Die Verlierer - Sklaven des E...

By traumjaegerin

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[TEIL 2] Während Jay alles gibt, um der gefürchtetste Dealer der Stadt zu werden, dafür, dass jeder in Berli... More

1 | Immer noch am Gewinnen
2 | Wie in alten Zeiten
3 | König von Berlin
5 | Warum Herzen unnötig sind
6 | Ihr habt Gift geleckt
7 | Gnadenlos untergehen
8 | Dealer, kein Therapeut
9 | Kopflose Pläne
10 | Von Spitzentangas und Boxershorts
11 | Echte Männer brauchen keinen Trost
12 | Kaffee und Provokation
13 | Paranoia
14 | Fast Geschäftspartner
15 | Keine Moral
16 | Nur ein bisschen cool
17 | Pornos und Probleme
18 | Nicht in Hollywood
19 | Taten und Träume
20 | Ein Whirpool voller Nutten
21 | Nur Freundschaft
22 | Leggings, Tanga und Arschdellen
23 | Nur noch Dreck
24 | Gehirnmatsch
25 | Vaginas sind keine Controller
26 | Ertrunken in Wut
27 | Ausbrennen
28 | Aufgeschmissen
29 | Nehmen, was man will
30 | Wer vertraut, wird gefickt
31 | Worauf wichst du?
32 | Blut, Schweiß und Wodka Melone
33 | Niemals entschuldigen
34 | Niemals bedanken
35 | Niemals
36 | Die Welt soll bluten
37 | Keine Gefühle
38 | Kein Bock auf Menschen
39 | Zwei Flaschen Sterni
40 | Rücksichtslos
41 | So viel Hass
42 | Nichts als Verlierer
43 | Verliebt in Geld
44 | Lila Scheine
45 | Shopping Queen und Whisky
46 | Niemals daten, nur ficken
47 | Para und Palaver
48 | Marode Männlichkeit
49 | Leicht zu haben
50 | Pinke Wattewelten
51 | Angst vor Schwänzen
52 | Vom Kotti bis zum Xenon
53 | Loslassen
54 | Auf Abruf bereit
55 | Kokainrausch
56 | Okay, gut
57 | Braun, Gelb, Grün
58 | Ich will dir wehtun
59 | Lösch meine Nummer
Ankündigung

4 | Irrelevant

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By traumjaegerin


Fede sah verdammt gut aus. Ehrlich, sollte er mal lassen, das war echt unpraktisch jetzt. Die Haare waren genauso gelockt wie früher, an den Seiten trug er sie jetzt ein bisschen kürzer. Also nicht abrasiert oder so, schon noch ein bisschen länger. Die letzten kindlichen Züge in seinem Gesicht waren verschwunden, ließen es markanter wirken. Dafür war ein dunkler Bartschatten um das Kinn und die Wangen herum aufgetaucht.

Scheiße, ich war hier zum Arbeiten. Nicht dazu, ihn anzustarren.

Und doch konnte ich nicht anders.

»Jay, hey«, lachte er überrascht. Er trug ein schwarzes T-Shirt mit einem verwaschenen Aufdruck des Kino-Logos und verflucht, ich sollte nicht darüber nachdenken, aber irgendwie stand ihm Schwarz echt gut. Es wirkte ungewohnt, die Farbe trug er sonst echt selten. Früher zumindest. Keine Ahnung, ob sich das geändert hatte.

»Was machst du hier?«, fragte er und wischte mit einem Lappen über das Tresen, während sich die Freundesgruppe laut tratschend zu den Kinosälen bewegte. Ihre Stimmen klangen wie aus weiter Ferne zu mir rüber. Wie wenn man unter Wasser war.

»Ich will zu deinem Chef«, presste ich dann hervor. Ich musste mich zusammenreißen. Ich durfte diese Nummer nicht vermasseln, nur weil zufälligerweise so ein Typ aus meiner alten Klasse hier arbeitete.

Mehr war er für mich schließlich nicht.

»Okay.« Auf seiner Stirn tauchte ein nachdenkliches Runzeln auf und er zog noch immer auf dieselbe Art seine Augenbrauen zusammen. Keine Ahnung, worüber er gerade nachdachte. Vielleicht fragte er sich, was ich hier machte oder versuchte mein ablehnendes Verhalten zu deuten.

Verdammt. Das war vollkommen irrelevant. Fede war irrelevant für mein Leben. Ich musste mich jetzt auf das konzentrieren, was auf mich zukam. Das Geld einzutreiben. Darum ging es jetzt. Nicht um Fede.

»Alter, ich bin nicht zum Quatschen hier, sag' mir einfach, wo der ist«, zischte ich und presste die Zähne aufeinander. Ich wollte nicht an Fede denken und schon gar nicht daran, wie heiß er in diesem bescheuerten Shirt aussah. Heiß. Alter. Verficktes Gehirn. Sollte einfach aufhören damit.

Ich wollte so etwas überhaupt nicht denken.

»Bist schon super drauf heute, was?« Er wischte die letzten Popcornkrümel vom Tresen, ehe er den Lappen zusammenknüllte und ihn mit einem schwungvollen Wurf in das Waschbecken hinter der Theke beförderte.

»Und du willst auf die Fresse, oder?« Ich verengte meine Augen und fixierte ihn mit seinem Blick. Der Wichser hatte kein Bisschen an Respektlosigkeit verloren. Es war unglaublich. Dabei sollte er eigentlich wissen, dass ich kein Pisser mehr war, der sich mit seinen Klassenkameraden boxte, sondern dass ich vor nichts mehr zurückschreckte.

»Jay«, grinste er und seine Stimme hatte den mir so gut bekannten, spöttischen Klang angenommen. »Weißt du immer noch nicht, dass deine Drohungen bei mir nicht funktionieren?«

Eigentlich sollte ich ihm aufs Maul hauen. Oder besser noch ihm mein Messer unter die Kehle drücken. Verdammt, ich würde sowas nicht einmal bei einem Typen wie Kiral durchgehen lassen. Nicht bei jemanden, der mich wirklich kaputtmachen konnte. Dann durfte ich diesen Streber das erst recht nicht gefallen lassen.

Und doch tat ich es nicht, sondern sah Federico einfach nur wütend an.

Einen Moment lang hielt er meinem Blickkontakt stand, dann grinste er und deutete in Richtung des Durchgangs, in dem auch die Kinogäste verschwunden waren. »Neben Saal 4 ist eine Tür mit der Aufschrift Privat, da ist sein Büro.«

»Geht doch.«

»Will ja nicht von deinen Blicken erdolcht werden«, sagte er belustigt und machte sich an der Popcornmaschine zu schaffen. »Bis dann.«

Irgendwann würde ich ihm seine Überheblichkeit noch aus dem Gesicht boxen. Dabei wusste ich genau, dass ich von ihm niemals so etwas wie Respekt erwarten konnte und verdammt, eigentlich mochte ich ihn dafür. Dass er nicht war wie diese Wichser, die vor mir kuschten.

Ich nickte ihm zu und verschwand dann entschlossenen Schrittes, ohne ihm noch einen Blick zuzuwerfen, in Richtung des Durchgangs. Langsam beruhigte mich mein Herzschlag wieder, doch die Wut grummelte weiterhin tief in meinem Magen. Wieso ließ ich es zu, dass er so mit mir umsprang?

»Nicht so schnell, zeigen Sie mir bitte Ihre Karte«, hielt mich eine ältere Frau mit hässlichem Kurzhaarschnitt und großen Plastikohrringen auf.

Ich war drauf und dran, ihr aufs Maul zu hauen, an ihr einfach meine Wut über Fede rauszulassen, doch das würde mir nichts bringen. Ich durfte nicht riskieren, dass die noch die Bullen holte und deswegen alles ins Wasser fiel. »Ich hab' was mit deinem Chef zu klären, verstanden?«, sagte ich und machte einen drohenden Schritt auf sie zu.

Sie wich instinktiv zurück und hob abwehrend die Hände, ehe sie tadelnd den Kopf schüttelte. Die orangenen Plastikdinger flogen dabei hin und her. »Dieses Benehmen ...«, seufzte sie und deutete dann den Gang entlang. »Da rüber. Und sonst nirgendwohin, ich behalt' dich im Blick.«

Ich ließ sie stehen und ging weiter, bereit, diese Scheiße endlich hinter mich zu bringen. Scheinbar hatten heute alle Leute einstimmig beschlossen, mir auf den Sack zu gehen, wunderbar.

Zwei weitere Schritte, dann riss ich die schwarz lackierte Tür mit dem schlichten Schild auf. Schnell flog mein Blick durch den Raum. Die Wände mit Schränken vollgestellt, nur ein kleiner Lichtschacht, durch den eine Flucht schwerwerden würde. Ein großer Schreibtisch und Pappkartons mit zusammengerollten Postern darin. Schmutzige Raufasertapeten, ausgetretener Teppichboden.

Der Kinobetreiber war ein richtiger Fettsack, der hinter seinem flackernden PC auf einem Schreibtischsessel saß und irgendeinen Scheiß auf seine Tastatur eingab. So ein frustrierter Typ, der wahrscheinlich gar nicht auf sein Leben klarkam. Vielleicht wollte er die Olle, die meine Karte kontrolliert hatte, ja auch ficken und sie hatte ihn nie an sich rangelassen. Okay, die Vorstellung war echt ekelhaft.

»Was willst du?«, fragte er genervt und zog die Augenbrauen zusammen. Wahrscheinlich waren es Spielschulden, die er bei Kiral hatte, das passte zu Versagern wie ihm.

»Gibt da jemanden, dem du drei Tausender schuldest. Rück raus«, forderte ich und baute mich so vor der Tür auf, dass ich ihm jegliche Fluchtmöglichkeit verhinderte.

»Ach, wie süß, dass Kiral mir einen seiner Köter schickt«, lachte er und ließ sich tiefer in seinen Sessel sinken.

Ich ging nicht darauf ein. »Ich warte«, sagte ich, meine Muskeln waren kampfbereit angespannt.

»Dann viel Spaß dabei.« Der Kinobetreiber lachte auf und lehnte sich tiefer in seinem Sessel zurück. »Sag deinem Schätzchen, dass er sein Geld leider Gottes nicht bekommt.«

Mit ein paar schnellen Schritten durchquerte ich den Raum und packte den Typen mit der einen Hand am Haaransatz an seinem Hinterkopf, mit der anderen am Oberarm. Mit ganzer Kraft schlug ich ihn mit dem Gesicht voran auf die Tischplatte. Ein dumpfes Geräusch war zu hören, an meinen Fingern fühlte ich das Fett seiner Haare. Widerlich.

In der nächsten Sekunde zog ich in einer fließenden Bewegung mein Springmesser. Die Klinge klappte auf, dann drückte ich sie ihm schon mit Druck gegen seinen Hals.

»So, du Hurensohn, ich sag's dir einmal: Entweder du rückst die Kohle raus oder das war's mit dir«, zischte ich an seinem Ohr und drückte noch fester, sodass seine Nase gegen die Platte gepresst wurde und so flach aussah.

Seine Atmung ging schnell, die Angst lag fast spürbar in der Luft.

»Hast du mich verstanden?«, fragte ich nach, als er nicht antwortete. Der Geruch nach Schweiß und einem teuren Parfum stieg mir in die Nase. Als würde das etwas daran ändern, dass dieser Typ hier ein mieser Versager war.

Was, wenn Fede jetzt anklopfen würde, weil er irgendwas von seinem Chef wissen wollte? Wenn er die Situation jetzt mitbekommen würde? Fände er bestimmt total scheiße und würde mir einen Vortrag darüber halten, wie unmoralisch mein Verhalten sei. Wäre total abgefuckt.

Ach, verdammt, ich sollte mir absolut keine Gedanken über solche Dinge machen.

Auf einmal bewegte der Kinobetreiber ruckartig seinen Körper, versuchte sich zu befreien. Brutal donnerte ich seinen Kopf erneut auf den Schreibtisch.

Ein unterdrückter Schrei entwich über seine Lippen. »Ich hab' gar nich' so viel Geld«, keuchte er.

»Wieviel hast du?« Ich verfestigte meinen Griff und genoss es, wie er sein Gesicht schmerzerfüllt verzog. Den Druck meines Messers auf seinen Hals lockerte ich nicht.

»Kannst du nich' Kiral sagen, dass es mir leidtut? Ehrenwort, ich tu wirklich alles, um die Kohle ranzuschaffen, zwei, drei Tage und ich hab' das!« Seine Stimmung überschlug sich beinahe vor Verzweiflung und seine Augenlider begannen nervös zu flackern.

Aber verfluchte Scheiße, das brachte mir jetzt auch nichts. Seine Angst war nichts mit dem ich bei Kiral aufkreuzen konnte. Ich brauchte das Geld oder zumindest etwas mit vergleichbarem Wert.

»Nein«, sagte ich mit Härte in der Stimme. Ich wollte ihn wie ein kleines Kind flennen sehen, wollte, dass seine Verzweiflung weiter nach draußen brach.

»Okay, okay, wir können das regeln, wir kriegen das hin, ja?« Er sprach schnell und seine Stimme zitterte, die Worte verließen nur gepresst seinen Rachen. »Aber dann musst du mich loslassen.«

»Eine falsche Bewegung und ich stech' dich ab«, zischte ich und drückte noch einmal fest gegen seinen Hals, ehe ich das Messer zurückzog. Vorbereitet auf jeden möglichen Angriff von ihm, behielt ich es in meiner Hand. Meinen Blick löste ich nicht von ihm, während er sich langsam wiederaufrichtete und eine Schublade des Schreibtisches aufzog. Das Teil war aus billigem Holz und sah so aus, als würde es direkt zusammenbrechen, darauf herrschte jedoch Ordnung.

Er kramte einen Schlüsselbund hervor und schloss damit eine andere Schublade auf, aus der er einen zerdrückten Briefumschlag hervorbeförderte.

»Meine Fresse, mach mal. Denkst du, ich hab' ewig Zeit?«, fuhr ich ihn mit scharfer Stimme an.

Erschrocken zuckte der Kinobetreiber zusammen und begann damit, mit speckigen, zittrigen Fingern den Umschlag aufzufummeln. Die Luft in dem kleinen Büro war stickig, dass ich jetzt schon Kopfschmerzen bekam. Keine Ahnung, wie der das so lange hier aushielt.

Aber gut. Vielleicht lag's auch an meinem Kater.

»Also hier hab' ich ...« Er nahm die einzelnen Scheine raus und warf sie vor mir auf den Tisch. Zählte sie durch. »Achthundert. Tausend.«

»Willst du mich verdammt nochmal verarschen?«, zischte ich und griff nach dem Geld. Ich faltete es mit einer schnellen Bewegung zusammen und schob es in die Hosentasche. »Die Summe ist lächerlich.«

»Weißt du, mit Kiral ... eigentlich, ehrlich, du musst mir glauben, ich kann dafür gar nichts. Er hat mich immer gezwungen, noch mehr Geld zu-«, jammerte er los und machte dabei wirklich einen jämmerlichen Eindruck.

»Alter, deine Probleme jucken mich 'n Dreck. Geh deinen Therapeuten volllabern«, unterbrach ich ihn und sah auf die breite, goldene Armbanduhr, die er trug. Die Dinger waren für mich einer der Faktoren, weshalb ich Menschen nicht ernstnehmen konnte. »Was' mit dieser Uhr? Gib mal.«

Zögernd zog er die Uhr aus und hielt sie mir dann hin. Achtlos nahm ich sie entgegen und stopfte sie in meine Jackentasche.

»Vorne in der Kinokasse ist noch ein bisschen was. Aber das brauch' ich eigentlich heute, sonst hab' ich kein Wechselgeld mehr, verstehst du? Und-«

Ich holte aus und schlug ihm mit voller Kraft meine Faust ins Gesicht. Mein Schlag war fest genug, dass er ein paar Schritte nach hinten stolperte und dann schmerzverzerrt das Gesicht verzog. Er hielt sich die fette Pranke ins Gesicht und ich sah, wie langsam das Blut über seine Finger floss.

»Verdammt«, keuchte er, seine Stimme zitterte.

»Ich bin nicht hier, um dein Gelaber zu hören.« Ich behielt ihn im Blick, während ich die restlichen Schreibtischschubladen aufriss und durchwühlte. Kein Cent war darin zu finden. Genauso wenig in den Schränken, die mit Ordnern vollgestopft waren. Wofür auch immer er den ganzen Papierkram brauchte.

»So, dann gehen wir jetzt zur Kasse«, sagte ich und stieß ihn grob zwei Schritte vorwärts. Er drückte seine blutende Nase gegen den Ärmel seiner ausgewaschenen, roten Sweatjacke, die über seinen dicken Bauch spannte.

Prüfend sah ich ihn an, während ich die Klinge meines Messers einklappte und es wieder in meiner Hosentasche verschwinden ließ. Der war eh nicht mehr zu Widerstand bereit, wahrscheinlich würde er auf jedes Wort von mir gehorchen.

Der Mann, er war vielleicht so um die Vierzig, vielleicht bisschen älter, wischte sich nochmal mit dem Ärmel übers Gesicht und ging dann vor mir her in den Flur. Die Kartentusse war mittlerweile nicht mehr zu sehen.

Im Eingangsbereich stand Fede hinter dem Tresen und putzte die mittlerweile leere Popcornmaschine. Er hob seinen Kopf, als wir auf ihn zusteuerten und zog für einen winzigen Augenblick die Brauen nachdenklich zusammen, als er das Blut im Gesicht seines Chefs bemerkte. Dann sah er mich an, ich erwiderte den Blick und konnte den Ausdruck darin nicht so recht deuten.

»Geh mal in Saal 2 die leeren Flaschen einsammeln«, maulte der Besitzer Fede an. »Dann kannste auch gehen.«

Der hielt in seiner Bewegung inne, den Putzlappen in der Hand. »Hatten wir nicht geklärt, dass ich zwar für Sie arbeite, aber dass das kein Grund ist, mich wie Dreck rumzukommandieren?«

Ich konnte nicht anders, über mein Gesicht huschte ein kurzes Grinsen. Er ließ sich immer noch nichts sagen.

Sein Chef seufzte. »Mach jetzt, Benedetto«, sagte er mit einer unwirschen Handbewegung.

Fede sah ihn ungerührt an und hob seine Augenbrauen ein wenig. »Und Herr di Benedetto, bitte. Wir waren immer noch beim Sie.«

Er klang wie so ein unfassbarer Klugscheißer. Es war schon fast frustrierend, wenn er es einmal nicht schaffte, mich zu überraschen, sondern sämtliche Klischees erfüllte.

»Jetzt los. Hopp.« Der Kinobesitzer macht eine herumscheuchende Handbewegung, während Fede sich alle Zeit der Welt nahm und nach einem leeren Getränkekasten griff. Kurz begegneten sich unsere Blicke und er verdrehte die Augen.

Fast hätte ich gegrinst.

»Kleiner Tipp: Suchen Sie sich mal irgendeinen Ausgleich, dann müssen Sie's nicht mehr an mir rauslassen«, meinte er an seinen Chef gewandt und schob sich dann grob an ihm vorbei.

»Dieser unverschämte Rotzlöffel ...«, schimpfte der, während er mit schleppenden Schritten hinter die Theke ging. Ich folgte ihm. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Fede in Richtung der Kinosäle verschwand.

Grob schubste ich den Chef einen Schritt weiter. »Muss ich deutlicher werden?«, zischte ich und er begann eilig damit, die Kasse zu öffnen. Seine Finger zitterten und es gelang ihm erst beim zweiten Versuch, den passenden Code einzugeben.

Ich behielt ihn im Blick, doch sah mich auch immer wieder flüchtig um, damit mir absolut nichts entgehen würde. »Was'n mit dir eigentlich, haste Familie?«, fragte ich ihn beiläufig.

»Was geht's dich an, he?«, muckte er auf und schmiss mir einen Stapel Zehner und Zwanziger hin. Ich nahm ihn in die Hand und begann eilig durchzuzählen. Verdammt, langsam wurde es anstrengend, auf den Kinobesitzer, meine Umgebung und die Kohle zu achten. Angespannt presste ich die Zähne aufeinander.

»Sag«, presste ich fordernd hervor, in meinem Blick lag eine offene Drohung. Es genügte. Eine kleine Tatsache, die ein siegesgewisses Grinsen über mein Gesicht trieb.

»Ich hab' 'ne Tochter«, murmelte er

»Wie schön.« Spöttisch lachte ich auf. Zweihundertachtzig, zweihundertneunzig. »Wärst bestimmt sehr traurig, wenn der Kleinen was passiert, hm?« Der gehässige Unterton in meiner Stimme war nicht zu überhören.

»Bitte, bitte! Ihr dürft ihr nichts tun, ehrlich nicht«, flehte er und schlug die Kasse mit einer fahrigen Bewegung wieder zu.

Ich stopfte das restliche Geld in meine Hosentasche und antwortete nicht darauf, doch mein schadenfrohes Grinsen sagte genug aus. »Mal sehen«, meinte ich und öffnete den Getränkeschrank, um eine Flasche Cola herauszunehmen. Schwungvoll schlug ich das Teil wieder zu.

»Schönen Abend noch«, sagte ich mit einem Grinsen auf den Lippen und verließ den Laden. Es war ein verficktes Kinderspiel gewesen, mehr nicht. Auch wenn er mir nicht den vollen Betrag geben hatte können, war die Uhr bestimmt einiges wert.

Kiral hatte allen Grund, verdammt zufrieden mit mir zu sein.

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