Teàrlach - Das Legat der Fian...

By BethCillian

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As punishment for his treason Teàrlach is serving his sentence in absolute nothingness with enough time and s... More

Über dieses Buch
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Kapitel 1: Ruhe wohl, Mhór Rioghain
Kapitel 2: Die Klage immerwährender Liebe
Kapitel 3: Das leise Lied der Banshee
Kapitel 4: Der zweischneidige Dolch des Verrats
Kapitel 5: Vom Leben und Sterben der Liebe
Kapitel 6: Schicksal und Schmetterlinge
Kapitel 7: Verrat und Novemberregen
Kapitel 8: Der Garten der Ewigen Finsternis
Kapitel 9: Lebe wohl, geliebter Verräter
Kapitel 10: Teile die Ewigkeit mit mir
Kapitel 11: Das Wispern der Felsen
Kapitel 12: Die Letzte der Fiannah
Kapitel 13: Asarlaírs Richterspruch
Kapitel 14: Ende gut ... Nichts gut
Kapitel 15: Die Rückkehr der Königin
Kapitel 16: Ein Thron, errichtet auf Schädeln und Knochen
Kapitel 18: All' die Lichter - All' die grässlichen Fiannah
Kapitel 19: Simbelmyne und eine zweite Chance
Kapitel 20: Nachhall der Vergangenheit
Kapitel 21: Die Rückkehr des machtlosen Königs

Kapitel 17: Sohn dreier Väter

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By BethCillian

17

 

Sohn dreier Väter

»Ich hätte ihr niemals diese Freiheiten gestatten dürfen.« Durchs Nathairs Augen sah Teàrlach die menschenleeren Gänge des Hotels, die Nathair mit schnellen Schritten durchmaß. Lughaidh hatte Mühe ihm zu folgen oder zog es vor, nicht in die Schusslinie seines Herrn zu geraten. Kaum waren sie von ihrer Reise zurückgekehrt, musste Nathair feststellen, dass Morrighan unauffindbar war.

»Ich wette, dass der Incubus etwas damit zu tun hat. Er wurde kreidebleich, als er unseren Weg in der Halle kreuzte.«

»Wenn ich mich recht erinnere, hatte sein Gesicht bereits jegliche Farbe verloren, ehe wir durch die Tür getreten sind.«

Teàrlach stimmte Lughaidhs Beobachtung zu, der Incubus sah nicht aus wie jemand, der sich ertappt fühlte, er war auf der Flucht und zwar nicht vor Nathair. Andernfalls hätte er sich nicht so nah an ihn herangetraut, um sich an ihm vorbei zu drängen und das Hotel zu verlassen.

»Welchen Vorteil brächte es ihm, der Sceathrach zu helfen?«, sprach Lughaidh eine unermüdlich kolportierte Vermutung über die Prioritäten der Incubi als Spezies an.

Die ständige Wiederholung machte aus einer Lüge keine Wahrheit, das wusste niemand besser als Teàrlach, schließlich hatte Cailleach ihn nur oft genug mit ihren Einflüsterungen füttern müssen, bis er geglaubt hatte, aus ihr würde eine Wahrheit sprechen, der er sich aus Liebe zu Rioghain verweigert hatte. Teàrlachs Magen krampfte sich beim Gedanken an die Schwarze Hexe zusammen, vielleicht war es auch Nathairs Magen, der eine böse Ahnung bezüglich Morrighans Verbleib hegte. Ehe bei seiner Ankunft neue Probleme auf ihn eingestürmt waren, hatte Nathair die Sorge umgetrieben, was Cailleach davon hatte, so schnell auf seine Bitte einzugehen, das durch Quinns Intervention komplizierter gewordene Entsetzungs- und Erweckungsritual durchzuführen. Sie hatte ihre Bereitschaft damit begründet, ihm einen Gefallen zu schulden und dass es sie danach drängte, endlich quitt mit ihm zu sein. Er hatte ihr kein Wort geglaubt, da Nathair jedoch die Alternativen ausgegangen waren, hatte er seine Bedenken und die seines Ratgebers Lughaidh in den Wind geschlagen und die Hand ergriffen, die ihm Cailleach anbot. Teàrlach hatte geflucht, weil er in dieser Sache nicht zu Nathair durchgedrungen war und auch Nate hatte Worte von sich gegeben, für die ihm der Mund mit Seife ausgewaschen gehörte, wenn der Junge ihm nicht aus dem Herzen gesprochen hätte.

»Hättest du ihn getötet, wie es mein Wunsch war, müssten wir uns diese Frage nicht stellen.«

»Bisher hat die Sonne diese Aufgabe bei jedem Rugadh erledigt und wir haben keine Beweise, dass es bei Quinn anderes gelaufen ist. Wir werden nur ein Häufchen Asche vorfinden und die Sceathrach treibt sich irgendwo innerhalb des Schlosses herum. Unsere Männer hätten sie daran gehindert, das Hotel zu verlassen.«

»Sie hätten sie daran hindern sollen, das Zimmer zu verlassen.«

»Die Sceathrach ...«

»Lass das!« Auch Teàrlach spürte, wie Lughaidh versuchte, Nathair durch mehr als Worte zu besänftigen. Aber das war es nicht allein, Nathair störte sich an dessen ständiger Erinnerung, mit wem er letztlich eine Verbindung eingehen würde – der Sceathrach und nicht Morrighan – wie ihm Cailleach unmissverständlich zu verstehen gegeben hatte.

Teàrlach sollte stolz auf diesen Erfolg sein, aber ihm kamen langsam Zweifel, ob es klug gewesen war, seine Gefühle für Rioghain Nathair aufzudrängen. Fühlte er sich zu mehr als ihrer Macht hingezogen, würde er alles ihm Mögliche und wohl auch Unmögliche unternehmen, dass Morrighan die Seine wurde – sollte er das durch Quinns Tod nicht bereits erreicht haben.

»Sie wird daran zerbrechen«, murmelte Teàrlach, wollte sich nicht vorstellen, dass Morrighan diejenige war, die Quinns Überreste vor Nathair und Lughaidh entdeckt hatte.

»Rioghain weiß das zu verhindern.« Nates Stimme war kraftlos und sein kleiner Körper schwankte besorgniserregend.

»Warum schläfst du nicht?« Teàrlach hob den Knaben hoch, stellte mit Sorge fest, wie wenig er in seinen Armen wog. Ein weiterer Grund, weshalb er die eingeschlagene Richtung verfluchte – blieb doch sein wachsender Einfluss auf Nathair nicht folgenlos für Nate. Es sollte anders sein, Nate sollte stärker werden, mehr Raum in Nathair einnehmen. Teàrlach hatte sogar die stille Hoffnung gehegt, dass er älter werden würde, wuchs, eines Tages den ihm angestammten Körper ausfüllte ... aber der Junge verging mit jeder Stunde, da Nathair sich in Kleinigkeiten weniger grausam zeigte.

»Ich bin nicht müde«, behauptete Nate, schaffte jedoch nicht einmal, seine Arme um Teàrlachs Hals zu legen, um sich festzuhalten. Bestünde doch nur die Möglichkeit, den Jungen zu nähren, aber seine dämonische Natur nutzte Nate nichts, wenn ihm nur Teàrlach als Nahrungsquelle zur Verfügung stand. Das war eine schmerzhafte Lektion, die sie beide hatten lernen müssen – der höhnische Fingerzeig einer Klaue, dass sie beide nicht real waren. Dieselbe Klaue würde Teàrlach das nicht reale Herz aus der Brust reißen, sobald Nates Nicht-Existenz endete. Es konnte nicht schlimmer sein, wäre der Junge tatsächlich sein Sohn und nicht nur in der grotesken Wunschvorstellung, die er seit dem Zeitpunkt hegte, da er Zeuge geworden war, wie Rioghain Nate in den Arm schloss als wäre sie seine Mutter ... als wären sie eine Familie.

»Auch Krieger müssen hin und wieder schlafen.« Teàrlach blickte über die Schulter, während er Nate zu dem kleinen Lager trug, das er aus allem im modern kühl eingerichteten Thronsaal Auffindbaren improvisiert hatte. Genügte das nicht, würde er sich zu dem Jungen legen, ihn in die Arme schließen, damit er von seiner Körperwärme profitierte. Es wäre nicht das erste Mal und obwohl er riskierte, die Kontrolle über Nathair zu verlieren, wenn er sich um Nate kümmerte, würde es auch nicht das letzte Mal sein.

»Du musst ...« Nate spürte ebenfalls, wie Nathair Teàrlachs Einfluss entglitt.

»Nichts muss ich.« Nur bei einem sterbenden Kind ausharren, ihm ein wenig Zeit schenken, indem er Nathair von der Leine ließ. Die Entscheidung wurde ihm dadurch leicht gemacht, dass Quinn wohlauf war, wie er sich durch Nathairs Augen überzeugt hatte. Zwar galt dasselbe nicht uneingeschränkt für Morrighan, aber sie war zu wertvoll, als dass Nathair seine Wut über ihr Fehlverhalten an ihr ausließ. Dass er das nicht bei Quinn nachholte, dafür hatte dessen Sprung aus dem Fenster Sorge getragen.

»Rioghain wird für Morrighans und Quinns Sicherheit die Verantwortung übernehmen.« Er deckte den Jungen zu und streckte sich neben ihm aus. Sie waren nach wie vor zu dritt in ihrer kleinen Widerstandsgruppe und im Augenblick war es seine Aufgabe, Nate etwas mehr Zeit zu verschaffen.

»Aber ...«, protestierte der Junge.

»Habe ich dir schon von Aed Étain erzählt, dem Flammenschwert der Fiannah?« Er zog den Jungen an sich und drückte seinen Kopf sanft auf seine Brust, damit er nicht sah, wie Morrighan den Kampf gegen die Bewusstlosigkeit verlor. Es würde eine vorübergehende Niederlage sein, in dieser Sache vertraute er Rioghain bedingungslos. Es war die einzige Option, hatte er doch wiederholt erfolglos versucht, Kontakt zu Rioghain aufzunehmen.

Nate hatte ihn mit der Vermutung getröstet, sie würde ihn nur deshalb nicht hören, weil ihre Seele mit Morrighans verschmolz. Es war kein Trost, vielmehr eine schmerzliche Erinnerung an das, was er sich für Nate erhofft hatte – Nutznießer ihrer gemeinsamen Attacke auf das Dunkle in Nathair sollte er sein, nicht unvermeidlicher Kollateralschaden. Erwachsen sollte der Knabe werden, zu einem jungen Mann heranreifen und eines Tages Nathairs Körper ausfüllen, der nur deshalb nicht der seine geworden war, weil Menschen sich das Recht angemaßt hatten, über Gut und Böse ein Urteil zu fällen. Jetzt gab es kein Umkehren und es würde keine Wiedergutmachung für ein gestohlenes Leben geben – nicht für Nates.

Rioghain sollte erfahren, welchen Tribut der Junge zahlte. Teàrlach war sich sicher, dass sie es wissen und nicht der Möglichkeit beraubt werden wollte, Abschied zu nehmen. Was ihr bei ihrer Familie versagt worden war, sollte sie bei Nate nachholen können, dem Kind, das sie niemals haben würde – nicht mit ihm. Teàrlach schalt sich für den egoistischen Gedanken. Es ging nicht um ihn, nicht darum, dass Rioghain ihn vielleicht nicht mehr erkennen würde, wenn sie nicht länger nur Gast in Morrighan Körper war. Es ging um einen winzigen Funken Hoffnung, den er nicht für sich hegte, auch nicht für Rioghain, sie nahm ihr Schicksal bereits in die eigene Hand. Diesen kleinen Funken bewahrte er für das sterbende Kind auf, das sich einzig der Missetat schuldig gemacht hatte, am falschen Ort und zur unrechten Zeit geboren worden zu sein.

Im Stillen betete er zu einem Gott, der keiner sein wollte, es für einen kleinen Jungen jedoch sein sollte. Asarlaír hatte einst Leben mit Hilfe des Todes geschaffen, was sprach dagegen, dass er dieses Wunder erneut vollbrachte? Teàrlach schloss sogar ein Gebet an den ungeliebten Schwager an, den er niemals als solchen akzeptiert hatte und der Kieran mit Sicherheit heute nicht sein wollte ... Nates Opfer musste den Tod einfach anrühren.

»Feuer?«, riss ihn Nate aus seiner Andacht mit der Begeisterung eines Kindes – das er viel zu oft vergessen hatte zu sein und nun bis zu seinem Tode bleiben würde. »Sie hat über das Feuer geherrscht?«

»Manchmal herrschte es auch über sie.« Er zog die Decke höher, die durch Nates Unruhe verrutscht war. Sein kleiner Körper kühlte rasend schnell aus und selbst die Aufregung in Erwartung einer spannenden Geschichte, färbte seine eingefallenen Wangen nicht mehr rosig. »Aber lass’ mich die Geschichte am Anfang beginnen ...«

***

 

Der schwere Samtvorhang, der Nate erst als Decke und nun als Leichentuch diente, sank langsam in sich zusammen. Wo sich zuvor die Umrisse des kleinen Körpers abgezeichnet hatten, war nichts mehr, das Teàrlach betrauern konnte.

›Sei nicht traurig‹, hatte Nate ihn mit seinem letzten hart erkämpften Atemzug zu trösten versucht, ›halte dich an unseren Plan und mache wieder gut, was du Rioghain und dem Legat zugefügt hast.‹ Nate selbst hatte seinen Tod zur Wiedergutmachung für Nathairs Verbrechen erklärt.

»Du hast kein Unrecht auszugleichen.« Teàrlach zögerte, das einsinkende Leichentuch mit Nates Kurzschwert zu belasten, das den Jungen ... nein, den Krieger auf seine letzte Reise begleiten sollte. Er strich über die in die Klinge eingravierten Lettern.

Nate, nicht Nathair war auf dem blanken Stahl zu lesen, als hätte Owain geahnt, wen es dereinst in die Ewigkeit begleiten würde. Er umfasste die Klinge bis die Schneiden tief in seine Haut schnitten, Blut quoll durch seine Finger, tropfte auf den Boden zu seinen Knien. Das dunkle Rot hob sich vom polierten Granit ab, aber nicht das zog ihn in seinen Bann, es war das Schillern, das unter dem Leichentuch hervorquoll und sich ihm kriechend näherte. Teàrlach kam dem Schimmern entgegen, streckte die Hand aus und presste seine Wunde darauf.

Bilder tauchten hinter seinen geschlossenen Lidern auf, zeigten Nate an glücklicheren Tagen, Owain und Amelia, wurden dann ersetzt von Skizzen, die Nates kindliche Fantasie auf Grundlage der Geschichten gezeichnet hatte, die Teàrlach ihm erzählte. Ausgerechnet die tragischen Momente der Letzten der Fiannah waren dem Jungen besonders in Erinnerung geblieben. Ihre Geschichte zu erzählen, hatte Teàrlach bis zum Schluss hinausgezögert, er wollte sie dem Jungen eigentlich ersparen, schließlich war seine Absicht, Nate Hoffnung mit auf seine ungewisse Reise zu geben, keine Tragödie. Er erkannte die Déanach Duine in diesen Skizzen, die Letzte der Fiannah, die Namenlose, die um ihr Leben betrogene jüngste Tochter Asarlaírs, dessen persönlicher Racheengel … Teàrlach waren ihre tragischen Züge und Ehrentitel nur allzu vertraut, nicht jedoch das Lächeln, das Nates Vorstellungskraft auf ihre Lippen gezaubert hatte oder das Neugeborene, das in ihren Armen lag ...

Er sog zischend die Luft ein, hob die Lider und verstärkte den Druck seiner Hand auf den kühlen Granit. Fasziniert beobachtete er, wie das Schillern unter seine Hand sickerte, bis der letzte Funken verschwunden war.

»Nate«, flüsterte er in der Gewissheit, dass der Junge jetzt bei ihm war, ihr Schicksal auf ewig verbunden ... mit plötzlich nicht mehr so gewissem Ausgang.

Teàrlach hob den Blick, sah nach einer für ihn nicht mehr nachvollziehbaren Weile wieder durch Nathairs Augen in die Welt dort draußen. Er bereute nicht, Nate das letzte Stück seines Weges begleitet zu haben, allerdings hatten sich die Ereignisse überschlagen und er Mühe, mit ihnen Schritt zu halten. Die Szene, die sich vor ihm abspielte, veranlasste ihn zu den wildesten Spekulationen.

Ein Kampf musste stattgefunden haben, das rote Seidenkleid, das Rioghain gegen ihr ledernes Rüstzeug eingetauscht hatte, hing in Fetzen und war voller Blut. Morrighan lag in Quinns Armen, aber nicht weil sie schwer verletzt war, sondern weil der Krieger hatte verhindern wollen, dass sie bei ihrer Flucht zurückfiel. Allerdings wurde ihr Entkommen durch einen undurchdringlichen Kreis ihrer Gegner vereitelt. Obwohl Nathair eindeutig auf der Gewinnerseite stand und sich Mühe gab, seine Überlegenheit zu zeigen, indem er sich lässig an das vermeintliche Fluchtfahrzeug lehnte, tobte es in ihm. Er kämpfte vergeblich, seine menschliche Gestalt zu bewahren und zeigte sich Morrighan in einer Form, in der er ihr nur ungern gegenübertrat – dank Teàrlachs Einfluss, den er zu seiner Erleichterung nicht wie eine zu eng gewordene Haut abgestreift hatte.

Péist Nimhe verwandelten sich nicht in ihre schlängelnden Verwandten, ebenso wenig häuteten sie sich in einer langwierigen und womöglich schmerzhaften Prozedur. Daher fand Nathair auch schnell und ohne ersichtliche Schmerzen und Mühe zu der Gestalt zurück, für die Nate sich im Kerker entschieden hatte und die Teàrlach nun wieder zu verteidigen gedachte. Rioghain war lange genug allein für ihre Sache eingetreten und an einem Scheideweg angelangt. Nun war es an ihm, ihr die Richtung zu weisen.

Zunächst jedoch mühte er sich, zu verstehen, was Rioghain – nein – Morrighan dem in den Armen des Dritten in ihrer Flüchtlingsrunde liegenden Quinn zuflüsterte. Ein Pflock ragte aus der Brust des Kriegers, doch Teàrlach wusste, dass das nicht das Ende bedeutete. Asarlaír hatte den Rugadh das Licht der Sonne versagt, aber er segnete sie wie seine Erste Schöpfung mit einem starken Herzen, das in Quinn weiterschlug, sobald der Pflock entfernt werden würde. Wie zuvor seinen Kindern hatte er den Rugadh nicht die Lähmung erspart, die Teàrlach in den sich zunehmend versteifenden Gliedern Quinns erkannte. Er erinnerte sich gut an das Gefühl der Hilflosigkeit, die auch der Krieger verspürte, da er nicht mehr fähig war, Morrighan von ihrem Vorhaben abzuhalten.

»Ich weiß, was ich tue. Ich habe jeglichen Wert für Nathair verloren«, begründete sie ihre nächsten Schritte.

Was meinte sie damit? Ihre Blutsverbindung zu Quinn verkomplizierte alles, aber es schmälerte nicht ihren Wert. Teàrlach bereute nicht, Nate auf seinem letzten Gang begleitet zu haben, aber er bedauerte, die Konkretisierung des gemeinsamen Plans allein Rioghain aufgebürdet zu haben, weshalb er nun im Dunkeln tappte und womöglich unwissentlich mehr Schaden als Nutzen anrichtete.

War sein Einfluss auf Nathair groß genug, ihnen eine vertrauliche Unterredung zu ermöglichen? Waren die Seelen der beiden Frauen schon so weit verschmolzen und hatte ihn Rioghain ihn bereits vergessen, dass Morrighan jeden seiner Vorstöße von vornherein abschmetterte? Wie ...?

Nicht die unbeantworteten Fragen schnürten Teàrlach plötzlich die Kehle zu, es war das Gesicht des Mannes, der in Quinns Rücken kauerte und ihm half, trotz des schleichenden Kontrollverlusts, einigermaßen aufrecht zu sitzen. Er hatte entschieden, in diesem Moment das Kinn zu heben, über Morrighans Kopf hinweg zu Nathair zu blicken und Teàrlach die letzte, nicht zu Ende formulierte Frage in den Rachen zu schieben.

»Cailleachs Hure!« Fluchend stürzte er zur Fensterfront und hieb mit der flachen Hand gegen die Scheibe, in der Hoffnung, wider besseres Wissen, Morrighans Aufmerksamkeit oder wenigstens Rioghains Kriegerinstinkte zu erwecken.

»Du darfst ihm nicht vertrauen«, brüllte er, doch er brachte lediglich das Glas zum Zittern. Niemand hörte ihn, auch nicht dieser Gestalt gewordene Schatten der Vergangenheit, dem es gelungen war, sich Quinn als Verbündeter anzubiedern. Er zwang Nathair, den Blick des Günstlings der Schwarzen Hexe länger als nötig zu halten, er wollte eine Reaktion aus dem Lykaner herauslocken, doch da war nichts – kein Erkennen, aber ebenfalls kein Hohn, den er für Quinns und Morrighans Vertrauensseligkeit erübrigte.

Unterlag Teàrlach einem Irrtum oder verfügte Cailleachs Hure nach all den Jahrhunderten über eine wesentlich bessere Kontrolle seiner Emotionen? Einst hatte er ihm die Abscheu angesehen, die der Lykaner über die ihm von Cailleach zugedachte Rolle empfunden hatte. Er entsann sich des Freiheitswillens im Gold seiner Augen noch mit aller Deutlichkeit. Jetzt war da nur Sorge um Quinn, Bestürzung über Morrighans Entscheidung und Verachtung für Nathair, dessen Ähnlichkeit zu Teàrlach unmöglich zu übersehen war.

»Er wird dich töten, wenn du ihm nicht mehr nützlich bist.« Der Lykaner spielte seine Sorge nicht, aber was wusste Teàrlach schon – er war auf Cailleachs Lügen hereingefallen. Hatte sie ihre Hure instruiert, würde jedes Wort nach der Wahrheit klingen, die es nicht transportierte.

»Ich muss dieses Risiko eingehen, wenn ich Quinn in Sicherheit und am Leben wissen will.« Morrighan drehte dem Lykaner den Rücken zu und wurde nicht mit einem hinterhältigen Dolchstoß für ihr Vertrauen entlohnt. Der Pflock verblieb in Quinns Brust, wie es der Lykaner versprochen hatte, dabei würde es Cailleachs Hure ähnlich sehen, wenn er den Rugadh in einem verzweifelten Versuch, Morrighan aufzuhalten, dem Tod auslieferte.

»Ich erreiche ihn«, erfüllte überraschend Rioghains körperlose Stimme den verwaisten Thronsaal. Sie meinte nicht Teàrlach, sie sprach Morrighan Mut zu und aus unerfindlichem Grund erreichten Rioghains Worte nach so langer Zeit des Schweigens auch ihn.

Teàrlach presste beide Hände auf des Fensterglas, eine ungenügende Imitation der Umarmung, in die Nathair Morrighan schloss, doch er wurde durch das warme Kribbeln unter seinen Fingerspitzen belohnt. Seine Verbindung zu Rioghain reichte nicht aus, sie in den Thronsaal zu holen, aber sie war auch nicht gekappt. Er wusste, was er zu tun hatte, sobald er Nathairs aufkeimendes Misstrauen spürte und Morrighan in dessen Armen erstarrte, da sie sich der Lüge überführt wähnte.

»Und was sollen wir mit den beiden machen?«, stellte Lughaidh die Frage, die über das Schicksal Quinns und des Lykaners entscheiden würde, aber auch darüber, ob Teàrlach sein Rioghain gegebenes Wort diesmal zu halten in der Lage war. Er konzentrierte sich auf seine Liebe zu ihr, die anders, aber immer noch stark war.

»Du lässt die beiden gehen, Seelenfresser«, zwang er derartig erstarkt Nathair seine Worte auf. »Ich habe vor, mein Versprechen einzuhalten. Also wage es nicht, sie anzurühren.«

Der Anamchaith war nun endgültig in Alarmbereitschaft versetzt und zwar nicht allein Morrighan gegenüber. Da die Machtverhältnisse in ihrer Beziehung allerdings noch klarer verteilt waren als das gegenseitige Vertrauen, schwieg er zu Nathairs Entscheidung, statt eine Rebellion anzuzetteln.

»Was wird jetzt geschehen?«

Statt Morrighans Frage zu beantworten, näherte er sich ihr, während sie den Verschluss ihres nunmehr schwarzen Kleides im Nacken schloss. Er streckte die Hand nach ihren Rücken aus, den die Seide aus naheliegendem Grund aussparte. Das Mal erwachte unter seinen Fingerspitzen und diesmal war tatsächlich Teàrlach derjenige, der Morrighan berührte. Er hatte keine Ahnung, wie es geschehen war, dass er zum ersten Mal seinen Wirtskörper so vollkommen ausfüllte und er sich wie sein eigener anfühlte.

»Verzeih’ mir«, bat er und ließ einen sachten Kuss und ein Muimin folgen. Rioghain hatte ihm ihre Vergebung bereits zugesichert, aber als sich nun Morrighan in seinem Arm umdrehte und er kein Erkennen in ihren Augen sah, wusste er, warum sein Verstand ihn gedrängt hatte, auch ihr Verzeihen zu erbitten.

»Ich hätte dich niemals verraten dürfen. Ich war so unsagbar töricht.« Ohne ihn befände Rioghain sich nicht in dieser Lage und auch Morrighan würde nicht diesen Gefahren ausgesetzt sein. Völlig unerwartet füllten sich Morrighans Augen mit Tränen, sie strich das Haar zurück, das seiner Beschämung Schutz bot und betrachtete ihn eingehend. Als benötigten ihre Augen Schützenhilfe, zeichnete sie mit den Fingerspitzen die Linie seines Kiefers nach, hinunter zu seinem Kinn, schließlich fuhr sie mit dem Daumen über seine Lippen.

»Leathéan.«

Teàrlach taumelte rückwärts und riss die Augen auf. Was war geschehen, weshalb hatte Morrighan ihn so genannt? Verwirrt berührte er seine Wange, betrachtete das silberne Glitzern auf seinen Fingerspitzen, um dann zu bemerken, dass er sich nicht länger im selben Raum wie Morrighan befand.

Oder hatte Rioghain vor ihm gestanden?

Nein, ihre Verwirrung war echt gewesen, die Erkundung seiner Züge keine hohle Geste und erst in ihrem Erkennen fand er auch Rioghain wieder. Er hatte Recht gehabt, die Verschmelzung forderte ihren Tribut, doch anders als befürchtet, beinhaltete das nicht den endgültigen Bruch. Rioghain hatte sich von ihm entfernt, aber sie kehrte zusammen mit Morrighan zu ihm zurück. Zur Durchführung ihres gemeinsamen Plans, wie er sich erinnern musste, und das bedeutete, dass er sich von dem vorübergehenden Rückschlag, den ihm Nathair bereitet hatte, nicht entmutigen lassen durfte. Er würde Nathair seinen Körper nicht auf Dauer streitig machen – das war auch nicht nötig und sicher nicht das, was Asarlaír mit seinem Richterspruch verbunden hatte. Er würde ihn nur so lange ausleihen, bis das Ritual vereitelt, Morrighan an die Seite ihres wahren Leathéan zurückgekehrt war und er die Überreste seiner eigenen Bhannah zu Rioghain eigenhändig kappte.

Wie Nathair damit umging, würde sich weisen, spielte für ihn jedoch nur eine untergeordnete Rolle, wenn er das geschehene Unrecht an Rioghain und an Morrighan erst wiedergutgemacht hatte.

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