. Der Templer war unsicher. Ein finsteres Lächeln bildete sich auf Cades Gesicht. Gerade riss er sich los und wollte den Templer mit einer seiner versteckten Klingen töten - da lag dieser schon vor ihm auf dem Boden. Die Augen weit aufgerissen und der Mund zu einem stummen Schrei geöffnet. In seiner Stirn steckte eines dieser Metallgeschosse. Knurrend drehte sich Cade um, während Aed grinsend in das fahle Mondlicht trat. In seiner Hand hielt er einen weiteren dieser Wurfpfeile. Er sagte immer, er hätte diese Waffe selbst erfunden. Doch Cade kaufte ihm das nicht ab. "Das war meiner!", knurrte Cade und fuhr die Klinge mit einer kurzen Bewegung wieder ein. Aed lachte leise. "Das war er nicht." Kadir war derweil zu Faith gelaufen. Er blieb vor dem Brunnen stehen und sah fragend zu ihr hinauf. "Alles okay, Faith?" Seine Stimme hatte eine beruhigende Wirkung auf das Mädchen. Faith zitterte immer noch. Wie konnten Cade und Aed sich darum streiten, wer wen töten durfte?! Manchmal zweifelte sie an der Menschlichkeit der Assassinen. Okay, das tat sie seit sie wusste dass es sie wirklich gab. Und das hieß seit vorgestern. Oder war es noch vor Mitternacht? Faith hatte kein Zeitgefühl mehr. Sie wusste nicht, wie spät oder früh es war. Es war schlicht und einfach Schlafenszeit. Sie merkte, dass sie aufgehört hatte zu zittern und sah nun zu Kadir. "Alles okay", nuschelte sie müde. Das Adrenalin, welches während des Kampfes durch ihre Adern geflossen war, machte nun der Müdigkeit Platz. Kraftlos kletterte sie halb, fiel halb, vom Brunnen und legte ihre Arme um ihren Oberkörper. Es war kalt. Was zeigte, dass es eben Anfang Herbst war, nicht Hochsommer. Sie sah sich um, Cade und Aed kamen gerade zu Kadir und Faith. Ihre weißen beziehungsweise grauen Monturen waren an einigen Stellen voller Staub und Dreck, an manchen sogar beschmutzt mit Blut. Ob es ihr eigenes oder das von Templern war vermochte Faith nicht zu erkennen. Sie musterte Cade mit besorgtem Blick. An einem Ärmel sah man breite Blutflecken und auf seiner Handfläche eine blutige Schnittwunde. Die Schnittwunden an der Schulter und am Bein sahen genauso schlimm aus. Sie sah zu Aed und Kadir. Auch die beiden hatten etwas abbekommen. Aed blutete an der Schläfe - Faith war ganz erstaunt darüber, dass sie das erkennen konnte - und am Arm, wobei Kadir ebenfalls am Arm blutete und am Ellenbogen eine Schürfwunde hatte. So waren die Monturen der drei auch an einigen Stellen zerrissen und zerschnitten. "Wir müssen weiter. Wie gesagt - wir müssen noch heute Nacht zum Hauptquartier. Nach diesem Vorfall will ich nicht weiter warten." Kadir klang ernst während Faith merkte, dass Cade nichts Negatives zu ihrem besorgten Blick gesagt hatte. Bemerkt hatte er es sicher... Oder? Kadir lief sofort los und Faith schloss sich ihm direkt an. "Wann kommen wir beim Hauptquartier an?" Sie war schrecklich müde und wusste nicht, wie lange sie noch wachbleiben konnte. "In ein paar Stunden - höchstens", antwortete der Großmeister mit seiner ruhigen Stimme und schnitt sich im Laufen etwas von seiner Kleidung ab um sich den Streifen um seine Wunde binden zu können. Faith beobachtete ihn. Er ging mit seiner Kleidung um als sei es billiger Stoff. Sie liefen durch eine breite Gasse. Das Mädchen fühlte sich plötzlich so beobachtet. War wohl normal, wenn man mit Assassinen zusammenlebte... Apropos. "Kadir, was habt Ihr mit diesem Double gemacht?" Sie sah den Meister vorsichtig an. Den schien diese Frage aber nicht zu überraschen. "Der wird wohl Lord Alistair gerade erklären müssen, wieso er nicht tot ist..." Faith sah verwundert auf. "Nicht tot?" Kadir lachte leicht. "Nur weil wir Assassinen sind töten wir nicht alle unsere Gegner", belehrte er sie mit einem leichten Grinsen. Faith sah mit nachdenklichem Blick geradeaus. Nicht tot...

Red SnowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt