♛Chicago Kings♛ - Du gehörst...

By ChicagoQueens

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WARNUNG : Diese Geschichte enthält Schimpfwörter, Gewalt und sexuelle Handlungen. Werdet Teil der Chicago K... More

Prolog
Dark Secret
Mr Darcy
Never Trust
Bad Blood
Split
Soul
Party People
Diffuse
Dusk till Dawn
First Time
Wicked Game
Gods and Monsters
The Boy Who Murdered Love
Pain is never ending
Falling
Ugly Truth
Breathe
Deal or no Deal?
Lion
Freedom
I Am a Machine
Broken Heart
Prüfungen
Falling apart
Stronger than I was
Identität
Rise before you fall
I Was Here
Chicago Kings Teil II

Alone

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By ChicagoQueens

❛❛i'm lonely.❜❜

[AVA]

Isolation.

Die effektivste Folter die man einsetzen kann um den Willen eines Menschen zu brechen. Und genau das versucht Liam bei mir, will damit meinen Willen, den freien Willen eines freiheitsliebenden Menschen wie mich, zu brechen. Doch auch nach all den Tagen ohne jemand den ich abgesehen von James gesehen habe, ist mein Wille da. Aber er schrumpft mit jeder Minute, wird kleiner und kleiner und ich habe Angst was passiert, wenn nichts mehr davon übrig ist. Fürchte mich vor dem Tag an dem Liam das bekommt was er schon immer wollte. Die Schwester die ihm hörig ist, die alles für ihn macht. Sich selbst aufgibt und nur für die Familie, deren Hände alle blutig sind, lebt. So wie Ava.

Ich starre aus dem Fenster, blicke in die Ferne und hänge meinen Gedanken nach. Wie immer in der letzten Zeit, was soll ich auch schon anderes tun. Die Fesseln wurden mir vor einem Tag endlich abgenommen, doch die Male, die sie an meinen Handgelenken hinterlassen haben, sind noch deutlich zu sehen. Unbewusst streiche ich immer wieder darüber, spüre das leichte Brennen das nur schwer in meinen Verstand sickert und schliesse für einen Moment die Augen. Stelle mir vor wie es wäre, wenn ich tot wäre, oder abhauen könnte. Das ich den Tod als erste Option ansehe, verdeutlicht wie effektiv diese Methode der Folter ist. Auch wenn es bei mir sehr lange dauerte bis sie anfing Wirkung zu zeigen.

Denn die erste Woche war ich fest entschlossen, dass ich das überstehen würde. Unbeschadet versteht sich. Auch in der zweiten Woche war ich mir sicher, doch ich fing bereits an zu zweifeln und dann ab Woche drei, ging es stetig bergab. Ich musste James krankhafte Vorstellung von Fürsorge über mich ergehen lassen, hörte sein kryptisches Geschwafel und irgendwann war ich froh über seine Besuche. Denn so konnte ich wenigstens mit jemandem reden der anwesend war. Denn nach einiger Zeit fängt man an Selbstgespräche zu führen, egal über was. Ob es über das Wetter, die Pflanzen draussen im Garten, oder das Essen ist. Man hält an allem fest, dass man zu fassen kriegt, also führt man auch Gespräche mit sich selbst. Das ich mir noch keine imaginären Freunde ausgedacht habe gleicht an ein Wunder, doch das kann sich immer noch ändern.

Denn Liam wird mich nicht so schnell aus den Augen lassen, nicht bevor ich mich endlich meiner Bestimmung, wie er es immer nennt, gebeugt habe. Doch, dass ich mit nichts von all dem zu tun haben wollte, hat er immer noch nicht gecheckt. Was die eigentliche Tragödie ist. Wie kann man so blind sein? Die Antwort liegt auf der Hand, Liam ist die Macht zu Kopf gestiegen. Hat in seinem dunklen Herzen ein Feuer entzündet das nur schwer zu stillen ist. Der Machthunger, die Gier nach noch mehr Geld, Ruhm und Anerkennung hat dazu geführt, dass er ein Eisklotz wurde. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er überhaupt je Gefühle hatte, oder ob er schon mit einem Herz aus Beton geboren wurde. Doch eines ist sicher, er wird nicht eher Ruhe geben bis er hat was er wollte. Mich. In all meinen Facetten, egal ob gut oder schlecht. Das ist ihm egal, Hauptsache er kann seinen Willen durchsetzen.

Die Tür geht auf und ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen wer es ist, denn mittlerweile kann ich James Schritte erkennen. Denn sie hören sich zwar schwer an, doch man weiss nie wann er neben einem auftaucht. Es ist als wäre er ein Geist, den man nicht zu fassen kriegt, egal wie schnell man ist. James ist immer schneller. Ich spüre ihn hinter mir stehen, wahrscheinlich riecht er gerade wie ein Perversling an meinem Haar und würde sich am liebsten dazu befingern. Was mir egal wäre, soll er doch machen was er will. "Einen Penny für Ihre Gedanken, Miss", flüstert er an mein Ohr. Ich zucke nicht einmal mehr zusammen, starre stur geradeaus und betrachte die untergehende Sonne und wünschte mir, dass sie mich verbrennen würde, bis nur noch Staub von mir übrig wäre. Alles wäre besser, als dieses Leben in den Schatten. Als jämmerliche Kreatur, die für etwas bestraft wird was nicht einmal in ihrer Hand liegt.

"Sie sind so still, Miss. Ich vermisse Ihre Stimme, sie klang immer so glockenhell. Wie Musik in meinen Ohren", säuselt er weiter. Doch ich ignoriere ihn, ziehe mich an einen Ort zurück den niemand ausser mir kennt. Wenigstens das kann mir niemand nehmen, denn dieser geheime Ort gehört nur mir. Ich spüre seine Hand auf meiner Schulter, seine Finger zucken eigenwillig als sie sich um meinen Hals schliessen. Doch sie fühlen sich eiskalt an, als wäre er bereits seit Jahrhunderten tot und wandelt nur auf dieser Erde, weil er einen Packt mit dem Teufel eingegangen ist. Der für ewiges Leben seine Seele verkauft hat, und doch den Hauch des Todes in sich trägt.

"Vielleicht wollen Sie sich ja heute einmal etwas amüsieren. Es gibt einen Ball, Sie wissen doch wie gerne er Feste feiert. Und dieser Ball ist etwas ganz besonderes, denn er ist für Sie, Miss", endet er und regt zum ersten Mal meine Neugier. Doch ich will es nicht zeigen, also bewege ich mich nicht und tue so, als ob ich ihn weiterhin ignoriere. Aber in meinem Innern beginnt es zu arbeiten, denn nach all den Tagen ohne jemanden zu sehen, ist das ein riesiger Schritt und ich frage mich, was Liam damit bezwecken möchte. Denn er würde nie etwas ohne Hintergedanken tun und das ist immer der Haken.

"Er hat mich beauftragt ein Kleid für Sie zu besorgen. Ich musste nicht lange suchen, denn für ein Juwel wie Sie, meine süsse, kleine Mia, kommt nur das Beste in frage. Es ist etwas ganz besonderes und wird jedem ins Auge stechen. Auch solchen die Sie nicht einmal ansehen dürften, doch an diesem Abend werden wir alle gleich sein." Wieder so rätselhaft, aber dieses Mal schenke ich seinen Worten keine Beachtung, denn noch immer kreisen meine Gedanken um den Ball auf den ich gehen soll. Doch bin ich dafür bereit? In Liams Augen schon, obwohl ich mir das nicht vorstellen kann. Aber nun gut, ich werde es vielleicht herausfinden.

"Es wird gleich jemand kommen, der Sie frisieren wird. Ich hole Sie dann um viertel vor acht ab." Damit verschwindet James wieder und erst als die Tür ins Schloss fällt, drehe ich mich um und kann nicht fassen was gerade passiert ist. Ich stehe auf und durchquere den Raum, der mir in den letzten Tagen immer vertrauter wurde. Und doch hat er nicht von seinem Gefängnischarme verloren, im Gegenteil mit jeder Stunde die ich hier drinnen verbringen muss, fühlt sich der Raum kleiner und kleiner an. Obwohl er beinahe dreissig Quadratmeter beträgt.

Wie James gesagt hat, betritt irgendwann eine Frau das Zimmer. Sie hat rotblondes Haar und funkelnde grüne Augen und erinnert mich an diese Val die eine Freundin von Devon ist. Und obwohl ich in den letzten Wochen genug Zeit hatte über all das nach zu denken was passiert ist, habe ich nur selten an Devon gedacht. Denn wenn meine Gedanken mal zu ihm wanderten, stieg die Wut in mir hoch und liess mein Blut kochen. Und so ist es auch jetzt, doch diese Frau ist nicht Val und hat auch nichts mit Devon zu tun, also schlucke ich meine Wut hinunter und setze mich auf den Stuhl. Lasse mich von ihr stylen und zum ersten Mal seitdem ich hier bin, sehe ich wieder aus wie ein Mensch. Nicht wie ein Schatten meiner selbst, sondern wieder wie die Ava die ich mal war. Auch wenn ich sie niemals ersetzen könnte, so bin ich einen Teil von ihr geworden und ich denke, dass sie das gewollt hätte.

Meine Augen funkeln wieder, haben ihren Glanz etwas zurück. Doch sie wirken noch grösser als vorher, was wohl daran liegt das ich abgenommen habe. Denn wenn man immer alleine ist, dann ist nicht einmal das Essen dein Freund. Im Gegenteil man verspürt irgendwann keinen Hunger mehr und das ist die eigentliche Gefahr. Meine Wangen wirken sogar etwas rosig, was aber an dem Rouge liegt, das die Frau dezent aufgetragen hat. In der ganzen Zeit hat sie nicht viel mit mir geredet. Wahrscheinlich wurde sie von Liam fürs Schweigen bezahlt, was sehr gut möglich wäre. Doch was hätte ich mit ihr reden sollen? Sie hätte doch nichts unternehmen können, also blieb ich ebenfalls stumm. Und jetzt stehe ich in diesem roten Kleid und erkenne mich kaum wieder.

Erneut habe ich eine neue Person erschaffen, doch diese ist weder Mia noch Ava. Sie ist die Person die Liam ganz nach seinen Vorstellungen geformt hat. Doch tief, tief in meinem Herzen bin ich noch immer das Mädchen das ich einmal war. Es wurde nur vergraben und liegt in einer dunklen Höhle, wartet darauf, dass man sie herausholt. Aber wann das sein wird, weiss niemand. Nicht einmal der liebe Gott im Himmel.

Nachdem die Frau gegangen ist, bin ich ganz allein im Zimmer. Noch immer stehe ich vor dem Spiegel und betrachte mich. Das Kleid ist aus einem feuerroten Satinstoff und sieht einfach umwerfend aus. Und irgendwie ist es auch verdammt eklig, dass James einen so guten Geschmack hat. Wie hat er mich noch genannt? Ein Juwel. So sehen mich viele, als einen Besitz den sie präsentieren wollen. Dazu wird auch dieser Ball dienen. Liam will mich wie eine Trophäe auf dem Silbertablett präsentieren, als wäre ich etwas auf das er stolz ist. Doch dem ist nicht so, Liam treibt die Gier nach Macht an und da ist ihm jedes Mittel recht, um diese zu festigen.

Wenn ich mich so ansehe, sehe ich nicht mich in diesem Spiegel sondern sie. Die Person deren Name ich angenommen habe, um mich vor meiner Familie zu schützen. Anfangs fühlte es sich nicht richtig an, immerhin war ich auch nicht die für die ich mich ausgegeben habe. Doch mit der Zeit wurde sie ein Teil von mir und ich hatte sie so näher bei mir. Ich hatte das Gefühl ihr so nahe wie noch nie zu sein, als wäre sie nicht tot, sondern in meinem Herzen. Und das für immer. Doch sie ist tot, und das kann ich nicht ändern, auch wenn ich es mir so oft gewünscht hätte. Es gab Zeiten da hätte ich mein Leben für das ihre gegeben, nur um sie noch einmal sehen zu können. Doch ich habe nie den Weg, der mir zur Hölle führen würde, gefunden.

Als die Tür geöffnet wird und ich James blasses Gesicht erblicke, wird mir speiübel. Ich atme instinktiv langsamer, und als er mir seine Hand hinstreckt, ergreife ich sie zögerlich. Sie schliesst sich um mich, als würde er mich erwürgen wollen, und vielleicht würde er das am liebsten auch. Doch er würde dann das Objekt seiner Begierde verlieren und das will dieser kranke Mann auch nicht, also bleibe ich am Leben. Was für ein Glück. Ausserdem würde Liam das nie zulassen, ehe würde James lebloser Körper irgendwo in einer Gasse liegen, wo die Ratten an seiner kalten Haut nagen würden, als das er mir ein Haar krümmen könnte. Wortlos führt er mich aus dem Zimmer und als wir das Haus verlassen, möchte ich am liebsten stehen bleiben und die frische Luft einatmen. Doch James Schritte lassen keinen Widerspruch zu und sind beinahe doppelt so gross wie meine.

Er hält mir die Tür des Wagens auf, als wäre er ein Gentleman und kein mörderischer Typ mit einem krankhaften Ausdruck in den Augen. Als ich mich gesetzt habe, wird die Tür geschlossen und James setzt sich nach vorne. Während der Fahrer den Motor startet, spüre ich James Blick auf mir ruhen. Und als ich den Kopf hebe, sehe ich wie er mich im Rückspiegel betrachtet. Angewidert wende ich den Blick ab und starre aus dem Fenster. Aus der getönten Scheibe zu schauen bringt nicht viel, lenkt aber von den stechenden Blicken, die mir James immer wieder zuwirft, ab. Die Fahrt dauert eine ganze Weile, wobei ich mir denke das der Fahrer von Liam beauftragt wurde einige Kilometer zu viel zu machen, damit ich mir nicht ausrechnen kann, wo ich mich befinde.

Als wir halten, wechselt James leise Worte mit dem Fahrer. Dieser nickt nur und als James aussteigt, versuche ich die aufsteigende Panik in mir zu drosseln. Doch das klappt nicht so wie ich mir das vorgestellt habe. Und dann öffnet er auch schon meine Tür und hilft mir aus der langen, schwarzen Limousine raus. Er betrachtet mich mit seinem gierigen Blick, als möchte er mich am liebsten mit Haut und Haaren verschlingen. „Die werden Sie brauchen, Miss", meint er und zaubert eine rote Maske hervor. Sie ist mit zahlreichen kleinen Brillianten verziert und wunderschön bestickt worden. Die goldenen Ornamente wurden mit Sicherheit von Hand darauf gemacht, und Handarbeit hat nun mal seinen Preis.

Er umkreist mich und bindet sie mir anschliessend am Hinterkopf fest, dabei verharren seine Finger einen Ticken zu lange auf meinem Nacken. Der unter seiner Berührung eine Gänsehaut bekommt, aber nicht, weil mich das so anmacht, sondern, weil es die Panik weiterschürt. Ich schlucke und laufe an seiner Seite die grosse, weisse Steintreppe hoch. Der Himmel über uns ist schwarz, hie und da kann ich einige Sterne funkeln sehen, doch durch die vielen Wolken sind die meisten verdeckt. Der Mann im grünen Livree begrüsst und wünscht uns einen schönen Abend. Ich würde ihm am liebsten ins Gesicht spucken, denn für mich ist dieser Abend weder schön, noch amüsant. Doch dafür kann er ja nichts, als schlucke ich erneut meine Wut hinunter und folge James ins Innere der Villa.

Und als ich den grossen Ballsaal betrete, bleibe ich wie angewurzelt stehen. Denn dieser Raum ist der, in dem ich von Em oder besser gesagt Angel vor Andree auf die Knie gezwungen wurde. Wieso gerade hier? Doch ich kann Liam nicht sehen, also kann ich ihn auch nicht danach fragen. Dafür sind hunderte anderer Personen da, die ich nicht kenne. Und alle tragen Masken, die einen aufwendiger gefertigt, die anderen etwas schlichter. Doch alle sehen teuer aus und das bedeutet, dass sie alle Geld besitzen und damit auch Macht, die sich mit ihrer Kohle erkauft haben. Mir wird schlecht, als ich mich durch die vielen Frauen in ihren pompösen Kleidern drängen muss. Und zum ersten Mal bin ich für James Anwesenheit dankbar.

Ich klammere mich an mein Champagnerglas, das ich von einem Kellner serviert bekommen habe, als wäre das mein Rettungsanker. Nach all den Tagen ohne Kontakt zu anderen Menschen, fühle ich mich, als wäre ich keine mehr von ihnen, sondern ein verscheuchtes Reh das man auf der Treibjagd durch den gesamten Wald gehetzt und nun in die Ecke gedrängt hat. Der Scheinwerfer ist auf mich gerichtet, und alle starren mich an.

Auch wenn ich weiss, dass mich wahrscheinlich nur vereinzelt ein paar Leute anstarren, so kann ich dieses beklemmende Gefühl nicht abschütteln. Es führt dazu, dass ich immer schwerer Luft bekomme, und am liebsten wie ein Hund hecheln würde. Doch für das fehlt mir die Kraft, meine Beine fühlen sich wie Wackelpudding an und mein Herz schlägt so stark gegen meine Brust, dass ich Angst habe, das es vor die Füsse der anwesenden Gäste springt und sie darauf herumtrampeln. Als wäre es bloss ein aus Versehen fallen gelassenes Taschentuch, das keine Bedeutung hat. Doch ich bin ein Mensch, dachte ich zumindest. Aber heute fühle mich wie ein Marienkäfer den man in ein Glas gesteckt hat und jetzt mit Genugtuung beobachtet wie er verzweifelt einen Weg nach draussen sucht.

Immer wieder kommen Leute, wollen mit mir reden. Doch ich kann mich nur schwer auf die einzelnen Gespräche konzentrieren, die die anderen mit mir führen. Ich starre die meiste Zeit in die Ferne, nicke einige Male und vermeide so gut es geht jeglichen Augenkontakt. Ohne James, der die ganze Zeit neben mir steht, würde ich wohl bereits vor Panik ohnmächtig geworden sein. Denn er vermittelt immer wieder, wenn die anderen das Interesse an mir verloren haben. Irgendwann starre ich nur noch auf den Boden, ziehe mich an meinen Ort zurück und als ich mich dann doch umdrehe, erkenne ich voller Angst, dass er nicht neben mir steht. Ich schaue mich nach James um, doch ich kann ihn in diesem Gewusel nicht erkennen. Ich laufe mal in die eine, mal in die andere Richtung, in der Hoffnung ihn wieder zu sehen und den Leuten so gut es geht aus dem Weg zu gehen. Doch als ich mich umdrehe, erstarre ich plötzlich. Denn vor mir sticht eine Gestalt aus der Menge heraus, die mein Herz zwar schneller schlagen lässt und die Wut in mir hoch steigen lässt.

Sein Blick wandert durch die Menge und als er mich entdeckt, kommt er mit entschlossenen Schritten auf mich zu. Als er vor mir stehen bleibt, weiche ich automatisch einen Schritt nach hinten, doch er kommt instinktiv näher. „Ava", flüstert er. Ich weiss nicht wie ich mich verhalten soll, oder was ich sagen soll. Als hätte ich in den letzten Wochen meine Stimme verloren. Ich zucke zusammen, als ich denke, dass er die Hand nach mir ausstrecken möchte. Doch das tut er nicht, was mich beruhigt. Noch immer hält mich die Panik gefangen, doch die Wut ersetzt Stück für Stück das eiskalte Gefühl der Angst. Und das bringt mich dazu endlich etwas zu sagen, auch wenn es ihn nicht erfreuen wird.

„Devon. Was willst du hier?" Ich schaue in sein Gesicht, es sieht noch genauso aus wie ich es in Erinnerung hatte. Doch irgendwie habe ich das Gefühl das auch er in den letzten Wochen ein anderer geworden ist, als hätte uns die Zeit beide zu anderen Menschen werden lassen. Ob gut oder schlecht sei dahin gestellt, doch es ist nicht von der Hand zu weisen. „Was ich hier mache?", fragt er beinahe überrascht. Er lacht freudlos auf, fährt sich mit der Hand durch sein Haar und will auf mich zu kommen, doch ich weiche wieder zurück. Will nicht, dass er mich anfasst. „Verdammt Ava, sieh mich gefälligst an", knurrt er gepresst und sieht mich mit einem wölfischen Blick an. Der mich an all das denken lässt, was zwischen uns gewesen ist. An all die schönen, aber auch traurigen und verletzenden Momente die es gegeben hat. Und das fühlt sich noch schlimmer an, als die Isolation.

Plötzlich tauchen zwei Gorillas auf, mit Sicherheit sind sie meinem Bruder unterstellt. „Was soll das?", fragt Devon lauter. Einige Gäste drehen sich überrascht herum und beobachten die Szene gespannt, andere wiederum scheinen nichts davon mitzubekommen. „Wir haben Anweisungen Sie in einen separaten Raum zu führen, Mister Hayes", meint der eine Gorilla und packt Devon am rechten Arm. Dieser fängt sich an zu wehren, doch gegen die zwei Muskelpakete hätte er keine Chance. Devon ist abgelenkt und als ich hinter mir eine Person spüre, atme ich beinahe erleichtert aus. Denn es ist James der mich sanft aber bestimmt am Arm packt und mich von der ganzen Situation entfernt. Ich weiss, dass Devon mir folgen würde, und bin über die Gorillas meines Bruders froh, denn so muss ich ihn nicht noch länger ertragen.

„Danke James", sage ich und bin selbst darüber überrascht. Doch er lächelt nur wahnhaft und meint, dass er mich wie seinen Augapfel behütet. Was in mir die Übelkeit wieder aufsteigen lässt und zum ersten Mal an diesem Abend nippe ich an meinem Champagnerglas. Der bereits lauwarm geworden ist und grauenhaft schmeckt, sodass ich angewidert das Gesicht verziehe und das Glas irgendwo hinstelle und mich an die Wand lehne, um mich etwas zu beruhigen. Hier in einem Seitenflur sind nicht gar so viele Gäste, sodass ich mich nicht wie in einer Sardinenbüchse fühle. „Ich werde Ihnen ein Glas Wasser holen", meint James, als er mich eingehend gemustert hat. „Sie sehen sehr blass aus, Miss, dann wird es Ihnen sicher besser gehen." Bevor ich auch nur etwas sagen kann, ist er auch schon verschwunden.

Jetzt da ich alleine bin, habe ich auch Zeit meine Gedanken etwas zu sortieren. Das Devon auftaucht, hätte ich nie gedacht. Doch jetzt da ich ihn wieder gesehen habe, seine Stimme gehört habe, da gerät all das was ich in den letzten Tagen für ihn empfunden habe ins Wanken. Nicht nur, dass er verletzt ausgesehen hat, als ich ihn so angefahren habe, sondern auch die Gorillas, die mein Bruder geschickt hat, lassen mich nicht mehr los und ich beginne mich um Devon zu sorgen. Denn wenn Liam einen geradewegs abführen lässt, dann hat das nichts Gutes zu bedeuten. Im Gegenteil, es steht verdammt schlecht um ihn und das, lässt auch mich nicht kalt.

Die nagenden Gedanken und die Sorgen die ich mir um Devon mache, lassen mich wieder zurück ins Getümmel gehen. Wo ich mich an den Alkohol halte, ein Glas nach dem anderen leere ich in einem Zug und nach meinem sechsten, oder vielleicht auch achten Champagnerglas, spüre ich endlich dieses angenehm dumpfe Gefühl in meinem Kopf. Als würde ich auf Zuckerwatte oder rohen Eiern laufen, was eine schöne Abwechslung ist. Doch es macht mich auch schwerfällig und so suche ich mir einen etwas ruhigeren Ort, wo ich mich an die Wand lehne und ein und aus atme, um gegen die aufsteigende Übelkeit anzukämpfen. Ich schliesse die Augen und atme tief ein und wieder aus. Ein und aus.

„Welch schöner Anblick. Ein ganz hübsches Exemplar", höre ich auf einmal eine samtweiche Stimme. Ich öffne die Augen und sehe einen grossen Mann vor mir, er wird etwas in die Breite gezogen und wird danach ziemlich schmal. Was sicherlich nur am Alkohol liegt, denn so sehen Menschen normalerweise nicht aus. Was mich zum Lächeln bringt, der Mann erwidert es und kommt auf mich zu. Schnell und unheimlich elegant, so kommt es mir wenigstens vor. Er streckt seine Hand nach mir aus, berührt mich mit seinem Daumen meine Wange und fährt danach über meine Unterlippe. Ich will den Kopf wegdrehen, doch er hat schon seine Hand über mir an der Wand abgestützt und kommt mit seinem Kopf dem meinem gefährlich nahe. „Was soll das? Hm? Du gehörst mir kleines Vögelchen", sein Atem riecht nach Alkohol und nach etwas, dass ich nicht benennen kann. Etwas, was meine Übelkeit noch verstärkt und mich nach Luft schnappen lässt. Doch der Typ hat mit der anderen Hand mein Gesicht umfasst und sieht mich mit teuflischen Augen an. „Na, na. Ich weiss wer du bist, deinen Namen kenne ich zwar nicht, aber das braucht es auch für das nicht, was ich mit dir vorhabe. Und ich bin mir sicher, dass es dir genauso gefallen wird wie mir."

Ich will weg von hier, will ihn von mir stossen, doch sein Griff ist viel zu fest und, dass er mich mit seinem Gewicht an die Wand nagelt, lässt es nicht zu mich zu bewegen. Ich schliesse die Augen, stosse ein Wimmern aus, als er die Hand unter mein Kleid schiebt und mich an meinem Schenkel streichelt. Die Galle steigt mir die Kehle hoch und brennt höllisch. Verätzt meine Speiseröhre bis nur noch Fetzen von ihr übrig sind. „Dein Bruder hat sich sehr viele Feinde gemacht, und Vögelchen wie du müssen dafür bezahlen. Denn nur so kann ich ihn treffen, nur wenn ich seine bezaubernde Schwester ficke, versetze ich ihm einen Schlag, der ihn noch eine Weile beschäftigen wird."

Wieder wimmere ich auf, will schreien. Doch ich bin wie gelähmt, der Alkohol der sich durch meine Adern kämpft, macht mich handlungsunfähig und verdammt mich dazu, mich von diesem Ekelpaket schänden zu lassen. Ich presse die Schenkel zusammen, doch er ist stärker und drängt sie mit einem grauenhaften Lachen auseinander. Ich spüre wie sich mein Herz schmerzhaft zusammenzieht, als er seine Hand über meinen Bauch bis zu meiner Scham wandern lässt. Doch bevor er mich noch mehr anfassen kann, wird er in einem Ruck von mir weggezogen. Es passiert alles so plötzlich, dass ich Mühe habe alles mitzubekommen. Doch der grosse Mann, der vor mir steht und mich mit seinen treuen Augen ansieht, werde ich nie vergessen.

„Caleb", stosse ich schluchzend hervor. Er sieht mich einen Augenblick an, ehe er sich dem Typen zuwendet. Er verpasst ihm einige gezielte Hiebe ins Gesicht, weicht geschickt den Gegenangriffen meines Peinigers aus und holt zum finalen Schlag aus. Mit einem Stöhnen gleitet der Widerling zu Boden und Caleb schüttelt seine Hand aus, bevor er auf mich zu kommt und mich in seine starken Arme nimmt. „Oh Gott, es tut mir so leid, Ava. Ich wollte das alles nicht, dass musst du mir glauben. Die Folter hat mich mürbe gemacht, doch jetzt, jetzt weiss ich was tun muss. Und das ist dich zu retten."

Seine Worte sickern nur langsam in meinen Verstand, doch sie sind Balsam für meine geschundene Seele. Sie nehmen mir die ganze Last von den Schultern und spülen den Schmerz und die Einsamkeit der letzten Wochen weg. Ich weiss nicht wieso, doch ich kuschle mich in seine Arme und höre seinem Herzen zu, wie es schlägt. Kräftig und in einem gleichmässigen Rhythmus. Dem Klang der Freiheit zu lauschen fühlt sich beruhigend an und lässt mich in die seidigen Schwingen der Erschöpfung und der Ohnmacht hüllen. Das Letzte was ich höre ist, wie er meinen Namen flüstert und mir einen Kuss aufs Haar haucht. Danach umhüllt mich die Dunkelheit, bis mich jemand zurück ins Licht führt.

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Das war das Kapitel für diese Woche. Wir steuern mit riesigen Schritten auf das Ende des ersten Teiles zu. Noch etwa zehn Kapitel, dann wird es das dramatische Finale geben. Und mit einem phänomenalen Start mit dem zweiten Teil weitergehen.

eure ChicagoQueens


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