Kapitel 31

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Hätte Alisha gewusst, was heute auf sie zukommen wird, wäre sie vielleicht in ihrem warmen Bett geblieben. Sie hätte sich nicht im Badezimmer das Gesicht gewaschen und sie hätte sich nicht gut gelaunt von ihrer Mutter verabschiedet. Sie wäre sicherlich auch nicht mit schnellem Schritt den Weg durch den Park gegangen, sondern hätte sich überlegt, lieber umzudrehen.

Wenn sie gewusst hätte, was heute passieren würde, hätte sie sich vielleicht dazu entschieden zum ersten mal in ihrem Leben zu schwänzen.

Doch sie wusste nicht, was heute geschehen würde, weshalb sie, wie jeden Tag, eine viertel Stunde vor dem Unterrichtbeginn auf ihrem Stuhl saß und durch ihre Mappe blätterte.

Nachdem die Schulglocke erklang, öffnete sich die Tür und nach und nach wurden die Gespräche im Klassenraum lauter.

Louis war der letzte, der den Raum betrat und wenn Alisha wusste, was heute passieren würde, hätte sie sich auch nicht gefragt, weshalb er heute gestresster aussah, als sonst. Sie hätte sich nicht gefragt, wieso die Falte auf der Stirn tiefer aussah als sonst und wieso sein Blick nervös durch den Klassenraum huschte, bevor er bei Alisha stoppte.

Sein Blick blieb auf ihr liegen und sie merkte, wie sie nervöser wurde und nicht wusste wie sie reagieren sollte.

Louis bewegte sich nicht, sondern stand wie ein Statue im Türrahmen und starrte sie an.

Es war bereits ein Tuscheln zu hören und Alisha wendete sich mit hochrotem Kopf ab.

„Mr Tomlinson, würden sie sich bitte setzen, so dass ich meinen Unterricht beginnen kann?", fragte der Physiklehrer genervt.

Abwesend nickte Louis und schlurfte durch die Reihen. Als er an Alisha vorbei ging, bewegte er seine Lippen, doch sie verstand nicht was er sagte.

Die gesamte Stunde starrte Louis sie an und es fiel ihr immer schwerer sich zu konzentrieren, während sie den kribbelnden Blick im Nacken spürte.

Es fiel ihr schwer der Stimme des Lehrers zu folgen und es kostete ihr viel Überwundungskraft sich nicht umzudrehen und ihn zu fragen, was los sei.

Erleichtert atemete sie auf, als die Stunde zu Ende war und sie ihre Notizen zusammen packen konnte. Mit einer schnellen Bewegung verstaute sie alle ihre Sachen in ihrer Schultasche und verließ den Raum. Als sie einen letzten Blick zurück warf, sah sie, wie Louis sie noch immer anschaute und erneut seinen Mund bewegte ohne dass ein Wort bei ihr ankam.

„Alisha?", riss sie jemand aus einer anderen Welt und verwirrt schüttelte sie den Kopf.

Sie saß in der Mensa und hatte in ihrem Buch gelesen und bekam nichts um sie herum mit.

Erst jetzt sah sie, dass es Louis war, der vor ihr stand und versuchte ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.

„Hörst du mich?", fragte er und es lag noch immer eine Ratlosigkeit in seinem Blick.

„Äh...ja.. natürlich.", stotterte sie.

„Dann komm. Wir müssen los." Er streckte sich nach ihrem Arm aus und schien nicht, als würde er etwas erklären wollen.

„Wohin?", fragte sie irritiert.

Er schaute nervös um sich und presste zwischen zusammen gebissenen Zähnen heraus: „Ich habe keine Zeit. Wir müssen gehen."

Alisha bewegte sich nicht von ihrem Stuhl, auch als Louis Hand sich näher zu ihr bewegte, zuckte sie nicht mit der Wimper.

„Bitte!", seine Stimme war ein Flehen und gerade als Alisha erneut fragen wollte, was los sei, legte sich eine Hand auf Louis Schulter und Ilora stand hinter ihm.

„Was ist denn hier los?", fragte sie gespielt nett und mit einem eingefrorenen Lächeln auf ihrem Gesicht.

Als weder Louis, noch Alisha antworteten, wurde ihr Lächeln breiter. „Das ist ja gut. Louis, ich muss noch mal mit dir reden. Kommst du bitte mal?"

Er schloss kurz die Augen und atmete die Luft aus seinem ganzen Körper aus, bevor er leicht nickte.

Als Ilora ihn hinaus führte, drehte er sich noch ein letztes Mal um und blickte Alisha hilflos an. Wieder bewegte er die Lippen, doch Alisha hörte nichts.

Die nächste Stunde hatten Alisha und Louis keinen Unterricht zusammen, weswegen sie alleine verwirrt im Klassenraum saß und sich erfolglos bemühte, etwas zu verstehen, was an der Tafel stand.

Was wollte er?

Wieso war er so hilflos?

Was wollte er ihr sagen?

Was sollte sie tun?

Die Stunde verging noch langsamer als sonst und ihr Blick war durchgehend aus dem Fenster gerichtet. Sie wollte mit Louis reden und ihn alles fragen, doch auf der anderen Seite, wollte sie nichts mehr mit ihm zu tun haben und sich endlich mehr keine Sorgen und Gedanken mehr machen.

Sie wollte endloch ihr Leben wieder haben, in welchem sie viel für die Schule getan hat, gute Noten geschrieben hat und genug Schlaf hatte.

Hätte sie gewusst, dass alles noch schlimmer werden würde, wäre sie bei diesem jetzigen Leben geblieben.

Sie war gerade auf dem Nachhause weg und kickte Kieselsteine vor sich her, als sie eine Hand an ihrem Arm spürte, die sie in eine andere Richtung riss und sich hinter sich herzog.

Sie wollte sich los reißen, doch konnte nicht anders als den schnellen Schritten, der Person vor sich anzupassen.

Durch die schwarze Kleidung und aus dem Grund, dass der rennende Mensch, das Gesicht von ihr weg drehte, wusste sie nicht, wer gerade dabei war sie zu entführen.

Sie wollte um Hilfe schreien, doch ihr Mund öffnete sich nicht. Sie wollte um Hilfe schreien, doch ihre Zunge gehorchte ihr nicht.

Ihr Blick fiel auf die Hand, die ihren Oberarm umklammerte und an deren Handgelenk sich ein braunes Armband mit einem Anhänger, der wie eine verschnörkelte drei aush, befand.

Louis.

Sie schrie nicht.

Who's that shadow?Where stories live. Discover now