unmoralisch ✓

By ziallhorlikstalker

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Zehn Jahre waren Zach und John ein Paar als John Zach unter dem Druck seines Vaters eröffnet, dass er bald he... More

Prolog
1. aller Anfang ist schwer
2. die Eintönigkeit von Besprechungen
3. Paulus Zachary Johnson
4. verbotene Gedanken
6. ewige Freundschaften
7. das Einstellungsgespräch
8. Freds Frittenbude
9. groteske Begebenheiten
10. weinselige Zecher
11. das Geburtstagsgeschenk
12. Scham, Wut, Wertlosigkeit
13. schmerzhafte Notfallsitzung
14. Geschäftsgespräche der anderen Art
15. Wie man sich Anerkennung verdient
16. ein ungebetener Gast
17. Fazit, er war meins
18. nicht die Definition von 'ein schöner Abend'
19. Dinner for One und Nur ein Schwein trinkt allein
20. Beweg deinen Arsch hierher!
21. eine Ära geht zu Ende
22. wo die Familie wartet
23. zu schön um wahr zu sein
24. Abendsegen, Morgensegen
25. Auf ein langes Leben
Epilog
Zusatz: Arschl*ch Freund
Zusatz: Haha das ist nur ein Scherz

5. Dialog bei Eis

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By ziallhorlikstalker

f ü n f

Nach zwei Gläsern Whisky konnte ich Charles endlich so weit aus meinen Gedanken verbannen, dass ich mich zumindest ein wenig auf meine Arbeit konzentrieren konnte. Francis hatte mich über Nacht wieder mit zahlreichen E-Mails randvoll gefühlt mit Aufgaben zugeballert und ich konnte nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen als mein Computer heute morgen beim einschalten gar nicht mehr aufgehört hatte mich über neue E-Mails zu informieren.

Meine Bürotür stand leicht offen und ich konnte die Leute hören, die vor meinem Büro vorbeiwuselten. Sie beruhigten mich. Zeigten mir, dass ich nicht alleine war, denn alleine wollte ich im Moment ganz sicher nicht sein.

Angespannt wartete ich auf vierzehn Uhr. Insgeheim freute ich mich schon sehr auf ein Eis mit Paul. Ich würde endlich wieder etwas raus kommen und vor allem weit weg von Charles.

"Kann ich noch etwas tun?" Thomes linste durch die halb offene Tür in mein Büro und lächelte mich nett an. "Nein, danke Thomes. Es ist Zeit für deine Mittagspause." Artig nickte der junge Mann und verschwand daraufhin wieder aus meinem Sichtfeld.

Nur eine halbe Sekunde später wurde die Tür weit aufgerissen und ein daumengroßer Mann lief herein.

"Zachary. Los. Eis essen." Paul hatte in Windeseile den Weg zwischen Tür und Schreibtisch zurückgelegt und war ohne mein Zutun auf meinen Schoss geklettert. "Hallo Paul.", begrüßte ich ihn mit einem ehrlichen Lächeln.

Mit großen Augen begutachtete er meinen Schreibtisch bis er anscheinend fand wonach er gesucht hatte. "Boa. Du hat mein Auto ja noch." Seine Augen wurde tellergroß und mit vor Freude zitternden Finger zeigte er auf das kleine rote Spielzeugauto, das unter meinem Monitor stand. "Selbstverständlich. Ein Geschenk von dir schmeiße ich doch nicht einfach weg.", erklärte ich dem Vierjährigen und glücklich schmiss er sich in meine Arme.

Im selben Moment betrat Caroline mein Büro. "Hallo."
Ich erwiderte ihre Begrüßung und lächelte sie ebenfalls, wenn auch etwas zurückhaltender, an.

"Mama, Zachary hat mein Spielzeugauto, das ich ihm geschenkt habe, behalten. Es steht da." Aufgeregt zeigt er wieder auf das rote Auto. Ohne jedoch auf eine Antwort seiner Mutter zu warten, sprang er gekonnt wieder von meinem Schoss, griff meine Hand und zog mich in die Senkrechte. "Los. Eis essen.", rief er begeistert und begann vor mir herzu stapfen.

"Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich Sie begleite? Eigentlich wollte ich mit Francis etwas essen gehen, aber ihm ist etwas dazwischen gekommen." Vorsichtig sah Caroline mich an. "Wenn nein, dann ist das natürlich auch kein Problem. Ich kann einfach hier warten."

Ich schüttelte den Kopf. "Sie können uns gerne begleiten." Wie gesagt, eigentlich war Caroline eine super liebe Frau und mein Unmut ihr gegenüber war weniger ihr als der Tatsache, dass John sie geheiratet hat, geschuldet.
Außerdem erfüllte es mich mit Stolz, dass sie mir ihren Sohn ohne weiteres einfach anvertrauen würde.

Ein zierliches Lächeln erschien auf ihren roten Lippen.
Paul zog ungeduldig an meinem Arm und ihm zu liebe setzten wir uns in Bewegung.

Es dauerte nicht lange bis wir die wenigen Straßen bis zum Central Park zurückgelegt hatten. "Schau Paul. An dem Eisstand gibt es meiner Meinung nach das beste Eis in ganz New York City." Mit großen Kulleraugen sah der Vierjährige zu mir auf, ehe ich ihm zunickte und ihm damit erlaubte sofort auf den Stand zu zu laufen.
"Guten Tag.", begrüßten wir den Verkäufer und Paul teilte ihm höflich mit welche Sorten er in seiner Waffel haben wollte. Auch Caroline und ich kauften uns ein Eis, blieben dabei jedoch im Gegensatz zu Paul bei einer Kugel.
Langsam spazierten wir durch den Park und aßen unser Eis. Wobei Paul seines eher inhalierte als es zu essen.

Nach kurzer Zeit hatten wir einen kleinen Spielplatz erreicht und voller Freude war der kleine Mann, nachdem er die Zustimmung seiner Mutter bekommen hatte, darauf zugerast.

Caroline und ich, beide noch immer mit einem Eis in der Hand, setzte uns auf eine der freien Bänke und beobachteten schweigend unser Eis essend den kleinen Paul beim spielen.

"Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie sich so um Ihn kümmern. Das würde nicht jeder machen." Ein dankbares Lächeln erschien auf Carolines Lippen.

"Selbstverständlich.", antwortete ich einsilbig. Eigentlich war ich nicht sonderlich gewillt ein Gespräch mit ihr zu führen.

"Ich finde es nicht selbstverständlich." Sie zögerte kurz. "Ich weiß, dass er John extrem ähnlich sieht und an Ihren Reaktionen kann man sehen, wie schwer es Ihnen oft fällt, aber dennoch sind Sie so lieb zu ihm, dass mein Mutterherz Sprünge macht."
Skeptisch sah ich sie kurz an. Was wollte sie mit diesem Gespräch bezwecken?

"Paul mag Sie wirklich sehr.", fügte sie dann noch an. "Ich mag ihn auch sehr."

"Wann–", kurz zögerte ich, ob ich überhaupt nachfragen wollte, "Wann ist es so weit?" Ohne genauer darauf einzugehen, wusste Caroline wovon ich sprach und fuhr sich liebevoll über den dicken Bauch. Mit meinen Augen folgte ich den Bewegungen ihrer Hand. "Noch drei Wochen bis zum errechneten Geburtstermin." Ihr war mein Blick anscheinend aufgefallen, denn lächelnd wand sie sich wieder zu mir. "Möchten Sie ihn mal berühren? Es macht mir nichts."

Wollte ich ihren Babybauch berühren? Wollte ich Johns ungeborenes Kind spüren? Noch nie hatte ich einen Babybauch in einem so fortgeschrittenen Stadium berührt. Eigentlich hatte ich genau einmal einen Bauch berührt und das war der von Tina im vierten Monat. Der war jedoch nicht einmal ansatzweise mit Carolines Kugel zu vergleichen. Zögerlich nickte ich.

Meine Hand zitterte leicht als ich sie auf den glatten Stoff über ihrem Bauch legte. Es fühlte sich an wie ein prall gefüllter Bauch und wüsste ich nicht, dass sich darin ein Baby befindet, könnte ich auch sagen, dass es sich wie ein normaler Bauch anfühlte.

Vorsicht begann ich darüber zu streichen. Plötzlich spürte ich einen kleinen aber bestimmten Druck an meine Handinnenfläche. Überrascht sah ich zu Caroline auf. "Oh", lachte sie, "es hat getreten. Haben Sie es gespürt?" Wie hypnotisiert starrte ich auf ihren Babybauch und nickte andächtig.

"Wissen Sie das Geschlecht schon?", fragte ich neugierig nach und konnte es mir nicht nehmen weiterhin über das gutbehütete Baby zu streichen. "Nein, ich wollte mich überraschen lassen."

"Haben Sie sich schon für einen Namen entschieden?", fragte ich ungeniert weiter. Zu sehr war ich fasziniert davon, dass Caroline bald einen kleinen neuen Menschen auf die Welt bringen würde.

"Wenn es ein Junge wird Nicklas und wenn es ein Mädchen wird–" "Emerenz.", unterbrach ich sie unhöflich und zog meine Hand wieder von ihrem Bauch als hätte ich mich verbrannt.
Wie zuvor nahm ich meine ablehnende Haltung ihr gegenüber wieder ein und beobachtete mit harten Blick Paul, der gerade die Kletterburg nach oben kletterte.

"Ja. Woher wissen Sie das?", fragte sie überrascht. Um die Wut und Enttäuschung zu unterdrücken biss ich meine Zähne fest aufeinander. Mein Kiefer spannte sich unangenehm an und ich wusste, wenn ich ihr jetzt antworten würde, würde es keinesfalls freundlich von statten gehen.

"John hat die Namen gleich zu Beginn der Schwangerschaft ausgesucht.", erklärte sie mir noch immer verwirrt.

"Nein hat er nicht. Genauso wenig wie Paulus." Meine Stimme war leise und an Carolines Reaktion, die ich im Augenwinkel erkennen konnte, wohl furchteinflößend, denn die zierliche Damen setzte sich etwas aufrechter hin, zuckte jedoch auch etwas zurück und beobachtete mich angespannt.
Sie wollte etwas sagen oder vielmehr fragen. Doch schloss ihren Mund ohne einem Ton wieder.

"Das waren die Namen, die wir uns für unsere Kinder ausgesucht hatten."
Meine Stimme hatte an Härte verloren und ich konnte meine abwehrende Haltung gegenüber Caroline nicht mehr aufrecht erhalten. Ausgelaugt lehnte ich mich gegen die Rückenlehne der Bank und legte meine Hände vors Gesicht. "Bevor du in sein Leben getreten bist.", fügte ich leise hinzu und wünschte mich auf der Stelle woanders hin.

Es verletzte mich auf eine grobe Art und Weise, dass John nicht nur seinen Erstgeborenen nach unseren Plänen benannt hatte, sondern auch vorgehabt hatte, seine restlichen Kinder danach zu taufen.
Ich konnte ihn verstehen. Ich wusste, wie sehr ihm die Namen gefielen, aber es verletzte mich so sehr, dass ich einfach nur noch weinen wollte.

"Das... das wusste ich nicht. Es tut mir leid." Ihr Blick triefte von Mitgefühl und Mitleid und im Augenwinkel konnte ich sehen, wie sie sich in meine Richtung lehnte. Sie wollte mich doch nicht etwa in den Arm nehmen?

Schnell erhob ich mich und schmiss den leeren Eisbecher weg. "Ich muss wieder zurück.", sagte ich wortkarg und suchte den Spielplatz nach Paul ab um mich von ihm zu verabschieden.

"Bitte, bleib noch etwas." Ihre schmale Hand legte sich auf meine Schulter und ungewollt drehte ich mich zu ihr um. Wortlos sah ich sie an. Ein zärtliches Lächeln lag auf ihren Lippen und wieder mal musste ich feststellen, was für eine hübsche Frau sie doch war.

Zögerlich nickte ich. Ich wollte tatsächlich nicht wieder zurück in die Firma. Die Chance, dass ich dort Charles über den Weg lief war viel zu hoch als das ich es riskieren wollte.

Still setzten wir uns wieder auf die Bank und begannen weiterhin Paul beim spielen zu zu sehen.

"Erzählen Sie etwas über sich, Mister Shepperd. Sie wirken wie ein interessanter Mann."

Argwöhnisch sah ich sie an. "So interessant bin ich nicht.", antwortete ich ausweichend.

"Kommen Sie ursprünglich aus New York? Sie kannten den Eismann." Ich schüttelte den Kopf. "Nein, meine Großeltern waren von hier und ich habe meine Ferien immer bei ihnen verbracht." Verstehend nickte sie. "Sie haben eine Zeitlang in New Jersey gelebt, wenn ich mich nicht täusche." Ich nickte. "Gefällt es Ihnen dort besser oder hier?"

"Eindeutig dort.", lachte ich, "Dort habe ich meine Freunde und Bekannte. Hier in New York habe ich niemanden.", gab ich preis.
Klar, ich konnte Klara und Thomes zu meinen Vertrauten zählen, aber ich bezahlte sie auch für ihre Anwesenheit, deswegen war es doch etwas traurig sie als Bekannte oder gar als Freunde zu betiteln.

"Das ist schade.", murmelte Caroline und fuhr sich gedankenverloren über ihren Bauch, "Ich hoffe, dass Sie weiterhin in Kontakt mit Ihren Freunden stehen." Ich nickte ihr zu und beruhigt lächelte sie mich an.

"Erzählen Sie mir etwas über sich, Caroline."

"Ach, über mich gibt es auch nicht viel zu sagen.", etwas nervös lachte sie und strich sich eine blonde Strähne hinters Ohr. "Ich bin in New York auf die Welt gekommen und hier aufgewachsen. Ich bin nie aus der Stadt hinausgekommen." Überrascht sah ich sie an. "Nie?" "Nein, nie."

Wir unterhielten uns weiterhin angeregt über mehr oder weniger belanglose Themen, das Eis zwischen uns war irgendwie gebrochen, und zum Glück wurde John kein weiters Mal mehr erwähnt.
Irgendwann konnte ich auch über meinen eigenen Schatten springen und hatte ihr das Du angeboten. Mit einem sanften Lächeln hatte sie es angenommen und seit dem verlief das Gespräch noch zwangloser als vorher.

Ich hatte ihr wirklich unrecht getan in dem ich schon beinahe grundlos gegen sie geschossen hatte. Immerhin war sie nicht daran schuld, dass John mich verlassen hat. Die Schuld kann man nur bei ihm und vor allem bei seinem Vater, Francis, suchen.

Ich ärgerte mich selber über meine Dummheit eine so fantastische Frau aus meinem Leben ausgeschlossen zu haben. Hätte ich mich schon etwas früher auf sie eingelassen, immerhin hat sie sich doch immer um mich bemüht, dann hätte ich in ihr wahrscheinlich meine erste Bekanntschaft auf Freundschaftsbasis hier in New York gefunden.

Zwar kannte ich durchaus ein paar Leute hier aus meiner Zeit als ich viel bei meinen Großeltern verbracht hatte und auch noch von damals als ich mit John hier gewohnt hatte. Nach der Trennung und nachdem ich nach New Jersey gezogen war hatte ich diese Kontakte alle etwas schleifen lassen, wobei einige noch versucht hatten, weiterhin mit mir befreundet zu bleiben und sich auch ab und an bei mir gemeldet hatten, aber mit der Zeit hatte ich ausnahmslos alle durch mein fehlendes Engagement vergrault.
Jetzt im Nachhinein tat es mir wirklich leid, aber einfach so wollte ich mich auch nicht bei ihnen melden. So nach dem Motto 'Hey, wir hatten seit fünf Jahren keinen Kontakt mehr, aber hättest du mal Bock auf ein Bier?'. Das würde wahrscheinlich nicht so gut kommen.

"Darf ich dich etwas fragen?" Es war für einige Augenblicke still zwischen uns geworden und gespannt auf ihre Frage sah ich sie nickend an. "Auch etwas persönliches?" Nervös kniff sie die Augen etwas zusammen und etwas irritiert jedoch neugierig nickte ich wieder.

"Gibt es jemanden in deinem Leben? Einen Mann, der dich interessiert?" Überrascht über ihre offene Frage und vor allem überrascht, dass sie das interessierte sah ich sie verdutzt an. Meine Reaktion brachte sie etwas zum kichern.

"Es gibt da tatsächlich jemanden, der mich irgendwie interessieren würde, aber die Sache ist kompliziert und es würde ohnehin nicht funktionieren." Ich zuckte mit den Schultern und wand mich wieder Paul auf dem Spielplatz zu.

"Ach was, Zachary. Natürlich kann es funktionieren. Du darfst bloß nicht gleich den Mut verlieren." Aufmunternd legte sie ihre Hand auf meinen Arm und drückte ihn sanft. "Selbst, wenn es funktionieren würde, wüsste ich nicht, ob ich überhaupt will. Also mit ihm."

"Wieso nicht? Du interessierst dich doch für ihn. Wieso solltest du dann nicht wollen, dass es funktioniert?"

"Ich kann nicht einmal genau sagen, ob er mich interessiert oder nicht.", gab ich zu und offenbarte ihr meine verschobenen Gefühlswelt. "Oder, ob er sich überhaupt für mich interessiert." Kurz zögerte ich. "Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er schwul ist."

"Oh.", entfloh es Caroline. "Dann solltest du es herausfinden und wenn du gleich dabei bist zu erforschen, ob er schwul ist kannst du gleich weiter auf Tuchfühlung gehen und sehen, ob er dich wirklich interessiert." Begeistert sah sie mich an und ihre Augen blitzen aufgeregt.

"Ich weiß nicht so recht."

"Wieso? Was spricht dagegen?

Gott sei Dank, kam in dem Augenblick Paul kurz vorbei und fragte mich, ob ich ihn auf der Schaukel anschubsen konnte, was ich natürlich nicht verneinte. Ich war froh aus dem jetzt doch etwas unangenehmen Gespräch fliehen zu können.

Nachdem ich Paul mehrmals auf der Schaukel angeschubst hatte, wollte er unbedingt rutschen, weshalb ich ihn erst dahin begleitet und ihm dann half am Klettergerüst nach ganz oben klettern zu können, denn alleine traute er es sich nicht.

"Schau mal." Glücklich kreischte das Kind auf und zeigte hinüber zu der Bank auf der seine Mutter saß. Neben ihr hatte Charles Platz genommen und sie unterhielten sich ausgiebig. Als Charles Paul sah der ihm zuwinkte, winkte er lächeln zurück. "Lass uns zu Onkel Charlie gehen.", flötete der Vierjährige und krallte sich in meine Arme als ich ihn vom Klettergerüst hob. Kaum wieder sicheren Boden unter den Füßen rannte er flink auf seinen Onkel zu, der ihn liebevoll begrüßte.

Etwas zögerlich trat ich auch an die Bank heran, wo Charles mich etwas unterkühlt begrüßte. Ich nickte ihm nur zu.

"Können wir am Weg zurück nochmal ein Eis essen?" Mit großen Augen sah Paul zu mir hinauf und zog sachte an meinem Ärmel. "Wenn deine Mutter dir so viel Eis an einem Tag erlaubt." Wild nickte er und griff nach meiner Hand. "Natürlich erlaubt Mama das."
Skeptisch sah ich zu Caroline, die tatsächlich nickte.

"Komm, Onkel Charlie. Zachary hat mir einen super leckeren Eisstand gezeigt. Da gehen wir jetzt auch wieder hin." Er nahm seinen Onkel wie mich an die Hand und führte uns zielsicher durch den Park in Richtung Eismann.

Charles, der kaum einen halben Meter von mir entfernt ging, brachte schon mit seiner bloßen Anwesenheit meine Gedanken durcheinander.
Ich versuchte ihn eisern zu ignorieren, was mir doch ganz gut gelang, denn auch er schien mich zu ignorieren. Interessiert unterhielt er sich mit Paul, der zwischen uns dahin hüpfte.

"Schau, Onkel Charlie, da ist der Eisstand." "Wer zu erst dort ist, darf als erstes aussuchen.", forderte Charles den Vierjährigen auf, welcher sofort unsere Hände los ließ und wild mit den Händen wackelnd los lief. Charles rannte ebenfalls los.
Es gab ein ulkiges Bild, wie der Vierzigjährige neben dem Vierjährigen herlief. Es war offensichtlich, dass Charles seine Geschwindigkeit nicht ausreizte und das Kind nur knapp gewinnen ließ.

Triumphierend von einem Ohr zum anderen grinsend klammerte sich der Kleine wieder an mein Bein als Caroline und ich sie einholten. "Du bist gar nicht mitgerannt.", warf er mir vor und zog empört die Augenbrauen zusammen.
"Gegen euch zwei hätte ich nie eine Chance gehabt, da habe ich es gar nicht erst probiert. Ich hätte mich bloß blamiert.", erklärte ich und Paul nickte zustimmend.
Gut, dass wir einer Meinung waren.

"Entschuldigen Sie?" Überrascht drehte ich mich der Person zu, die mich angesprochen hatte.

Charles war gerade dabei mit Caroline und Paul das Eis zu bestellen und Paul sah gespannt dabei zu wie der Eismann gekonnt mit seinem Eislöffel runde Eiskugeln formte.

"Ja?" Etwas skeptisch musterte ich den Mann vor mir. Irgendwoher kannte ich sein Gesicht, jedoch konnte ich nicht genau nachvollziehen woher.
Er hatte etwa meine Größe, kurzrasierte rötliche Haare und der buschige ebenfalls rötliche Bart verdeckte seine komplette unter Gesichtshälfte. Er trug eine lockere Jeans und ein T-Shirt irgendeiner Rockband.

"Zachary Shepperd? Zach?", fragte er vorsichtig nach falls er doch die falsche Person vor sich hatte. Erstaunt darüber, dass er meinen Name kannte, zog ich eine Augenbraue nach oben. Ein zögerliches Ja kam über meine Lippen.

"Alter, ist das geil dich mal wieder zu sehen. Seit wann bist du wieder in New York. Und was machst du in diesem spießigen Anzug?" Seine Augen begannen fröhlich zu glitzern und seine Lippen waren zu einem breiten Grinsen verzogen. Noch immer unwissend wer vor mir stand und woher er mich kannte, zog ich nun auch die zweite Augenbraue nach oben. "Du erkennst mich nicht mehr." Der Mann brach in schallendes Gelächter aus und hielt sich dabei mit der Hand den Bauch.
Die Belustigung des Fremden lockte Paul an, der stolz seine Eiskugel in der Waffel präsentierte.

"Ich bin's. Caleb. Sag bloß du kennst mich echt nicht mehr."
Überrumpelt riss ich die Augen auf und starrte ihn an. "Caleb.", rief ich erstaunt aus und erwiderte seinen Handschlag. "Man, mit dem Bart habe ich dich gar nicht mehr wiedererkannt. Wo hast du den denn her?", lachte ich und zupfte etwas daran. Fett grinsend schlug er meine Hand weg.

"Tja. Da bist du neidisch, gell?" Begeistert und zugegebenermaßen auch etwas neidisch nickte ich. "Also sag. Seit wann bist du wieder in New York? Warum hast du dich nicht gemeldet? Dann hätte ich dich gleich mit zu den anderen in die Bar gezogen." Ich wusste natürlich was er mit 'die Bar' meinte und ich hatte tatsächlich auch schon aus eigenen Stücken überlegt auf gut Glück dahin zu gehen, aber den Gedanken schlussendlich doch wieder verworfen, da ich es einfach zu seltsam fand nach so vielen Jahren einfach wieder aufzutauchen als wenn nichts gewesen wäre.

"Seit ein paar Monaten. Ich hatte tatsächlich schon überlegt mal wieder am Stammtisch vorbeizuschauen, aber ich war mir nicht sicher, ob es den noch gibt und ob ihr mich überhaupt sehen wollt." Mit einem Anflug von Nervosität zuckte ich mit den Schultern. "Außerdem was hätte ich sagen sollen? Hey, wir hatten seit fünf Jahren keinen Kontakt mehr, aber Bock auf ne Runde Bier?" Caleb begann wieder laut zu lachen. "Ja, solange es auf deinen Nacken gegangen wäre, hätte sich keiner beschwert." Kurz lachten wir zusammen, ehe der sonst so aufgeweckte lustige Caleb mich ernst ansah.

"Ich meine es ernst, Zach. Wir hätten dich jederzeit mit offenen Armen empfangen. Und machen es jetzt immer noch. Das heißt Freitag, wie immer, Stammtisch. Gleicher Ort. Gleiche Uhrzeit."

"Ich werde da sein.", versicherte ich ihm und ich sagte die Wahrheit. Ich würde tatsächlich gerne mal wieder vorbei schauen.
Hoffentlich hatte Caleb recht und auch die Anderen würden mich so begeistert empfangen wie er mich.

"Und das? Ist das dein Sohnemann?", fragte Caleb interessiert, stütze seine Hände aus seine Knie und lehnte sich etwas zu Paul hinunter. "Na, schmeckt dein Eis?" Wild nickte der Vierjährige. "Das ist Paul. Er ist nicht mein Sohn."
Kurz sah Caleb zu mir hinauf, sagte jedoch nichts weiter.

"Dann sehen wir uns Freitag." Es war keine Frage, sondern eine fixe Aussage. "Und lass den Anzug weg. Da machst du dich ja lächerlich." Ich stieg in sein Lachen mit ein. Die Vorfreude auf Freitag schwoll direkt auf das doppelte an.

Wie früher verabschiedete ich mich mit einem Handschlag von Caleb und auch Paul hielt der Rotschopf seine Faust hin, der begeistert einschlug.

"Was war das denn für ein Clown?", fragte Charles als Paul und ich wieder zu ihm und Caroline stießen. "Das, lieber Charles, war ein Freund von mir. Kennst du so etwas? F-R-E-U-N-D wie in Freunde." Prüfend sah ich ihn an.
Gelangweilt zog er eine Augenbraue nach oben. "Ich kenne so etwas und ob du es glaubst oder nicht, ich habe Freunde.", antwortete er in dem selben provozierenden Tonfall wie ich. "Arbeitskollegen zählen nicht.", knurrte ich nur noch und ließ mich von Paul an die Hand nehmen.

Charles murmelte noch etwas unverständliches und ohne weiter auf ihn einzugehen gingen Paul und ich voraus Richtung Firma.

Nach wenigen Minuten unterhielten sich Charles und Caroline leise, während Paul neben mir an meiner Hand auf dem Bordstein balancierte. Es war eine mäßig befahrene Straße, weshalb es nicht sonderlich gefährlich werden hätte können, selbst wenn er das Gleichgewicht verloren hätte. Außerdem hielt ich sowieso fest seine schmale Hand in meiner.

"Paul, verabschiede dich. Wir gehen nicht mehr mit nach oben." Kurz sah Paul zu seiner Mutter, ehe er erst mir und dann Charles in die Arme fiel. Die Verabschiedung verlief relativ kurz und ich musste Paul noch versprechen bald wieder mit ihm Eis essen zu gehen.

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