Mr Kingsley hatte geschäftlich in London zu tun, weshalb die Beiden gezwungen waren die Unterredung mit Lord Badford noch ein wenig hinaus zu schieben.
In der Zwischenzeit sahen die beiden frisch verliebten sich beinahe täglich. Kaum ein Tag verging ohne dass Mr Kingsley nicht bei der Familie versprach oder zum Dinner eingeladen war.
"Da steht meinem Schwager, Lord Badford wohl bald eine Hochzeit bevor" verkündigte Mrs McAlister eines Abends, als sie und ihr Ehemann sich zu Bett begaben.
Mr McAlister seufzte, "dass Mr Kingsley wahrhaftig ernsthafte Absichten verfolgt, werde ich erst glauben, wenn er unsere Sophie tatsächlich geheiratet hat."
Er war zornig. Wie konnte es sein, dass er der einzige war, der diesem Schurken kein einziges Wort glaubte. Nicht einmal seine Frau vermochte Mr Kingsleys Spiel zu durchschauen. Aber wie konnte sie auch? Schließlich wusste sie nichts von dem, was ihrer Tochter in derer ersten Saison zugestoßen war...
Resigniert klappte er sein Buch zu und blies behutsam, um kein Wachs zu verspritzen die Kerze aus.
Doch Mrs McAlister ließ nicht locker.
"Mr McAlister, eine Frau erkennt, wenn ein Mann verliebt ist. Und eins kann ich dir sagen, der junge Mr Kingsley ist bis über beide Ohren in Sophie verliebt."
"So so" brummte Mr McAlister, denn er hatte gelernt, dass es manchmal besser war seiner Frau nicht zu widersprechen. Besser vielleicht nicht unbedingt, aber mit Sicherheit friedlicher.
***
Wenige Tage später sollte sich auch die Meinung Mr McAlisters ändern, denn die Familie erhielt eine Einladung, zu einem gesellschaftlichen Ereignis der obersten Klasse...
"Eine Einladung zum Dinner mit anschließender Soiree" rief Mrs McAlister aufgeregt, nachdem sie den Briefumschlag geöffnet hatte und die edle Karte im Licht drehte und wendete.
"Wie kommen wir denn zu dieser Ehre" fragte ihre bessere Hälfte und sah von seiner Zeitung auf, "und vor allem bei wem findet dieses Fest statt? Ich hoffe jemand äußerst prominentes, sonst wäre deine Aufregung keineswegs gerechtfertigt."
"Natürlich spreche ich vom Earl of Grantham und Lady Kingsley, den Eltern von Sophies Verehrer..."
"Also haben wir ihm für die Einladung zu danken" murmelte Mr McAlister nachdenklich bevor er sich wieder seiner Zeitung zuwandte.
***
Bei den Mädchen rief dieses Ereignis ebenso viel Aufregung hervor wie bei der älteren Dame.
"Was soll ich nur anziehen" wollte Sophie von ihrer Cousine wissen, als die beiden endlich alleine waren.
Nervös fummelte Sophie an ihren Ärmeln herum und Amalia ging unruhig vor dem Fenster auf und ab.
"Wir müssen bedenken, dass du nicht nur auf Mr Kingsley, sondern auch auf seine Eltern einen guten Eindruck machen musst.
Bei dem Gedanken an seine Eltern wurde Sophie ganz mulmig zu mute.
Eigentlich hatte die junge Dame nichts zu befürchten, da sie alles hatte, was sich adlige Eltern für ihren ältesten Sohn wünschen konnten.
Sie kam aus einer sehr respektbalen Familie, ihr Vater war ein Gentleman, ihre Bildung war außerordentlich gut und sie würde viel Geld mit in die Ehe bringen. Zu alledem sah sie auch noch äußerst bezaubernd aus.
Doch Sophie war sich dieser Umstände nicht bewusst, da sie nie gelernt hatte eine Hohe Meinung von sich selbst zu haben. Es gab immer etwas, das sie an sich selbst kritisierte.
"Wie wäre es mit dem hellblauen Kleid" schlug Amalia vor, nachdem sie Sophies Garderobe genau unter die Lupe genommen hatte, "ich bin mir sicher, dass es dir hervorragend steht. Und vielleicht könntest du dazu deinen silbernen Schmuck tragen."
Mit einem lauten Rumpeln hielt die Kutsche der McAlisters vor dem großzügigen Stadtpalais des Earl of Grantham.
Ein Lakai eilte herbei, um die Tür für die hohen Herrschaften zu öffnen.
Sophies Knie zitterten, als ihr Cousin James ihr aus der Kutsche half.
Ehrfürchtig wanderte ihr Blick an dem stattlichen, von unzähligen Fackeln beleuchteten Gebäude hinauf.
Zum Dinner war nur ein erlesener Kreis aus adligen Familien geladen worden. Ein Kreis, zu dem die McAlisters eindeutig nicht gehörten.
Besonders deutlich wurde dies, als die Familie die große, hell erleuchtete Eingangshalle betrat.
Ihre Ankunft sorgte für einiges Aufsehen unter den übrigen Gästen. Neugierige Blicke musterten sie von allen Seiten, als versuchten die feinen Herrschaften krampfhaft sich der Namen der Neuankömmlinge zu erinnern, die sie selbstverständlich noch nie zuvor gehört hatten.
Erst als Mr Kingsley freudestrahlend auf seine Gäste zukam, um sie zu begrüßen ließ die Anspannung im Raum deutlich nach.
Überaus höflich begrüßte er auch den Rest der Familie, um sie anschließend seinen Eltern vorzustellen.
"Sie sind also Miss Sophie Badford" stellte Lord Kingsley fest und unterzog die junge Dame einer strengen Musterung.
"Ich habe schon viel von Ihnen gehört" fügte er hinzu und nippte an seinem Champagner.
Liebenswürdig lächelnd antwortete Sophie: "ich hoffe doch sehr, dass Sie nur gutes von mir gehört haben.
Lord Kingsley nickte, "ich wüsste auch beim besten Willen nichts zu finden, was man schlechtes über Sie sagen konnte."
Sanft führte Mr Kingsley sie an seiner Seite durch den Raum und machte sie mit allen Anwesenden bekannt.
Höflich unterhielt die junge Dame sich, lächelte freundlich und bekam einen Vorgeschmack darauf, wie ihr Leben an der Seite von Mr Charles Kingsley aussehen könnte.
Das Dinner war üppiger als Sophie je eines gesehen hatte. Und es schien, als würden sich die Tische unter der Last all der Speisen biegen.
Es wurden Austern, verschiedener Fisch, Wildbret, Fasan und Schweinebraten serviert. Als die Nachspreisen aufgetragen wurden, blieb Sophie fast die Luft weg.
Schon bevor sie etwas von den auseflesenen Speisen gekostet hatte, schmerzte ihr Bauch, denn ihr Korsett war so eng geschnürt, dass ihr nach dem Essen beinahe die Luft weg blieb.
Ein wenig beklommen folgte Sophie der Gesellschaft, als sie sich nach dem Essen wieder in die große Empfangshalle begaben.
"Ist Ihnen nicht wohl?" Fragte Mr Kingsley, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war.
"Oh doch... es geht mir sehr gut" flüsterte Sophie und rang sich ein lächeln ab.
Gemeinsam betrachteten die Beiden, wie immer mehr Gäste den festlichen Saal betraten.
***
"Wie er sie herum führt" murmelte eine etwas weniger gut betuchte junge Dame ihrer Freundin zu, "ich wette, dass es zwischen den Beiden bald zu einer Verlobung kommen wird."
"Aber er verhält sich, als gäbe es zwischen den Beiden schon seit geraumer Zeit ein Einverständnis" argwöhnte ihre Freundin hinter vorgehaltenem Fächer.
"Ich rieche einen neuen Skandal" flüsterte eine ältere Dame, deren einziges Interesse Klatsch und Tratsch galt... .
"Aber ein hübsches Paar geben die beiden schon ab...."
***
Als das junge Paar sich als eines der ersten unter die Tänzer mischte, bemerkten sie nicht, wie alle Augen im Saal sich auf sie richteten.
Unter dem Licht dutzender Kerzen tanzten sie mit solch einer Hingabe und Leidenschaft, als wäre dies bereits ihr Hochzeitstanz.
Was um sie herum geschah blendeten sie vollkommen aus. Wie auf einer Wolke schwebten sie über das Parkett. Und erst als das Fest beendet war, brachten die jungen Verliebten es über sich, sich zu verabschieden.
Den ganzen Abend lang hatte Mr Kingsley nur mit Sophie getanzt, was so manch anderer jungen Dame Kummer bereitet hatte.
Und auch einige junge Herren waren darüber enttäuscht, dass Mr Kingsley die hübscheste junge Dame den ganzen Abend in Beschlag genommen hatte.
Aber all dies war für Miss Sophie und Mr Kingsley im Angesicht ihrer großen Liebe bedeutungslos. Überglücklich hatten sie den ganzen Abend gemeinsam verbracht, in der Hoffnung, dass bald ein jeder Tag so sein würde.
***
Amalia fand wie so oft in der letzten Zeit keinen Schlaf. Auf ihrem Frisiertisch lagen fein säuberlich gestapelt, die Drohbriefe, die sie in der letzten Zeit erhalten hatte.
Ich bin bestens über alle Details ihrer Bekanntschaft mir dem Duke of Wellington unterrichtet.
Resigniert stützte sie den Kopf in die Hände. Die Erinnerungen an ihre erste Saison fluteten wieder durch ihr Gedächtnis.
Sie war jung gewesen, naiv und unerfahren. Bildschön. Und umschwärmt von allen Männern. Auch Mr Kingsley sowie der Duke of Wellington gehörten zu ihren Verehren.