12.Kapitel

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"Sophie" fragte Amalia verwundert, als ihre jüngere Cousine den Wintergarten betrat. Der Regen prasselte noch immer heftig auf das gläserne Dach.

"Wo bist du so lange gewesen?"

"Ich war spazieren."

Amalia hob den Blick von ihrer Arbeit und musterte ihre Cousine Sophie mit strengem Blick.
Sophie trat einen Schritt näher um erkennen zu können, womit Amalia beschäftigt war.

"Du bist von Kopf bis Fuß durchnässt und statt zu frieren glühst du heißer als die Sonne selbst" stellte Amalia fest.

Sophie senkte den Blick, was ihr nicht half die Röte in ihrem Gesicht, vor Amalia, zu verbergen.

Amalia, die die Verlegenheit ihrer Cousine bemerkte wechselte Abrupt das Thema: "Mr Kingsley war hier, während du unterwegs warst. Sein Besuch fiel allerdings recht kurz aus.  Was ich für meinen Teil ganz und gar nicht bedauere. Ich bin der Meinung, je weniger Zeit eine Frau in seiner Gesellschaft verbringt, umso sicherer ist sie vor ihm."

Sophie begann sich in ihrer Haut noch unwohler zu fühlen als zuvor. Denn entgegen aller Erwartungen hatte sie die Zeit mit Mr Charles Kingsley, nach anfänglichem Unbehagen, sehr genossen. Es hatte ihr gefallen sich mit diesem Mann zu unterhalten, der ihr an Intelligenz ebenbürtig war und dessen Charakterzüge sie zu ergründen suchte.

"Was hat er hier gewollt?" Amalia lächelte der neunzehn jährigen Sophie verschwörerich zu und antwortete mit gesenkter Stimme: "ich glaube, er hat nach dir gesucht... denn sobald er in Erfahrung gebracht hatte, dass du nicht zu Hause warst, hatte er es sehr eilig von deiner Mutter und deiner Schwester los zukommen, was ich ihm beim besten Willen nicht verübeln kann."

Sophie nickte, selbst für sie, die den Umgang mit den Beiden seit ihrer Kindheit gewohnt war, stellte deren Benehmen oft ihre Geduld auf die Probe.
Mit ihrem Vater verstand Sophie sich besonders gut. Lord Badford war ein äußerst gebildeter Mann, der auch Sophies Intelligenz früh entdeckt und so gut wie möglich gefördert hatte. Höchstpersönlich hatte er seine jüngste Tochter in Mathematik, Geschichte, Politik und Naturwissenschaften unterrichtet. Denn er wollte nicht, dass seine Tochter ihr Leben nur mit dem besticken von Kissen, malen oder singen vergeudete. Vielleicht sah er in Sophie aber auch den Sohn, den er nie hatte.  

"Ich habe ihn getroffen" gestand Sophie mit einem leichten zittern in der Stimme.

"Dieser Hund" fluchte Amalia, woraufhin Sophie ein wenig schockiert zurückwich, "ich hoffe, dass er sich dir gegenüber anständig verhalten hat."

"Oh Amalia, sei dir versichert, dass er sich wie ein wahrer Gentleman verhalten hat..."

Als Amalia den schwärmerischen Blick ihrer Cousine bemerkte, wurde ihr bang ums Herz, denn sie wollte Sophie mit aller Macht davor behüten auf den Charm des besagten Gentlemans herein zu fallen und sich wie sie selbst damals Hoffnungen zu machen, wo alle Hoffnung bereits verloren war.

Das vertrauliche Gespräch der beiden jungen Damen wurde jäh unterbrochen, als die über das ganze Gesicht strahlende Ann in den Wintergarten platzte.

Miss Ann Badford war überglücklich, denn alle Wünsche, die sie in den letzten Wochen gehegt hatte, waren erfüllt worden. Sie hatte sich mit Mr Cole verlobt. Dieses glückliche Ereignis machte nicht nur Sophies Schwester Ann froh, sondern auch die überaus stolze Mutter.

Bis vor wenigen Minuten war Anns Verehrer bei ihnen gewesen. Mr Cole war kurz nach dem Fortgang Mr Kingsleys im Salon des Hauses erschienen und hatte um eine private Unterredung mit miss Ann gebeten, welche Lady Badford ihm ohne zu zögern gewährte.

Die beiden jungen Leute hatten die Angelegenheit bald geregelt. Jedoch bezweifelte Miss Sophie dass Mr Coles Antrag einer jener romantischen Sorte war, von der jede junge Frau träumte.

Miss SophieWhere stories live. Discover now