Kapitel 1

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Die warme Sonne schien durch das große Fenster mit den weißen Seidengardinen direkt auf das Bett, in dem die 18-jährige Alisha friedlich schlief. Das fröhliche Zwitschern der Vögel, die draußen im Kirschbaum saßen, wurde von einem ohrenbetäubenden Klingeln unterbrochen.

Verschlafen und murrend tastete Alisha über den Nachtischschrank, bis sie den Grund des störenden Geräusches fand. Genervt schlug sie auf den schwarzen Wecker, bis er endlich still war. Die Schülerin warf einen müden, jedoch hoffnungsvollen Blick, auf die Zeiger, jedoch schwand die Hoffnung, als sie feststellten musste der Wecker hatte sich nicht vertan, sondern es war tatsächlich bereits halb sieben. Gähnend strich sie sich über die Augen und wog im Kopf die Vor- und Nachteile ab, ob es besser war aufzustehen und zur Schule zu gehen oder sich wieder schlafen zu legen.

Auch wenn Alisha nicht zu den Menschen gehört, die morgens singend aus dem Bett springen, um tanzend und gut gelaunt im Badezimmer zu verschwinden, fiel ihr die Entscheidung leicht. Schule ist für die fleißige Schülerin eines der wichtigsten Dinge im Leben, weswegen sie sich schließlich doch dazu überwand aus dem Bett zu kriechen und unter die Dusche zu gehen.

Während das kühle Wasser ihren Körper hinab floss, merkte sie, wie die Müdigkeit allmählich aus ihrem Körper verschwand. Zurück in ihrem Zimmer, schmiss sie sich ihren Lieblinhgshoodie über und entschied sich für eine bequeme Hose. Mit ihrem Rucksack über der Schulter flitzte sie in die Küche, um sich dort einen Apfel aus der Obstschalte zu schnappen. So früh am Morgen konnte sie noch nichts Schweres im Magen haben. Anders als ihr zwei Jahre älterer Bruder Joe, der jeden Tag vor der Schule ein drei Gänge Menü in sich hinein schob. Leider war er vor einem Jahr nach London gezogen, um dort sein Grafik Studium anzufangen und seitdem war das Haus viel ruhiger als zuvor.

Nachdem Alisha sich ihr Pausenbrot geschmiert hatte und es sorgfältig in ihrem Rucksack verstaute, rief sie ein letztes „Tschüss. Bis später!" und erhielt von ihrer Mutter, die sich im Badezimmer die Zähne putzte die Antwort: „Tschüss. Viel Spaß!"

Ihr Vater arbeitete als Elektriker und verließ das Haus früher als die anderen Familienmitglieder. Ihre Mutter musste meistens nach Alisha zur Arbeit, da sie als Lehrerin arbeitete und oft erst zur zweiten Stunde in der Schule sein musste. Als Alisha noch in der Grundschule war, fingen die beiden an sich immer dieselben Worte zum Abschied zuzurufen. Das Ritual zwischen ihnen ist bis heute erhalten und selbst, wenn ihre Mutter früher in der Schule sein musste rief Alisha „Tschüss. Bis später!" in das leere Haus.

Ihr Schulweg führte durch ihren Lieblingspark, in dem sie sich nachmittags gerne aufhielt und anschließend musste sie eine Brücke überqueren. Während sie die Hauptstraße entlang ging, konnte man bereits die Rivermouth Highschool erkennen. Früher fürchtete sie sich vor diesem Weg, da sie Angst hatte, jemand würde sie von der Brücke oder auf die Straße schubsen, doch mittlerweile schaffte sie den Weg zur Schule ohne sich Sorgen zu machen.

Fünfzehn Minuten vor dem Klingeln betrat Alisha den noch leeren Klassenraum. Sie war immer die erste, da sie gerne noch genug Zeit hatte, um ihre Bücher und Hefte auszupacken und durch die Notizen von letzter Stunde zu gehen.

Die meisten Schüler stempelten Alisha als Streberin ab, die den ganzen Tag nichts anderes tat als zu lernen, doch Alisha hatte Spaß daran ihre Schulsachen ordentlich zu führen und freute sich über die Bestätigung der Lehrer.

Da heute allerdings der erste Tag nach den Sommerferien war, gab es nichts, was sie tun konnte, weshalb sie sich dazu entschied ein wenig durch das Schulbuch zu blättern. Vorarbeiten würde sicherlich auch nicht schaden.

Nach und nach füllte sich der Klassenraum mit laut erzählenden Schülern. Jeder berichtete seinen Freunden, was in den letzten sechs Wochen passiert ist, wohin sie verreist sind und wieviel Geld sie bei Hollister und Victoria's Secret gelassen hatte. Noch nie hatte Alisha verstanden, wieso man 100€ in einen BH stecken musste, obwohl es auch weit aus günstigere gab, die denselben Job erfüllten.

Kopfschüttelnd blätterte sie weiter durch das Geschichtsbuch. Alisha wusste, dass sich sowieso niemand für sie interessieren würde. Sie hatte bisher nur eine gute Freundin gehabt, doch nachdem diese umzog, sind ihre Wege in verschiedene Richtungen gelaufen und seit mehreren Jahren haben die beiden keinen Kontakt mehr zueinander. Sie mochte es sowieso lieber alleine in ihrem Zimmer zu sitzen und Musik zu hören oder zu lesen. Im Mittelpunkt fühlte sie sich unwohl, weswegen sie sich auch in der Schule lieber zurück zog, was von ihren Mitschülern zum Glück respektiert wurde. Sie hatte sich ihrer Rolle in der Klasse über die Jahre angepasst und hatte damit auch keine Probleme. Hin und wieder wurde ihr ein kleiner Streich gespielt, doch noch nie wurde sie gemobbt oder geärgert und mittlerweile haben auch die Streiche aufgehört, da die Schüler von Alishas fehlender Reaktion gelangweilt waren.

Nach wenigen Minuten betrat der Geschichtslehrer die Klasse. Im Gepäck hatte er einen braunhaarigen Jungen, den Alisha bisher noch nie gesehen hatte. Mehrere Male versuchte Herr Gobelmann mit lauter Stimme die Schüler zum Schweigen zu bringen, doch scheiterte kläglich. Erst als er nach der Kreide griff und ein quietschendes Geräusch an der Tafel erzeugte, schreckte die Klasse auf. Mit verzerrtem Gesicht hielt sich Alisha die Ohren zu. Als das Geräusch endlich verklang, warf sie ihrem Lehrer einen dankenden Blick zu, der nun allen einen guten Morgen wünschte.

„ Wie ihr vielleicht seht, steht neben mir ein neuer Mitschüler.", stellte er den Jungen neben sich vor. Einige Mädchen steckten sofort ihre Köpfe zusammen und tuschelten und kicherten. „Möchten Sie sich vielleicht kurz vorstellen?", fragte Herr Gobelmann an den Jungen gerichtet.

„ Also eigentlich gibt es nicht viel über mich zu sagen. Ich heiße Louis Tomlinson und bin neu in Rivermouth. Ich bin gespannt auf das neue Schuljahr und hoffe, dass ich hier eine schöne Zeit verbringen werde.", erzählte der Neue kurz.  Er hatte eine weiche Stimme mit einem Yorkshire Akzent und während er sprach zog sich ein Lächeln über sein Gesicht, welches bis an seine Augen reichte. Bei seiner kurzen Vorstellung, wippte er mit seinen Füßen auf und ab, doch wirkte dabei nicht nervös, sondern machte eher den Anschein er könne nicht still bleiben und müsse sich bewegen. Vielleicht tat er dies allerdings auch nur um größer zu wirken, da Alisha ihn nicht größer als 1,75 m einschätzte. Insgesamt hatte er eine sehr fröhliche und sympathische Ausstrahlung.

„ Nehmen Sie doch neben Alisha Potts Platz.", schlug der Geschichtslehrer vor und zeigte dabei auf den leeren Stuhl neben ihr.

Die Blicke der Mädchen drehten sich auf der Stelle wie auf Kommando zu Alisha um, die am liebsten im Boden versinken würde, da sie so viel Aufmerksamkeit nicht gewohnt war. Mit gesenktem Kopf schob sie ihre Bücher und Hefte zur Seite und machte Louis somit Platz sich auszubreiten.

Dieser lächelte den Lehrer freundlich an und setzte sich schließlich neben Alisha, der er ebenfalls ein Lächeln schenkte, dass jedoch mehr gezwungen als echt aussah. Den Stuhl schob er soweit an den Tischrand, wie möglich, bevor er sich neben sie setzte. Von der Klasse hörte man vereinzeltes Kichern, als sie sahen, wieviel Louis Alisha auswich und Abstand zu ihr nahm.

Während diese aufmerksam den Unterricht folgte und dabei wichtige Notizen aufschrieb, fiel ihr auf, wie Louis starr geradeaus auf die Tafel schaute. Er war tief in seinen Stuhl gesunken, hatte seine Arme vor der Brust verkreuzt und seine Beine hatte er so weit nach vorne gestreckt, dass er mit den Füßen die Stühle in der Reihe vor sich berührte. Es schien, als würde er gar nichts vom Unterricht und den Menschen um sich herum mitzubekommen. Noch immer saß er am äußersten Rand des Tisches und hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht seine Hefte auszupacken.

Kopfschüttelnd wandte Alisha sich wieder zurück zur Tafel.

Who's that shadow?Where stories live. Discover now