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Louis wacht am nächsten Tag auf und er kann schwören, dass der Duft nach Blumen immer noch in seiner Nase steckt. Er zieht seine Decke nicht mehr über den Kopf, wie er es sonst machen würde; stattdessen bleibt er nur ein paar Minuten im Bett liegen, starrt an die Decke, schätzt seine Stimmung ein.

     Etwas ist anders. Er freut sich nicht gerade auf den kommenden Tag, doch er fürchtet sich auch nicht vollständig, was ein naher erster Schritt ist.

     Wie gewohnt spielt er mit dem Gedanken, sein Leben zu beenden, nur um zu sehen, ob das Gefühl der Ruhe real ist. Er stellt sich vor, als dem Bett zu kriechen und zum Fenster zu gehen, um auf die Pflastersteine unter ihm zu sehen, um den Drang zu springen, zu necken. Er fragt sich, ob das überhaupt funktionieren würde.

     Sein Magen dreht sich bei dem Gedanken um und er beschließt, dass heute definitiv noch nicht der Tag dazu ist.

     Er strampelt die Bettdecke mit seinen Füßen von sich und kratzt sich am Kopf, während er sich im Bett aufsetzt. Er wirft einen Blick auf die Uhr und merkt, dass es erst acht Uhr ist, ein früher Morgen für ihn, wenn man bedenkt, dass er nicht mehr für die Arbeit aufstehen muss. Sein Boss hat ihn gestern auf seinem Weg nach Hause angerufen, sie hat angespannt und verärgert geklungen, als sie ihm die Nachricht seiner Kündigung überbracht hat. Er kann nicht sagen, dass er es bei all seiner unentschuldigten Abwesenheit in letzter Zeit nicht erwartet hätte, doch er konnte auch nicht sagen, dass es ihn überhaupt interessiert. Dasselbe gilt auch für seine Unikurse. Er kann sich nicht einmal an das letzte Mal erinnern, an dem er aufgetaucht ist, und er hat nicht die Absicht, diese Strähne heute zu brechen.

     Manchmal, wenn er aufwacht, ist das Bett gegenüber von ihm voll und heute ist einer dieser Tage. Technisch gesehen steht Nialls Name nicht im Mietvertrag, weil er oft mit seinen Freunden in der Studentenwohnheim schläft, aber er kommt oft genug hierher, dass Louis ein extra Bett für ihn in seinem Zimmer stehen hat. Er kann die blonden Haarsträhnen auf dem Kopfkissen ausgebreitet und das bekannte Gesicht dagegen zerquetscht sehen, also ist er vorsichtig, als er sich selbst aus seinem Bett hievt, um seinen schlafenden Mitbewohner nicht zu stören.

     Auf seinem Weg in die Küche erhascht er einen Blick auf sich selbst ihm Spiegel; helle Mokka-Büschel stehen in alle Richtungen ab, ein leichter Bartschatten auf seinem Kinn zu sehen, und er fragt sich kurz, wie Harry am Morgen aussehen würde. Sein Haar ist sowieso schon ein Durcheinander von Locken, also kann sich Louis nur vorstellen, wie hoffnungslos es nach einer Nacht unruhig Wenden und Umdrehen wäre.

     Die Gedanken an Harry bringen die Erinnerungen an den vorigen Tag wieder zurück und er wiederholt fast jeden Moment in seinem Kopf, klammert sich an die Details, wie zum Beispiel den Kirschgeruch der hellen Blüten und den leicht rauen Klang eines lauten Lachens; Dinge, die er sich nicht ausgedacht haben könnte, Dinge, die ihn daran erinnern, dass es nicht nur ein sehr fantastischer Traum gewesen ist, dass es tatsächlich passiert ist, und dass dort wirklich ein so schöner Junge im echten Leben existiert.

     "Was zum Teufel ist denn mit dir los?", meint Zayn, als Louis mit einem echten Lächeln auf seinen Lippen in die Küche kommt.

     "Nichts?", spielt Louis den Dummen.

     "Bullshit, hab dich schon seit Jahren nicht mehr so lächeln sehen", bemerkt Zayn und nimmt einen Schluck von seinem Frühstückstee. "Und du bist schon vor Mittag an deinem freien Tag auf." Louis ist für das Schlafen bis in den Nachmittag bekannt, wann auch immer die Chance für ihn besteht, und manchmal macht er sogar später am Tag nochmal ein Nickerchen. Psychische Krankheiten sind so ermüdend.

     Es ist nicht so, dass er Zayn nicht erzählen will, dass er sich gut fühlt, es ist nur, dass er sich sicher ist, dass es keinen Grund dafür gibt. Er weiß, dass wenn er morgen vom Tierheim nach der Adoption nach Hause kommt, er Harry nie wiedersehen wird, außer er entscheidet sich entweder, sich mehr Katzen anzuschaffen oder wie ein kleines verlorenes Kind bei ihm herumzuhängen; keines der beiden Sachen würde er jemals tun. Er würde lügen, wenn er sagen würde, dass er nicht gehofft hat, dass mehr nach dem Treffen passieren würde, doch Jungs wie Harry können nichts mit Jungs wie ihm anfangen, also verweigert sich der klügere Teil seines Gehirns der Mahnung, dass nach morgen, das beste, was für ihn herausspringen könnte, ein höfliches, vorbeigehendes Lächeln wäre, falls sie irgendwo jemals aufeinander treffen sollten.

cherry blossomWhere stories live. Discover now