Kapitel 4

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In der zweiten Pause stehe ich zusammen mit meiner neu gewonnenen Freundin Amanda auf dem großen Schulhof. Auf einmal fangen zwei Jungs an sich zu prügeln. In kürzester Zeit bildet sich eine große Menge um die beiden. "Lass uns mal gucken gehen, was da los ist!", sagt Amanda sofort. Doch mein Magen verkrampft sich sehr stark. Ich spüre wie meine Augen sich mit Tränen füllen. Durch die Erfahrungen, die ich bisher miterlebt habe, kann ich mit großen Konflikten nicht umgehen. Sobald Gewalt eine Rolle spielt, setzen bei mir alle Sinne aus. Es ist dabei egal, ob ich an dem Konflikt beteiligt bin oder die Personen überhaupt kenne. Oft schaffe ich es, einfach ruhig durchzuatmen und mich auf etwas anderes zu konzentrieren, aber jetzt funktioniert es nicht. Ich merke, wie ich immer schneller atme.

"Was ist los?", fragt Amanda besorgt, aber ich kann ihr nicht antworten und renne einfach weg in Richtung Toilette. Dort angekommen, sperre ich mich in einer Kabine ein und lasse meinen Tränen freien Lauf. Amanda, die mir wahrscheinlich nach gelaufen ist, redet auf mich ein, dass ich rauskommen oder mir ihr reden soll, aber irgendwann gibt sie es auf und ich höre wie sich ihre Schritte entfernen.

Nach kurzer Zeit kommen erneut Schritte und diesmal von mehreren Personen. Dann höre ich die Stimme von Louis: "Was ist denn genau passiert?" "Ich weiß es nicht! Auf einmal fingen Nate und Tyler an sich zu prügeln. Sie gehören zur Clique der Badboys und sind eigentlich beste Freunde. Auf jeden Fall wurde Grace dann ganz komisch. Sie hat viel schneller geatmet, sich den Bauch gehalten und hatte Tränen in den Augen. Dann ist sie direkt zum Klo gerannt. Ich habe auf sie eingeredet und versucht sie rauszulocken, aber es ist nicht so leicht, wenn man nicht weiß warum sie sich einsperrt. Und dann hab ich euch gesucht und geholt. Sie hat mir letzte Pause gezeigt wer ihr seid."

"Okay, ich rede mit ihr!", das war wieder Louis. Dann höre ich auch schon wie er an die Tür klopft und anfängt zu sprechen: "Es ist alles gut. Es hatte nichts mit dir zu tun. Atme tief durch und zähl bis zehn!" Er redet immer weiter und tatsächlich schaffe ich es ruhiger zu werden. Nach einem weiteren tiefen Atemzug komme ich aus der Kabine. Doch hätte ich zu dem Zeitpunkt gewusst warum sie sich prügelten, wäre ich wahrscheinlich nicht so schnell raus gekommen. Ich öffne die Tür und falle sofort in Louis Arme. Er streichelt mir über den Kopf und flüstert "Pscht" in mein Ohr. So lange, bis ich wieder normal atme und mich beruhigt habe.

Dann gehen wir gemeinsam aus der Toilette raus, dort warten Mason und Amanda auf uns. Sie sehen mich beide mitleidig an. Mason wusste jedoch, dass mich in solchen Situationen eigentlich nur Louis beruhigen kann und wenn mich dann noch alle möglichen Leute in den Arm nehmen, wird es nur noch schlimmer. Das hat er wahrscheinlich auch Amanda gesagt, denn sie streichelt nur vorsichtig meinen Arm.

Kurz vor Ende der Pause laufen die Jungs, die sich eben geprügelt haben an uns vorbei. Sie starren mich beide an. "Wer ist das? Und warum gucken die beiden mich so an? Oder warum guckt mich die ganze Schule heute schon so seltsam an?", wende ich mich an Amanda. "Das sind Tyler und Nate, zwei der Badboys Clique. Eigentlich beste Freunde, aber ab und zu knallt es bei ihnen. Und zu deiner zweiten Frage: Du bist neu und gleichzeitig auch noch hübsch! Die Jungs schwärmen für dich und einige Mädchen sind eifersüchtig!" Damit hatte ich nicht gerechnet. Mit allem, aber nicht damit. "Freu dich! Du hast die freie Wahl, für den Ball in einem Monat!", versucht sie mich aufzumuntern. Ein Ball? Na, das kann ja super werden.

Beim Mittagessen sitze ich zusammen mit Amanda an einem Tisch. Mason und Louis haben mich 35 mal gefragt, ob es okay ist wenn sie sich wo anders hinsetzen. Und ich habe es 35 mal bejaht. Dann sind sie doch tatsächlich zum Tisch der Badboys Clique gegangen. Naja egal, es ist ihre Sache. Während Amanda und ich reden, merke ich, dass die zwei mich keine Sekunde aus den Augen lassen. Nach einiger Zeit kommt auf einmal ein Typ zu uns. Amanda flüstert mir noch schnell zu:"Das ist Harry. Auch von den Badboys!" War ja klar.

"Hey! Dich hab ich ja noch nie gesehen! Gehst du mit mir zum Ball meine Schöne?", dabei sieht er mir in die Augen, er hatte schöne blaue Augen. Ich bringe keinen Ton raus. Deshalb schüttel ich nur den Kopf und rutsche einfach weiter weg von ihm. Doch er nutzt die Chance und setzt sich neben mich. Weil es mir unangenehm ist, rutsche ich weiter weg von ihm auf der Bank. Er rutscht mir wieder hinterher. Langsam merke ich, wie die Panik wieder in mir aufsteigt, aber ich versuche mich zu beruhigen. Es ist mein erster Schultag an der Schule, eine Panikattacke ist schon mehr als genug!

In dem Moment kommt der eine Junge aus der Pause gemeinsam mit Louis. "Ej! Lass sie in Ruhe, du siehst doch, dass es ihr unangenehm ist!", ruft der Junge, ich weiß nicht mehr ob es Nate oder Tyler war. Harry ignoriert ihn und rutscht näher zu mir. Ich merke wie die Panik in mir größer wird. Louis merkt es auch und legt beruhigend seine Hände auf meine Schultern. Da Harry immer noch keine Anstalten macht aufzustehen, zieht Nate, oder doch Tyler, ihn weg. Warum tut er das? Doch dann fangen die zwei an sich zu prügeln. Ich erinnere mich, wie mein "Vater" uns immer geschlagen hatte und schreie:"NEIN!" Erschrocken lassen einige Schüler ihr Besteck fallen und auch Harry und der Andere springen auseinander. Louis setzt sich schnell neben mich und hält mich in seinen Armen. "Alles ist gut! Ich passe auf dich auf! Dir tut keiner mehr etwas! Pscht!"

Dann klingelt es auch schon zum Ende der Pause. Was ein toller erster Schultag. Jetzt weiß wohl jeder, dass ich neu bin und alle denken wahrscheinlich ich wäre verrückt. Während Amanda und ich zu unserem Klassenzimmer laufen, kommt Harry wieder. "Halt dich bloß fern von ihr!", faucht Amanda ihn sofort an. Den Moment, in dem er sie geschockt ansieht, nutzt sie und zieht mich mit sich. Die nächste und damit letzte Stunde vergeht recht schnell. Doch als ich im Anschluss zum Auto von Louis laufe, sehe ich, dass fast die ganze Badboys Clique darum versammelt ist.

Ich sehe Louis und Mason fragend an. "Wenn es für dich in Ordnung ist, kommen die Jungs mit zu uns. Aber wirklich nur, wenn du nichts dagegen hast", flüstert Louis mir zu. Ich zucke mit den Schultern: "Solange sie aus meinem Zimmer raus bleiben,ist es für mich in Ordnung." Damit setze ich mich nach vorne ins Auto und warte darauf, dass auch Mason und Louis drin sitzen.
"Ihr müsst mir dann gleich noch sagen, wer wer ist!", sage ich zu den zwei, auf dem Weg nach Hause. "Na klar!", antwortet Mason von hinten.

Zu Hause angekommen mache ich schnell ein paar Pizzen fertig. Als ich sie auf den Tisch im Wohnzimmer stelle, steht Louis auf. "Also das sind Daniel, Chris, Blake, Nate und Tyler. Dazu gehört auch noch Harry, aber den haben wir nicht eingeladen."

Tyler war es also, der mir in der Cafeteria geholfen hatte. In unserem Wohnzimmer steht ein Sofa mit drei Plätzen und zwei Sessel. Louis und Tyler sitzen auf den Sesseln, der Rest sitzt auf dem Sofa oder auf dem Boden. Ich überlege kurz, setze mich dann aber wie sonst auch, wenn kein Platz war, zu Louis auf den Schoss. Keiner nimmt sich ein Stück Pizza, sie gucken alle mich an. "Ihr könnt die Pizza auch essen,  die ist nicht nur zur Dekoration da!", sage ich verwirrt. Sofort greifen sie alle zu. Okay, ich hätte nicht gedacht, dass sie so gut erzogen sind, dass sie warten bis einer los sagt. Aber gut!

Als alles aufgegessen ist, nehme ich die leeren Teller und bringe sie in die Küche. Hinter mir höre ich plötzlich Tylers Stimme: "Hey! Ist wieder alles okay bei dir?" Ich nicke nur. "Was war denn eigentlich los?", fragte er weiter. "Ich möchte nicht darüber sprechen! Bitte lass mich allein, sonst rufe ich Louis", sage ich zitternd. Das ist mein üblicher Schutzmechanismus, wenn ich mit einem Jungen alleine auf engerem Raum bin, bekomme ich Angst und drohe mit einem meiner Brüder. "Alles gut! Ich finde es in Ordnung, wenn du nicht reden möchtest. Aber ich möchte, dass du weißt: ich tue dir nichts! Und deinen Bruder brauchst du nicht rufen. Ich hole ihn!" Damit verschwindet er wieder und ich bleibe alleine zurück.

A New Start *wird überarbeitet*Where stories live. Discover now