Escape... Schatten der Vergan...

By _Chocolate-Lover_

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Das Leben von Carlos geht gerade ziemlich den Bach runter. Während er noch immer mit dem Tod seines Bruders z... More

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10. Kapitel
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13. Kapitel
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2. Kapitel

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By _Chocolate-Lover_

Carlos

Unruhig rutschte ich zwischen Luca und diesem anderen Typen hin und her. Noch nie hatte ich es so eilig gehabt, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen. Eigentlich war ich um jede Minute dankbar, die ich nicht zu Hause verbringen musste. Es war nicht so, dass ich ständig Stress mit meinen Eltern hatte, aber ich ertrug diese depressive Stimmung, die unsere Wohnung mittlerweile seit zwei Jahren ausstrahlte, einfach nicht mehr. Ich wusste genau, dass es meinem Vater genauso ging, da er in letzter Zeit abends immer viel länger weg blieb, obwohl der Laden, in dem er arbeitete eigentlich um sieben Uhr schloss. Auch nachts haute er manchmal einfach ab und fuhr mit dem Auto irgendwohin.

Mir war klar, dass er einfach ziellos durch die Innenstadt kurvte, weshalb ich auch jedes Mal, wenn ich mich nachts da rumtrieb, verdammt vorsichtig sein musste. Einmal hatte ich seinen Wagen von weitem gesehen, als ich mit noch abgefuckteren Typen als diesen Dreien hier unterwegs gewesen war. Seit dieser Nacht lief ich nur noch mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze durch die Innenstadt.

Es wäre schliesslich katastrophal gewesen, wenn er mich mal irgendwo entdeckt hätte. Die Stimmung zu Hause war durchgehend schon genug gedrückt, da brauchte mein Dad mich nicht auch noch mitten in der Nacht sturzbetrunken in der City zu erwischen. Schliesslich rastete er gerne mal ziemlich schnell aus und auf das konnte ich ganz gut verzichten. Ich hatte schliesslich schon mehr als genug andere Probleme am Hals.

Es machte mich einfach innerlich fertig, zu wissen, dass Enrique nun nicht mehr im Zimmer neben mir pennte oder sich die ganze Nacht lang Serien reinzog. Deshalb war jeder Augenblick, den ich draussen mit meinen Freunden verbringen konnte, eine willkommene Abwechslung.

Aber jetzt musste ich dringendst nach Hause und zwar schneller, als dieser Idiot hinter dem Steuer den Zeiger auf dem Tacho in die Höhe jagte. Cathy hatte beunruhigt und ängstlich geklungen, was sich nun automatisch auf mich übertragen hatte. Obwohl ich früher schon immer ein enges Verhältnis zu Cathy und auch zu meiner jüngeren Schwester Luiza gehabt hatte, fühlte ich mich nun noch näher zu ihnen hingezogen.

Seit Enrique nicht mehr da war, war mir klar geworden, wie wichtig es war, jede freie Minute mit den Menschen zu verbringen, die man liebte. Denn genau diese Zeit konnte von einem Augenblick auf den anderen einfach vorbei sein. Ausserdem würde ich alles dafür tun, um meine Schwestern zu beschützen und für sie da zu sein. Das hatte ich mir irgendwann, nachdem das mit Enrique passiert war, selber geschworen. Für ihn hatte ich nicht da sein können. Zuschauen, wie er regelrecht ins Unglück stürzte, war das einzige gewesen, was ich hatte tun können.

Das war mit Abstand der allerschlimmste Augenblick meines Lebens gewesen, der mich nun seit beinahe zwei Jahren immer noch in meinen Träumen verfolgte. Ich hatte inzwischen aufgehört zu zählen, wie viele Nächte ich durchgehend einfach nur geweint hatte oder ich schweissgebadet und schreiend aufgewacht war. Es waren mittlerweile einfach zu viele. Aber ich hatte nun seit einigen Wochen eine ziemlich gute Taktik gefunden, die mich zumindest manchmal für ein paar Stunden Schlaf finden liess. Ich ging einfach nächtelang gar nicht schlafen und vertrieb mir die Zeit mit lesen, Netflix oder eben draussen mit meinen Freunden, damit ich irgendwann so komplett übermüdet war, dass ich einfach einschlief und selbst für grauenhafte Träume zu müde war.

Meistens schlief ich dann tagsüber, was am Wochenende eigentlich auch kein Problem war. Aber durch die Woche war es natürlich ziemlich beschissen, wenn mich meine Mutter einfach gnadenlos um sechs aus dem Bett zerrte, obwohl ich meistens erst um fünf eingeschlafen war.

Das war einer von vielen Gründen, warum ich Schule hasste und meine Noten ziemlich mittelmässig waren. Meistens pennte ich halbwegs im Unterricht und wenn ich mal wach war, vertrieb ich mir die Zeit damit, mit Luca das nächste Wochenende zu planen oder heimlich Netflix unter dem Tisch zu schauen. Ich gab mir zwar immer Mühe, den Stoff, den ich verpennt hatte, in der Nacht nachzuholen, da ich ja sowieso nie schlafen konnte, aber wenn wir dann am nächsten Morgen eine Prüfung hatten, war ich immer so komplett übermüdet, dass ich mich sowieso nicht konzentrieren konnte und das nächtliche Lernen eigentlich für die Katz gewesen war.

Aber egal, Schule interessierte mich in diesem Augenblick nicht im Geringsten. Viel wichtiger war mir im Moment Cathy. Die Stimmen, die ich im Hintergrund gehört hatte, hatten nicht gerade freundlich geklungen. Ausserdem war es mitten in der Nacht, da fand ich es echt beunruhigend, dass bei mir zu Hause anscheinend irgendwas los war.

Angestrengt lehnte ich mich nach vorne, um besser durch die Windschutzscheibe hindurchstarren zu können, als wir in unser Viertel einbogen. Auf den ersten Blick wirkte alles ruhig, aber ich spürte genau, dass das täuschte. Ich hatte mittlerweile einen ziemlich guten Riecher dafür entwickelt, wenn irgendwas nicht in Ordnung war. Deshalb war ich beinahe ein bisschen darauf gefasst, als ich auf dem riesigen Parkplatz vor unserem Wohnblock ein seltsames blaues und blinkendes Licht entdeckte.

Mit einem Mal bereute ich den ganzen Alkohol, den ich heute Nacht mal wieder in mich reingeschüttet hatte. Obwohl ich mich eigentlich bestens fühlte, war mein Sichtfeld doch ziemlich eingeschränkt und alles wirkte ein bisschen verschwommen. Deshalb erkannte ich auch erst, als wir näher auf das blaue Licht zufuhren, woher es kam und was es zu bedeuten hatte.

Aber da war es schon zu spät. Zumindest für den Typen hinter dem Steuer, der den Wagen mit einem ziemlich hohen Alkoholpegel durch die Strassen lenkte. Aber auch Luca und ich würden gefickt werden, das wurde mir in dieser Sekunde bewusst, in der der Wagen scharf abbremste.

Panisch sah ich Luca an, der meinen Blick mindestens genauso angstvoll erwiderte. Somit war diese nächtliche Fahrt wohl oder übel zu Ende. Ich verstand zwar, dass die Bullen ab und zu Fahrausweis- und Alkoholkontrollen durchführen mussten, aber weshalb sie das direkt vor meiner Wohnung taten, war mir echt ein Rätsel. Hier war schliesslich nachts rein gar nichts los und es gab normalerweise auch keine alkoholisierten Autofahrer, ausser jetzt natürlich uns.

Bisher waren wir erst einmal in eine Kontrolle geraten. Das war im Sommer gewesen, als wir mit einem Typen aus der Tuner-Szene unterwegs gewesen waren. Aber der Typ war weder betrunken, noch bekifft gewesen und war auch einigermassen anständig gefahren. Deshalb hatten wir keinen sonderlich grossen Stress bekommen. Das einzige, was die Bullen verwundet hatte, war, dass Luca und ich, zwei fünfzehnjährige Idioten mitten in der Nacht mit einem beinahe dreissigjährigen Typen durch die Stadt gekurvt waren. Aber der Typ hatte uns gerettet, indem er steif und fest behauptet hatte, unser Cousin zu sein und dass er uns nur nach Hause fahren wollte. Anfangs waren sie zwar misstrauisch gewesen, aber irgendwann hatten sie es ihm abgekauft und uns weiterfahren lassen.

Damals waren es nur zwei gewesen, die sich in der Innenstadt rumgetrieben hatten, aber jetzt schienen es weitaus mehr als zwei zu sein. Führten die etwa direkt vor meiner Wohnung eine Grosskontrolle durch oder was? Misstrauisch äugte ich aus dem Fenster. Sogar wenn der Typ hinter dem Steuer ein Multitalent gewesen wäre, hätte er keine Chance gehabt, denen jetzt noch zu entkommen. Die waren überall auf der ganzen Parkfläche verteilt. Selbst mit einer fluchtartigen Wendung wären wir nicht von hier weggekommen, denn plötzlich blinkte sogar hinter uns ein Blaulicht.

Verdammt nochmal, die hatten sich echt überall platziert. Ich schaffte es nicht mal, all die blinkenden Blaulichter zu zählen, so viele waren es. Ängstlich drückte ich mich näher an Luca, als ich einen Bullen bemerkte, der wie aus dem Nichts plötzlich vor dem Wagen auftauchte und uns zur Seite winkte.

Obwohl wir nicht mehr als 15 km/h drauf gehabt hatten, gab es einen heftigen Ruck, als der Typ auf die Bremse trat. Dabei kamen mir beinahe die paar Biere der letzten Stunden wieder hoch. Ich musste mich echt verdammt zusammenreissen, um nicht auf der Stelle den gesamten Wagen vollzukotzen.

Aber es war mehr als nötig gewesen, dass der Typ auf die Bremse getreten war, denn ansonsten wäre dieser Bulle vor uns jetzt wohl ziemlich flach gewesen. Kaum war der Wagen zum Stillstand gekommen, tauchten aus der Dunkelheit von allen Seiten noch mehr Bullen auf. Wir alle waren in diesem Moment nicht in der Lage, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Zu sehr waren wir damit überfordert, zu begreifen, was hier gerade abging.

Erschrocken zuckte ich zusammen, als plötzlich jemand eindringlich und aggressiv ans Fenster der Fahrertür klopfte. Der Typ hinter dem Steuer hatte sich wohl ebenfalls zu Tode erschrocken, denn er brauchte eine ganze Weile, bis er es endlich schaffte, zu reagieren. Seine Finger zitterten, als er zögerlich die Scheibe runterliess und ich sah, dass auf seinem Gesicht ein Ausdruck reiner Panik lag. Kein Wunder, denn jetzt war wohl der Moment gekommen, in dem er seinem Führerschein auf Wiedersehen sagen konnte, sofern er überhaupt einen besass.

Obwohl er Student war, konnte er nicht viel älter als zwanzig sein, deshalb bezweifelte ich, dass er seinen Führerschein schon länger als drei Jahre besass. Somit war er wahrscheinlich noch in der Probezeit, in der verschärfte Gesetze galten und in der auch nur der kleinste Tropfen Alkohol einen Ausweisentzug bedeutete. Obwohl er mit ziemlicher Sicherheit zu diesen Rich Kids gehörte, denen sowieso alles von den Eltern in den Arsch rein geschoben wurde und die wohl nie in ihrem Leben selber arbeiten mussten, tat er mir jetzt irgendwie leid.

Nervös spielte ich mit dem Reisverschluss meiner Jacke rum und rückte noch ein Stück näher an Luca ran, als der Bulle ihn anpflaumte, dass er gefälligst den Motor ausschalten sollte. Obwohl er sofort tat, was ihm befohlen wurde, bekam er einen Blick zugeworfen, der selbst kochendes Wasser von einer Sekunde auf die andere hätte gefrieren können. Ich konnte das Gesicht des Bullen zwar nicht sehen, da seltsame Schatten darauf lagen, aber dieser Blick war auch spürbar, ohne dass man ihn sah.

Ängstlich biss ich mir auf die Unterlippe, als mir klar wurde, dass sich von überallher Bullen näherten und den Wagen von allen Seiten regelrecht umstellten. Ich konnte sie zwar nicht richtig sehen, denn die ständig blinkenden Blaulichter liessen einem nur dunkle Schatten erkennen, aber dafür konnte ich umso besser spüren, wie sie uns einkreisten.

Obwohl ich ja nicht wirklich was getan hatte, wäre ich in diesem Augenblick am liebsten weggerannt. Mein innerer Instinkt riet es mir und auch Luca und dem Typen neben mir schien es ähnlich zu gehen. Nur mein Verstand hielte mich davon ab. Durch einen Fluchtversuch hätte ich mich nur verdächtig gemacht und ausserdem hätte ich sowieso keine Chance gehabt, mich in meinem betrunkenen Zustand aus dem Staub zu machen, schon gar nicht bei diesem Grossaufgebot an Polizei.

Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass der Bulle zuerst den Typen hinter dem Steuer nach dem Führerschein fragen und einen Alkoholtest mit ihm machen würde, aber stattdessen fing er an, mit einer viel zu grellen Taschenlampe im Wagen herum zu leuchten. Auch die anderen dunklen Schatten, die den Wagen mittlerweile komplett umstellt hatten, fingen jetzt damit an, Taschenlampen auszupacken und uns damit zu blenden.

Mit einem Mal war es taghell im Inneren des Autos, sodass ich ein paar Male blinzeln musste, bis sich meine Augen an das Licht gewöhnt hatten.

››Wer von euch ist Carlos González?‹‹, donnerte auf einmal eine Stimme wie aus dem Nichts drauflos. Natürlich zuckte ich daraufhin heftig zusammen, schwieg jedoch eisern. Obwohl sich innerlich Panik in mir ausbreitete, gelang es mir, komplett ruhig und cool zu bleiben, was mit ziemlicher Sicherheit am Alkohol lag.

Warum zum Teufel hatten die gewusst, dass ich in diesem Auto hockte und vor allem, was zur Hölle wollten die von mir? Okay, ich gab es zu, ich war kein Engel und hatte in meinem Leben schon mehr Mist gebaut, als wahrscheinlich gut für mich war. Während diesen nächtlichen Autofahrten war es natürlich auch schon ein paar Male zu Strassenrennen gekommen, bei denen ich durchaus auch einige Male selbst hinter dem Steuer gesessen hatte, natürlich ohne Führerschein. Ausserdem waren Luca und ich auch an einem Grossteil der Graffitis, die es überall in dieser Stadt zu sehen gab und die gewisse Leute wohl als Sachbeschädigung bezeichnen würden, beteiligt gewesen.

Auch Ladendiebstähle gehörten zu unseren Freizeitbeschäftigungen. Unsere freien Nachmittage verbrachten wir fast durchgehend in Kaufhäusern, wo wir Markenklamotten und alles Mögliche an anderen Dingen einsteckten, was wir uns eigentlich nie im Leben leisten konnten, aber trotzdem dringend brauchten, um mit den „coolen" Rich Kids unserer Schule mithalten zu können. Mobbing und Ausgrenzungen waren in unserer Klasse an der Tagesordnung und wenn man nicht immer die neuesten und teuersten Klamotten und Schuhe hatte, wurde man schnell zur Zielscheibe vom Hass gewisser Leute. Wenn man wie Luca und ich, nicht gerade aus der reichsten Familie kam, musste man eben mit allen Mitteln dafür sorgen, dass man nicht zu dieser Zielscheibe wurde.

Aber während all unseren kriminellen Tätigkeiten waren wir immer so vorsichtig gewesen, wie man nur sein konnte. Wir hatten uns immer bestens vorbereitet, wenn wir irgendwas nicht ganz Legales vorgehabt hatten und wir hatten auch immer dafür gesorgt, dass wir an unterschiedlichen Orten und in unregelmässigen Abständen zuschlugen. Auch ausgekundschaftet, ob es Überwachungskameras oder mögliche Polizeikontrollen in der Nähe unserer Zielorte gab, hatten wir immer. Vorsicht war wohl beinahe die ganze Miete zum Erfolg, wenn man sich kriminellen Dingen widmete. Das einzige, was man noch brauchte, war ein bisschen Glück, aber auch das war immer auf unserer Seite gewesen.

Deshalb konnte ich es echt nicht glauben, dass ich nun eingekreist von Bullen war, die offensichtlich nach mir suchten. Luca, meinem Partner in Crime, schien es wohl genauso zu gehen. Fassungslos und mit offenem Mund starrte er direkt in den grellen Strahl einer Taschenlampe und zuckte dabei nicht mal mit der Wimper. Er vermied es, mich anzusehen, denn ansonsten wäre denen sofort klar gewesen, wer hier Carlos González war. Während mein Gehirn im Schnelldurchgang die ganzen Delikte, die ich in den letzten paar Wochen begangen hatte, durchratterte, wurden die Bullen immer ungeduldiger, als niemand von uns auch nur ein Wort sagte.

Ungehalten schnauzten sie den Fahrer an, aber ich nahm es nicht mal richtig wahr. Mein Kopf war zu sehr damit beschäftigt, etwas zu suchen, was mir wohl zum Verhängnis geworden war. Ich musste irgendwann einen Fehler begangen haben, vielleicht hatte ich bei einem meiner Ladendiebstähle mal eine Überwachungskamera übersehen, aber ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wann. Aber irgendwas musste ich einfach übersehen haben, ansonsten wären die jetzt nicht hier und würden mit einem Grossaufgebot nach mir suchen.

Erschrocken blinzelte ich, als plötzlich ein Taschenlampenstrahl an mir hängen blieb und mich aus meinen panischen Gedanken riss. ››Du da. Aussteigen und zwar sofort.‹‹ Mir rutschte fast das Herz in die Hose, als mich irgendeine Stimme so anraunzte. Es war zu dunkel, um zu erkennen, welcher von dieser ganzen Bullenkompanie das gewesen war. Ich konnte schliesslich nur zahlreiche Umrisse von schwarzen Uniformen mit dem Schriftzug Polizei erkennen, aber ich konnte zumindest einordnen, dass die Stimme von links gekommen war.

Mit einem Mal wurden alle Taschenlampenlichtkegel auf mich gerichtet, sodass ich mich fühlte, als wäre ich im Rampenlicht irgendeiner dämlichen Talentshow. Wenn die Situation nicht so verdammt ernst gewesen wäre, hätten Luca und ich jetzt wahrscheinlich schallend angefangen zu lachen und die beleidigt, aber wir spürten beide, dass das nicht gut für uns und unsere kriminellen Hobbys enden würde. Deshalb sassen wir nur stumm da, wussten nicht, wo wir hinschauen sollten und ich versuchte, all meinen Mut zusammenzunehmen, um irgendwas Patziges von mir zu geben.

››Warum sollte ich?‹‹, stiess ich schliesslich weniger gereizt hervor, als ich es eigentlich gewollt hatte. ››Weil wir das sagen!‹‹, ertönte daraufhin sofort wieder die gleiche Stimme.

Ängstlich wechselte ich einen Blick mit Luca, wobei ich ihm stumm mitteilte, dass ich ihn, egal was gleich passierte, aus allem raushalten würde. Er war schliesslich mein allerbester Freund seit dem Kindergarten und da war es ja wohl mehr als selbstverständlich, dass ich ihn auf keinen Fall bei den Bullen anschwärzen und notfalls auch für ihn lügen würde. Schliesslich war eigentlich immer ich derjenige gewesen, der ihn dazu angestiftet hatte, Scheisse zu bauen und nicht umgekehrt.

››Wir können dich auch gewaltsam da rausholen, wenn du jetzt nicht sofort freiwillig aus dem Wagen steigst‹‹, erklang eine weitere drohende Stimme, diesmal aber von weiter vorne. Wenn ich mich nicht täuschte, war das der Bulle, der vorhin unseren Fahrer angeraunzt hatte.

Mit weichen Knien schnallte ich mich ab und drückte Luca mein fast leeres Bier in die Hand. Es hatte ja keinen Sinn, die noch gereizter werden zu lassen. Ausserdem war es auch irgendwie klar gewesen, dass das früher oder später passieren würde, trotz unserer Vorsichtsmassnahmen. Ich hatte mir in den letzten Wochen und Monaten so viel Scheisse geleistet, dass es eigentlich echt an ein Wunder grenzte, dass das nicht schon viel früher passiert war.

Innerlich sterbend vor Angst entschied ich mich spontan, rechts auszusteigen. Somit trennte mich wenigstens das Auto von der unfreundlichen Stimme, obwohl das das Ganze nicht gerade besser machte. Ungeschickt kletterte ich über Luca hinweg und warf ihm dabei einen letzten ängstlichen Blick zu. Egal, was die von mir wollten, ich würde auf jeden Fall schweigen, was ihn betraf.

Man konnte sagen über mich, was man wollte: Dass ich kriminell war, dass ich frech war und mich praktisch durchgehend wie das allerletzte Arschloch verhielte, aber ein Verräter war ich ganz bestimmt nicht. Besonders Luca gegenüber nicht, da er im Moment so ziemlich der einzige richtige Freund war, den ich hatte.

Ich musste die Wagentür nicht mal aufmachen, wie von selbst wurde sie unsanft von aussen aufgerissen. Wenn das mein Auto gewesen wäre, wäre ich diesem Bullen direkt an die Gurgel gegangen. Aber der Typ, dem es gehörte, hockte so betrunken auf dem Fahrersitz, dass er nicht mal bemerkte, wie mit seiner Wagentür umgegangen wurde. Kaum hatte ich auch nur einen Fuss auf den Asphalt gesetzt, fühlte ich mich schon komplett eingeengt. Drei Bullen hatten sich in einem Halbkreis vor mir aufgebaut und hinter mir war der Wagen, auf dessen anderen Seite mindestens drei weitere Bullen standen. Überall, auf dem gesamten Parkplatz verteilt standen Streifenwagen und ich konnte regelrecht spüren, dass ich aus allen Richtungen mit Blicken durchbohrt wurde. Meine Nachbarn hatten wohl gerade das spannendste Live-Kino ihres Lebens. Schliesslich war in diesem Stadtteil selten etwas los, was mit der Polizei zu tun hatte. Es war weder ein reiches Bonzen-Viertel, in dem ständig eingebrochen wurde, noch ein halbes Ghetto, in dem sich die Obdachlosen auf der Strasse um Essensreste prügelten. Es wohnten einfach ganz normale Leute hier, die allesamt ihre Ruhe haben wollten und sich nicht durch Reichtum zur Schau stellen mussten. Aber trotzdem hielte sie das wohl nicht davon ab, in aller Herrgottsfrühe aus dem Fenster zu glotzen, wenn mal etwas los war.

Unauffällig drückte ich mich näher an den Wagen ran, wobei ich versuchte, möglichst cool und lässig zu wirken. Die brauchten schliesslich nicht gleich zu checken, dass ich Schiss hatte. Wenn meine Eltern all das erfuhren, was ich mir in den letzten Monaten geleistet hatte, dann würden sie mich mit ziemlicher Sicherheit direkt in ein Erziehungsheim für Vollidioten stecken und meinen Schwestern für den Rest ihres Lebens verbieten, auch nur zu versuchen, mit mir Kontakt aufzunehmen.

Betont cool und gespielt gleichgültig verschränkte ich die Arme und glotzte allen dreien kurz abschätzig ins Gesicht. Alle wirkten irgendwie angespannt, was ich nicht so ganz nachvollziehen konnte. Die waren schliesslich in ziemlicher Überzahl hier, sodass es eigentlich kein Problem für sie sein sollte, mich fertigzumachen. Ausserdem war ich ja auch nicht gerade ein Schwerverbrecher.

››Was soll das?‹‹, schnauzte ich so genervt und angepisst, wie nur irgendwie möglich, wobei ich mich zusammenreissen musste, um ihnen nicht auch noch vor die Füsse zu spucken. Ein Bulle anfangs vierzig, der aussah, als hätte er sein ganzes bisheriges Leben nur in einem Büro verbracht und als hätte er auch sonst ein stinknormales 0815-Leben, trat einen Schritt auf mich zu und wagte es sogar, seine Pfote auf meine Schulter zu legen.

››Wir wollen dir nichts tun, wir sind nur hier, um was mit dir zu besprechen‹‹, sagte er in einem Tonfall, der mich wahrscheinlich hätte beruhigen sollen. Möglicherweise wäre der Typ, ich nenne ihn jetzt einfach mal Normalo, vielleicht ganz nett gewesen, aber die Tatsache, dass er und Dutzende weitere solcher Idioten in einer Polizeiuniform vor mir standen, beruhigte mich nicht gerade.

Energisch riss ich mich los und schlug seine Hand nicht gerade sanft weg. ››Was besprechen? Und nimm deine verdammten Pfoten da weg!‹‹, fauchte ich aggressiv, während meine Augen sich beinahe zu Röntgenstrahlen verwandelten. Niemand brauchte mich zu betatschen, schon gar nicht ein Bulle. Aber die anderen fanden es wohl nicht so amüsant, dass ich die Hand ihres Kollegen einfach weggeschlagen hatte. Einer drückte mich grob gegen das Auto und funkelte mich wütend an.

››Du brauchst hier nicht gleich ausfällig zu werden. Da du möglicherweise Beschuldigter einer Straftat bist, wirst du uns jetzt auf die Wache begleiten und zwar widerstandslos, ansonsten ziehen wir hier andere Saiten auf, ist das klar?‹‹ Wenig beeindruckt hob ich provozierend eine Augenbraue.

››Was für eine Straftat?‹‹, stellte ich mich dumm und starrte diesem alten Knacker wütend in die Augen. ››Das klären wir nicht hier, sondern auf der Wache. Los jetzt!‹‹ Grob schubste er mich vom Auto weg und packte meinen linken Unterarm. Natürlich sträubte und wehrte ich mich erstmal heftig. Was glaubten die eigentlich, wer sie waren? Aber es war zwecklos, sich alleine gegen drei Bullen zu wehren. Da ich schon lange kein Fitnessstudio mehr von innen gesehen hatte, war ich nicht gerade breit gebaut und klein war ich noch dazu.

Luca war ebenfalls aus dem Wagen gesprungen und versuchte, mir zu helfen, aber er wurde von zwei anderen Bullen zurückgehalten. Das Letzte, was ich von meinem besten Freund sah, war ein hilfloser und entschuldigender Blick. Wenn ich in diesem Moment gewusst hätte, für wie lange es das Letzte gewesen war, was ich von ihm zu Gesicht bekommen hatte, wäre ich wahrscheinlich auf der Stelle in Tränen ausgebrochen.

Aber stattdessen wurde ich erbarmungslos und trotz meiner lautstarken Proteste zu einem der vielen herumstehenden Streifenwagen geschleift. Mitten auf dem Weg dahin blieb ich jedoch so abrupt stehen und weigerte mich, auch nur einen Schritt weiterzugehen, dass ich förmlich spüren konnte, wie ich denen auf den Sack ging. Einer krallte seine dreckigen Finger schmerzhaft in meinen Arm und versuchte, mich mit aller Kraft weiter zu zerren und ein weiterer pflaumte mich stinksauer an, dass ich gefälligst weitergehen sollte, aber ich ignorierte sie alle beide. Etwas komplett anderes hatte meine gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Wie festgefroren stand ich da und starrte fassungslos über den Parkplatz zu den anderen Streifenwagen rüber. Ich glaubte, nicht mehr ganz dicht zu sein, als mir klar wurde, dass meine eigene Mutter da gerade von zwei Bullen gezwungen wurde, in einen Wagen einzusteigen und zwar alles andere als freiwillig.

››Mom!‹‹, schrie ich in einer Lautstärke, dass die Bullen um mich rum hoffentlich Ohrenschmerzen bekamen, zu ihr rüber. Als sie daraufhin den Kopf hob, zerriss es mir fast das Herz. Es war selbst aus dieser Entfernung zu erkennen, dass sie geweint hatte und in ihrem Gesicht lag ein Ausdruck reiner Panik. Das letzte Mal, als ich meine Mutter so verzweifelt und fertig gesehen hatte, war vor zwei Jahren gewesen, als das mit Enrique passiert war. Seitdem hatte sie zwar oft geweint, aber mein Vater hatte sie jedes Mal getröstet. Aber jetzt war er nicht da, nicht mal sein Auto stand an seinem gewohnten Platz. Wahrscheinlich gondelte er mal wieder durch die Innenstadt, um auf andere Gedanken zu kommen.

Obwohl ich nicht gerade das allerbeste Verhältnis zu meinem Dad hatte, waren wir uns in dieser Hinsicht ziemlich ähnlich. Wir liefen beide immer vor Problemen weg, während sich meine Mutter und meine Schwestern damit auseinandersetzten. Aber jetzt konnte ich nicht weglaufen und ich konnte es auch nicht ertragen, meine Mutter weinen zu sehen. Das hatte ich in den letzten paar Monaten schliesslich oft genug mitbekommen.

Ich konnte regelrecht spüren, wie die Wut in mir aufstieg. Niemand hatte das Recht, meine Mutter auch nur anzufassen und schon gar nicht, sie zum Weinen zu bringen. Stinksauer fauchte ich die Bullen um mich herum an und durchbohrte sie dabei mit meinem allerbesten Killerblick. ››Was soll die Scheisse ihr verfickten Hurensöhne?‹‹ Für einen winzigen Moment schienen sie überrascht zu sein und genau diesen Moment machte ich mir zu Nutzen. Mit einem Ruck versuchte ich, mich loszureissen, was mir sogar halbwegs gelang. Zumindest für einen kurzen Augenblick bekam ich meinen linken Arm frei. Es brachte aber nicht sonderlich viel, denn im nächsten Moment packte mich ein anderer Bulle und verdrehte mir schmerzhaft den Arm hinter dem Rücken.

››Lass das Theater und komm einfach mit!‹‹, schnauzte er mich an. Natürlich hätte ich diesem Arschloch am liebsten zwischen die Beine getreten und ihm ins Gesicht gespuckt, aber ich war in diesem Moment so verwirrt und checkte rein gar nichts mehr, dass ich nicht dazu in der Lage war. Ausserdem war mir mehr als klar, dass ich sowieso keine Chance hatte und mein Arm tat jetzt schon so verdammt weh, dass ich mich nicht traute, mich noch mehr zu wehren.

Ich wusste nicht, wie mir geschah, aber irgendwann hockte ich plötzlich in einem Polizeiwagen. Bei jeder Scheisse, die ich bis jetzt gebaut hatte, hatte ich immer darüber nachgedacht, dass dieser Moment irgendwann mal kommen würde. Natürlich hatte ich Schiss davor, angezeigt zu werden, aber in diesem Augenblick machte ich mir wenig Gedanken darum. Viel mehr kreisten meine Gedanken um meine Mutter. Sie hatte schliesslich überhaupt nichts mit meinen kriminellen Nebenbeschäftigungen zu tun, warum zum Teufel hatte sie also in diesen verdammten Wagen steigen müssen und noch dazu geweint?

Verwirrt und stinkwütend zugleich liess ich meinen Blick durchs Wageninnere schweifen. Ich hatte mir immer vorgestellt, das Bullenwagen top ausgerüstet waren mit Kameras und all solchem Zeug, aber eigentlich sah es aus wie ein stinknormales Auto. Nur die verdunkelten Scheiben erinnerten einem daran, in was für einer beschissenen Situation man sich gerade befand. Auch die ganzen Bullen, die um den Wagen herumlungerten, beruhigten mich nicht gerade. Ängstlich starrte ich durch die verdunkelte Scheibe und liess meinen Blick suchend umherschweifen. Meine Mutter war nirgends mehr zu sehen und auch Luca konnte ich nirgends ausmachen. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass mich Cathy und meine Mutter vorhin wahrscheinlich angerufen hatten, weil die Bullen hier aufgetaucht waren, aber ich verstand noch immer nicht, was das sollte.

Erschrocken zuckte ich zusammen, als plötzlich die Wagentür wieder aufgerissen wurde. Es war der Bulle, der mich vorhin so grob am Arm gepackt hatte, der sich jetzt demonstrativ gegen den Wagen lehnte und mich mit einem seltsamen Blick ansah. Unmerklich wich ich etwas weiter ins Wageninnere zurück, als er mich eine ganze Weile lang nur so dumm anstarrte, bevor er irgendwas sagte. Der Typ war echt irgendwie gruselig und die Tatsache, dass er eine Waffe, einen Schlagstock und all den ganzen Bullenkrempel besass, beruhigte mich auch nicht gerade.

››Wo ist dein Vater? ‹‹Die Frage klang beinahe so, als würde er mich direkt erschiessen, wenn ich nicht in der nächsten Sekunde eine sinnvolle Antwort raushaute. Aber ich liess mich nicht von einem solchen Vollidioten einschüchtern. Provozierend hob ich eine Augenbraue. Der Typ sollte ruhig merken, dass ich nicht gerade viel von ihm hielte. ››Warum sollte ich euch das sagen, wenn ihr mir nicht mal sagt, was die Scheisse hier soll und was ihr mit meiner Mutter gemacht habt?‹‹, gab ich so patzig wie nur möglich zurück. Ich sah ihm an, dass er mir am liebsten eine reingehauen hätte und sich innerlich verdammt zusammenreissen musste, um es nicht zu tun. Selbst seine Kollegen schienen dies zu checken. Schnell schob sich dieser Typ, den ich vorhin als Normalo bezeichnet hatte dazwischen und ich konnte genau hören, wie er dem anderen, ››lass mich das machen, Philipp‹‹, zuraunte. Aha, Philipp hiess dieser Volltrottel also.

Ich versuchte, möglichst genervt und gelangweilt auszusehen, als sich dieser andere Typ halbwegs zu mir in den Wagen reinbeugte. Er sah zwar um einiges netter aus als der andere, aber trotzdem traute ich denen nicht. Ausserdem sollten die ruhig zu spüren bekommen, dass ich ziemlich angepisst darüber war, dass sie mir gerade den Abend oder besser gesagt die Nacht versaut hatten.

››Wir tun gar nichts mit deiner Mutter und das einzige, was wir wissen müssen, ist, wo dein Vater steckt.‹‹ Er legte eine Kunstpause ein und sah mich dabei prüfend an. Ich behielte jedoch einfach mein Pokerface und ging nicht darauf ein. Einerseits, weil ich Menschen, die Kunstpausen machten, um die Angespanntheit ins Unermessliche zu treiben, einfach grundsätzlich hasste, andererseits, weil ich ziemlich überrascht war, dass die anscheinend etwas von meinem Dad wollten.

››Falls du weisst, wo sich dein Vater gerade aufhält, ist es verdammt wichtig, dass du uns das sagst‹‹, fuhr er schliesslich in ruhigem Tonfall fort. Aber wer die Hoffnung hatte, dass man aus mir etwas rausbekam, vor allem, wenn man ein Bulle war, dem war echt nicht mehr zu helfen. ››Warum?‹‹, knurrte ich deshalb nur angepisst zurück. Ich konnte genau sehen, wie sich dieser Philipp im Hintergrund zusammenreissen musste und genoss es, ihm etwas auf den Nerven rumreiten zu können. Normalo liess sich jedoch nichts anmerken und sah mich nur eindringlich an.

››Das kann ich dir jetzt nicht genau erklären, das würde zu lange dauern. Ich kann dir nur sagen, dass wir deinen Vater auf der Stelle finden müssen.‹‹

Absichtlich schwieg ich eine Weile und tat so, als würde ich nachdenken, obwohl ich ganz genau wusste, dass sich Dad irgendwo in der Innenstadt rumtrieb. ››Ich hab keine Ahnung, wo er ist‹‹, stiess ich schliesslich nach einer halben Minute hervor und fügte in Gedanken noch ein „und selbst wenn ich es wüsste, würde ich es euch Arschlöchern nie im Leben sagen" hinzu.

Ich hatte kein Problem damit, zu lügen und wurde weder rot, noch musste ich mir ein Grinsen verkneifen. Ich hatte schon so oft in meinem Leben Leute angelogen, insbesondere meine Eltern, dass es inzwischen fast sowas wie eine Routine geworden war. Ich blinzelte kein einziges Mal, als ich spürte, wie ich von allen Seiten prüfende Blicke zugeworfen bekam und blieb vollkommen cool. Deshalb kauften sie es mir wohl auch direkt ab und bohrten nicht weiter nach.

››Gut dann fahren wir jetzt zur Wache und klären alles Weitere da‹‹, gab Normalo schliesslich auf und liess sich gleichzeitig neben mich auf den Rücksitz fallen. Ruckartig rutschte ich ein ganzes Stück rüber, um etwas Abstand zu schaffen. Der Typ brauchte ja nicht direkt so nah an mich ran zu rücken, dass er mich berührte. Er hatte meine Reaktion sehr wohl bemerkt, sagte jedoch nichts dazu. Stattdessen meinte er in barschem Tonfall: ››Schnall dich an!‹‹

Zögerlich tat ich schliesslich, was mir befohlen worden war. Irgendwie hatte ich so ein Gefühl in mir, dass es nichts bringen würde und nicht sehr sinnvoll war, die weiterhin zu beleidigen oder zu provozieren. Die waren schliesslich in der Überzahl und ausserdem hatten sie meine Mutter und ganz bestimmt auch meine Schwestern. Zudem hatte ich keinen blassen Schimmer, was die wirklich von mir und meiner Familie wollten und es wäre ja blöd gewesen, wenn mir irgendwas Dummes rausgerutscht wäre, was ich im Nachhinein bereut hätte.

Deshalb entschied ich, dass es wohl besser war, einfach die Klappe zu halten. Also schwieg ich einfach eisern, als sich dieser Philipp auf den Beifahrersitz pflanzte und sich irgendein anderer alter Knacker hinters Steuer setzte und den Motor anwarf. Suchend liess ich meinen Blick nochmals über den Parkplatz schweifen, in der Hoffnung, Luca oder irgendjemanden aus meiner Familie zu Gesicht zu bekommen, aber das einzige, was ich sah, waren verfluchte Blaulichter. Die anderen Streifenwagen schienen wohl ebenfalls gerade im Begriff zu sein, loszufahren. In irgendeinem dieser Fahrzeuge musste meine Mutter sein, die wohl ebenfalls keinen Plan hatte, was hier gerade abging.

Innerlich seufzend kniff ich kurz die Augen zusammen und versuchte zu begreifen, was gerade passiert war. Aber ich raffte rein gar nichts. Weder, warum ich nun mit einem Mal in einem Polizeiauto und nicht mehr neben Luca in diesem aufgemotzten Wagen der Studenten sass, noch, was die von meiner Mutter wollten und schon gar nicht, warum die mich nach meinem Vater gefragt hatten.

Unauffällig musterte ich die drei Bullen alle abschätzend von der Seite, während der Alte hinter dem Steuer den Wagen vom Parkplatz lenkte. Keiner von denen schien besonders nett auszusehen, weshalb ich mir sicher war, dass ich von denen keine besonders hilfreiche Antwort erwarten konnte, wenn ich nochmals fragte, was das sollte. Ausserdem ignorierten sie mich alle während der ganzen Fahrt und redeten kein Wort. Nur ab und zu kassierte ich misstrauische Blicke im Rückspiegel.

Während ich mir den Kopf darüber zerbrach, was für eine Straftat die wohl vorhin gemeint hatten, lenkte der alte Bulle den Wagen unbeirrt durch die Stadt. Obwohl ich keine Ahnung hatte, was mich nun erwartete, war ich unendlich froh, als er endlich vor einer Polizeiwache, die mir vom Sehen her halbwegs bekannt vorkam, hielte. Diese grauenhafte Stille und diese elenden, misstrauischen Blicke waren einfach nicht mehr auszuhalten.

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