»59. Kapitel

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Mein Herz begann wie verrückt zu schlagen, als Liam sich erhob und mir elegant eine Hand hinhielt. Ohne mir die Glücksgefühle, die wie Luftballons in mir herum schwebten und Unmengen von Hormonen ausschütteten, anmerken zu lassen, nahm ich sie an und ließ mich von ihm hochziehen. Die Band auf der kleinen Bühne war noch inmitten eines eher rockigen Songs, doch ich achtete nicht auf die Musik. Stattdessen betrachtete ich verträumt Liam, der mich hinter sich her in die Menge zog und in der Mitte stehenblieb. Mit einer galanten Bewegung drehte er sich zu mir um und hob seinen Arm, sodass ich mich einmal um mich selbst drehte, bevor er eine Hand auf meine Hüfte legte und seine andere mit meiner verschloss. Mit hochroten Wangen ließ ich meine freie Hand auf seine Schulter sinken und atmete einmal tief durch. Die durchdringenden Blicke der anderen störten mich keineswegs. Es war mir egal was sie von uns dachten, denn für mich zählte nichts anderes als mit Liam zu tanzen.

Der Song neigte sich dem Ende zu, als Liam anfing, uns langsam zu drehen. Weder passte das Lied zu unseren Bewegungen, noch passten wir zum Rhythmus. Dadurch, dass es sehr laut in der Halle war, da sich alle unterhielten, lautstark lachten oder sich weinend in den Armen lagen, weil es ihr letzter Ball auf dieser Schule sein würde, musste ich mich leicht nach oben recken, sodass ich Liams Ohr erreichen konnte. Dieser erkannte mein Vorhaben glücklicherweise rechtzeitig und kam mir entgegen. Ich verlagerte meine Arme um seinen Hals - woraufhin er seine Hände auf meiner Hüfte platzierte - bevor ich ihm leise etwas zuflüsterte.

„Wieso tust du das alles?"

Liam zog bei meiner Frage die Augenbrauen zusammen und musterte mich mit einem schiefen Blick. Ich hatte bereits geahnt, dass er so reagieren würde. Einerseits verstand ich es, andererseits konnte ich einfach nicht begreifen, weshalb das alles so plötzlich gekommen war. Die Einladung, das Essen, der Ball – im Vergleich zu seinem früheren Verhalten mir gegenüber eröffnete er sich mir nun wie ein Buch voller Fragen. Die einzige Vermutung, die ich hegte, war, dass es etwas mit seinen trübseligen Antworten über unsere gemeinsame Zeit zutun haben musste.

„Ich weiß nicht, was du damit meinst."

Um ein Haar hätte ich Liam einfach überhört. Schnell legte ich die Stirn in Falten und strich mit einer Hand leicht über seine Nackenhaare. Sein Blick entgegnete mir nachdenklich.

„Du weißt, was ich meine."

murmelte ich stumpf und ließ den Blick kurz über die Menge schweifen. Die Band hatte sich inzwischen uns angepasst und hatte einen eher ruhigeren Song angestimmt, der auch mit unserem Tempo perfekt zu übereinstimmen schien.

„Die Einladung, das Essen und alles. Was für ein Grund steckt dahinter?"

Interessiert wölbte ich die Augenbrauen und betrachtete ihn. Es kam mir vor, als würde ich nie genug von seinem Anblick bekommen. Seine braunen Augen und die kleinen Falten darunter, wenn er lachte. Seine Stimme. Sein Lächeln. Seine Art, mit der er mich Tag für Tag dazu getrieben hatte, nur an ihn zu denken. Ich war an einem Punkt angelangt, an dem ich mir nicht mehr einreden konnte, dass ich nicht in ihn verliebt war. Je länger Liam nach einer Antwort suchte und je länger ich über meine Gefühle - und das Wissen, dass ich alles zerstören würde, wenn ich es ihm noch einmal beichten würde - nachdachte, desto schwerer wurde mein Herz. Gefühle für jemanden zu unterdrücken war eines der kompliziertesten Sachen, die jemanden passieren konnte und ich bezweifelte, dass ich alleine damit war. Meine Aufmerksamkeit legte sich wieder auf Liam, als dieser seinen Mund öffnete. Wahrscheinlich war mir die Zeit zwischen meiner Frage und seiner Antwort nur so lange vorgekommen, weil ich in Gedanken vertieft gewesen war. Gespannt spitzte ich die Ohren.

„Zeit ist etwas Kostbares und etwas, dass man nicht wieder aufholen kann."

sagte er mit einem ruhigen Ton und entgegnete meinen Blick nachdenklich. Ich merkte, dass er noch nicht fertig gesprochen hatte, weswegen ich weiterhin schwieg und ihn einfach nur ansah. Die Paare, die um uns herum tanzten, verschwanden hinter einem Schleier, der sie von uns trennte. In meinem Sichtfeld war nur noch Liam zu sehen. Was mit den anderen war, realisierte ich nicht mehr.

Rock meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt