Kyungsoos Mutter hatte über die Woche fünfmal so viele Nachrichten und Anrufe hinterlassen, wie in den letzten Jahren seit Kyungsoo mit dem Studium fertig war. Sie bestanden aus anklagenden Worten, Beleidigungen und Vorwürfe die ihm ins Herz stachen. Sie war nicht zimperlich, das war sie nie gewesen, doch dieses Mal schien sie sich wirklich Mühe zu geben, ihm ihre angestaute Wut kundzutun.
Natürlich war sie böse, weil sein Blind-Date nicht erfolgreich verlaufen war, aber damit hatte er gerechnet. Er hätte jedoch niemals einschätzen können, wie sehr ihn die Sache noch immer mitnahm. Er hätte gerne mit Yixing darüber gesprochen, aber dann hätte er sich gleichzeitig vor seinem Freund outen müssen und das hatte er die letzten Jahre strikt vermieden und Luhan war wahrscheinlich beschäftigt mit Interviews und Fans und weiß Gott was.
Es war ohnehin ein Freitagabend, weshalb Kyungsoo entschied in die Pearl zu gehen. Aus all den falschen Gründen.
„Du bist früher dran, als gewöhnlich", begrüßte ihn Zitao. Kyungsoo war wirklich erleichtert ihn zu sehen.
„Hatte keine gute Woche."
„Danach siehst du auch aus."
Kyungsoo warf ihm einen bösen Blick zu. „Machst du mir bitte einfach ein paar Absinth Shots?"
„Du trinkst keinen Absinth."
„Zitao", seufzte Kyungsoo, der sich nicht mehr sicher war, ob er den jüngeren Barkeeper wirklich hierhaben wollte.
„Ist gut, der Kunde ist bekanntlich König." Sein koreanisch zog sich komisch in die Länge, als er das sagte.
„Wie läuft es bei dir?"
„Ich habe seit ein paar Wochen eine feste Freundin, sie ist wundervoll."
Kyungsoo gratulierte ihm herzlich. „Die mit der du dich nach der Arbeit getroffen hast? Die auch in der Gastro arbeitet?"
Zitao nickte. „Genau die. Sie heißt Jitae." Zitao erzählte ihm von seiner neuen Freundin, während ein Shot nach dem anderen von der Tischplatte vor ihm verschwand und während es immer später wurde, bekam Zitao mehr zu tun, weshalb er sein Gespräch wehmütig unterbrach. Als er sich wegdrehte, bemerkte Kyungsoo einen neuen Ohrring an Zitao's Ohr glitzern. Was für ein Anwalt oder Staatsanwalt sollte aus ihm bloß einmal werden...
Kyungsoo begann sich zu langweilen, weil er alle seine Shots getrunken hatte und Zitao beschäftigt war. Er holte sein Handy raus und stellte fest, dass er eine Nachricht bekommen hatte. Er musste sich da gerade mit Zitao unterhalten haben, weshalb er nichts bemerkt hatte.
Sie war von Jongin.
‚Hey Hyung, entschuldige wenn ich störe und es spät ist, aber ich wollte wissen, was du machst?'
Kyungsoo war nicht allzu gut darin, Emotionen aus Nachrichten herauszupicken, aber er glaubte, mit einer Sicherheit die er nicht verstand, zu wissen, dass Jongin komisch klang.
‚Ich bin unterwegs und du störst nicht', antwortete er.
Wie zu erwarten war, kam die nächste Nachricht nur eine Sekunde später. ‚Unterwegs? Wo?'
Kyungsoo dachte sich nichts schlimmes, als er ‚In meiner Lieblings Bar', zurückschrieb. Anschließend packte er sein Handy weg. Er konnte sein Gehirn jetzt nicht auch noch mit Kim Jongin belasten, der jüngere hatte sich auch so ungefragt in sein Leben geschlichen.
Kyungsoo ging auf die Tanzfläche, er hatte nichts zu Mittag und Abend gegessen, weil er keinen Appetit hatte und der Alkohol hatte seinen Magen so gut wie für sich alleine. Eigentlich war Kyungsoo aus dem Alter heraus, solche Fehler zu begehen, aber er war mies gelaunt und kümmerte sich nicht weiter.
Er sah viele Männer, mit denen er wahrscheinlich mitgegangen wäre, aber er machte sich nicht die Mühe jemandem irgendwelche Zeichen zu senden. Als er also plötzlich von hinten angetanzt wurde, fuhr er verwirrt herum.
Er war jung, viel zu jung für sein übliches Beuteschema. Er hatte dunkelrot gefärbtes Haar und weiche Züge. Kyungsoo hätte ihn auf gerade volljährig geschätzt.
„Ich habe gesehen, wie du dich umgeblickt hast", sagte er vorsichtig mit leicht gesenkten Augen und roten Wangen.
„Wie alt bist du?", fragte Kyungsoo, ohne um den heißen Brei herumzureden. Der Junge interessierte ihn nicht wirklich.
„Volljährig", antwortete er schnell. „Einundzwanzig."
Kyungsoo hatte richtig geraten. Ein Blitz durchfuhr ihn und plötzlich verspürte er Lust auf ihn. Er lächelte ihm zu und blickte von unten zu ihm herauf – er wusste, dass er ihn damit rumkriegen würde. Der Junge reagierte stärker als er erwartet hatte. Er war noch so jung.
Kyungsoo stellte sich probeweise auf die Zehenspitzen und legte ihm seine Hand in den Nacken. Der Junge stand wie erstarrt da und hielt den Atem an. Wenn jemand seinen Blick über die beiden streifen ließ, wirkte es, als würden sie sehr eng aneinander tanzen, was bei der Fülle der Tanzfläche nicht weiter verwunderlich wäre.
Kyungsoos Atem strich sanft über die Lippen des Jungen, dann riss Kyungsoo sich wieder los. Er war aus all den falschen Gründen hier. Normalerweise kam er, um Luhan zu vergessen, nicht um seine Wut zu befreien und erst Recht nicht um kleine Jungen zu verführen.
Er entschuldigte sich eintönig bei ihm und ging zurück an die Bar, um sich seufzend auf seinen Barhocker sinken zu lassen.
„Ich dachte gerade wirklich, du ziehst das durch", sagte Zitao, als er zu ihm herüberkommen konnte. Einer seiner Kollegen war ihm zur Unterstützung gekommen, was ihm etwas mehr Luft gab. „Der Typ sah viel zu jung aus."
„Ich weiß nicht was in mich gefahren ist", murmelte Kyungsoo.
„Das habe ich mich auch gerade gefragt."
„Vielleicht stehe ich ja auf jüngere."
Zitao hob die Augenbrauen an. „Das klingt überhaupt nicht nach dir."
„Nicht wahr?", lachte Kyungsoo. „Ich bilde mir eigenartige Dinge ein."
„Was bildest du dir ein, Hyung?"
Kyungsoo sprang beinahe von seinem Barhocker, als er die vertraute Stimme hinter sich hörte. Er hätte nicht damit gerechnet ihn heute oder jemals wieder in der Pearl zu sehen.
Jongin nutzte Kyungsoos Sprachlosigkeit aus, um sich neben Kyungsoo zu setzen. „Einen Mojito für mich bitte und irgendetwas anderes für ihn", richtete er an Zitao. Zitao blickte kurz zwischen den beiden hin und her und ging dann wieder.
„Warte!", rief Kyungsoo ihm hinterher, aber Zitao hörte ihn nicht mehr. „Spinnst du?! Was hast du hier verloren und wieso bestellst du dir einfach Alkohol?!", richtete er wütend an Jongin.
„Ich wollte Zeit mit dir verbringen", sagte Jongin Achselzuckend. „Und es hat sich so entwickelt, dass du eben hier bist."
„Das ist nicht komisch. Du hast hier nichts verloren Jongin."
„Bitte Hyung", seufzte Jongin und endlich bemerkte Kyungsoo die roten Ränder unter seinen Augen. „Kannst du nicht einmal darüber hinwegsehen?"
„Nein, kann ich nicht. Du bist noch zu jung um hier zu sein."
„Du bist doch hier und sorgst dafür, dass mir nichts passieren wird", sagte er schwach. „Ich werde schon nicht draufgehen."
„Jongin-"
Zitao unterbrach ihn, indem er ihnen ihre Getränke vorstelle. Jongin erhielt seine Bestellung und Kyungsoo etwas Undefinierbares. „Tequila Sunrise", klärte Zitao ihn auf. „Ich würde dir eigentlich nichts zum Mischen geben, aber du solltest wirklich nicht weiter Absinth trinken." Und er ging wieder.
Kyungsoo wollte Jongin sein Getränk schon wegnehmen, doch der Jüngere zögerte nicht ein paar ordentliche Schlucke zu nehmen, bevor er seinen Cocktail außer Kyungsoos Reichweite abstellte.
„Du willst mir gar nicht zuhören, nicht wahr?"
Jongin seufzte. „Ich habe mich wirklich gefreut dich zu sehen Hyung, bitte mach das nicht kaputt."
Kyungsoo schluckte all seine Proteste mit seinem Getränk hinunter. „Ist alles in Ordnung bei dir?"
„Nicht wirklich", antwortete er mit einem trockenen Lachen.
„Was ist passiert?" Kyungsoo's Besorgnis wuchs.
„Ich hatte Streit...mit meinen Eltern, es ist nicht das erste Mal gewesen."
„Um was ging es?" Kyungsoo hätte so ein Gespräch lieber draußen an der frischen Luft geführt und mit weniger Hintergrund Geräuschen, aber Jongin schien sich nicht daran zu stören.
„Um meine Schwester." Die Worte kamen ihm nur schwer über die Lippen.
„Du wirkst nicht, als würdest du darüber reden wollen?"
„Nein, echt nicht." Er machte eine Pause. „Danke."
„Wofür?"
„Dafür, dass du nicht weiter darauf beharrst."
„Du wirst es mir wahrscheinlich ohnehin eines Tages erzählen."
Jongin grinste ihn an. „Wie zuversichtlich du klingst."
„Das bin ich."
Kyungsoo drückte tatsächlich ein Auge zu, als Jongin weiter sein Glas austrank. Wahrscheinlich spielte der Alkohol in seinem eigenen System eine große Rolle dabei.
„Du wirkst auch nicht auf der Höhe Hyung."
Er lachte, weil Jongin ihn so gut lesen konnte. „Ich hatte auch Streit."
„Mit wem?"
„Meiner Mutter."
Jongin nickte, auch er stellte keine Fragen mehr, worüber Kyungsoo ebenso dankbar war, wie Jongin vor einem Moment.
Sie saßen lange schweigend nebeneinander, jeder in seinen eigenen Gedanken verloren. „Wieso bist du hier?", fragte Kyungsoo schließlich.
„Ich wollte etwas Zeit mit dir verbringen", wiederholte er, was er vorhin schon gesagt hatte.
„Wieso bist du nicht bei Jongdae?"
Jongin zuckte schweigsam die Achseln.
„Habt ihr euch ebenfalls gestritten?"
„Nein", leugnete Jongin schnell. „Ich denke nicht, dass Jongdae und ich uns jemals böse genug sein könnten, um uns zu streiten."
Das war eine starke Aussage. „Aber?"
„Ich weiß nicht, Jongdae's erster Impuls ist immer mich zu malen, wenn ich wütend oder traurig werde", sagte er mit einem schiefen Lachen. „Manchmal ist es ein wenig anstrengend."
Kyungsoo runzelte die Stirn. „Er malt dich dann?"
Jongin winkte ab. „Es ist nicht so schlimm."
„Wenn du meinst." Kyungsoo versuchte die Situation ein wenig aufzulockern. „Keine Sorge, hier wirst du nicht gemalt", er legte den Kopf schief. „Höchstens verkauft."
Es klappte, Jongin brach in lautes Gelächter aus und Kyungsoo war sehr zufrieden mit sich selbst. Er atmete scharf ein, als Jongin sich plötzlich zur Seite lehnte und seinen Kopf auf Kyungsoos Schulter ablegte. „Alles okay bei dir?"
„Können wir nur ganz kurz so bleiben?", bat er und obwohl er sehr leise gesprochen hatte, konnte Kyungsoo ihn gut verstehen.
Er hielt still, während Jongin seine Augen schloss und langsam atmete. Die Stille war Kyungsoo irgendwann zu viel. „Liegt es am Alkohol? Ist dir übel? Ich wusste dass du nicht hättest trinken sollen!" Jongin nahm seine Hand zwischen seine und legte sie sich in den Schoß. „Mir ist nicht übel, ich bin gerade nur wirklich erleichtert."
„Worüber?"
Jongin schüttelte den Kopf. Schon wieder sprach er nicht zu Ende.
„Lass uns gehen, ich bringe dich nachhause." Jongin bewegte sich keinen Zentimeter. „Komm schon, Jongin."
„Können wir nicht noch ein wenig bleiben? Nur kurz."
Kyungsoo seufzte. Wieso konnte er sich nicht einfach durchsetzen, wenn es um Jongin ging? Normalerweise war er auch nicht so zimperlich. „An der Bar sitzen und schmollen ist auch keine gute Alternative." Er schob Jongin wieder in eine gerade Sitzposition. „Dann lass uns wenigstens ein wenig auf die Tanzfläche gehen."
„Ich tanze nicht", antwortete Jongin trocken.
Seine Einstellung erinnerte Kyungsoo eins zu eins, an Luhan, kurz nachdem er aus SM Entertainment hinausgeworfen wurde. Luhan jedoch, hatte sich schnell wieder gefangen.
„Du hast keine Wahl", er lächelte ihn an. „Das oder wir gehen."
Jongins Widerwille brach, bei Kyungsoos Argumentation. Der ältere legte knapp vierzigtausend Won auf die Theke und winkte Zitao zu. Zitao's Augen folgten ihm besorgt, bis hin zur Tanzfläche.
Jongin stand etwas steif zwischen den Leuten und schien offensichtlich nicht zu wissen, was er mit sich anfangen sollte. Kyungsoo schüttelte den Kopf, halb belustigt, halb frustriert. Er lockerte Jongins Schultern und rüttelte ihn ein wenig durch. Seine Bemühungen reichten zumindest insoweit aus, dass der jüngere anfing zur Musik zu wippen. Kyungsoo, der schließlich aufgegeben hatte, drehte sich ein wenig von ihm weg, um ihm Platz zu machen und konzentrierte sich selbst, ebenfalls nur auf die Musik.
Als Kyungsoo wieder zu Jongin sah, war er überrascht, wie flüssig der jüngere sich bewegt. Er hatte die Augen geschlossen und erregte auch die Aufmerksamkeit der anderen Leute die um ihn herumstanden. Jongin hatte ein perfektes Taktgefühl und bewegte sich zur Musik als hätte er niemals etwas anderes getan. Kyungsoo war so in seinen Bann gezogen, dass er selbst aufgehört hatte sich zu bewegen.
Jongin öffnete die Augen, als hätte er gespürt beobachtet zu werden. Auf seinen Lippen erschien ein freches Grinsen, als er bemerkte das Kyungsoo's Augen auf ihm lagen. Der ältere wandte sich sofort peinlich berührt ab.
„Woran denkst du?", fragte Jongin, der sich ihm von hinten genähert hatte. Kyungsoo spürte seinen warmen Atem am Ohr.
„An nichts."
„Wirklich?" Jongin legte ihm die Hände auf die Hüften, so dass Kyungsoo vor Schreck fast in die Höhe gesprungen wäre.
„Jongin?"
„Du hast mich beobachtet." Er dirigierte Kyungsoo sanft von links nach rechts.
„Du kannst gut tanzen."
„Dann lag es daran?"
Kyungsoo schloss die Augen, er spürte wie sich eine Gänsehaut auf seine Arme legte, obwohl es sehr warm und stickig war. Er drehte sich in Jongins halber Umarmung herum, so dass er ihm ins Gesicht blicken konnte. „Was erwartest du?"
Jongin lehnte sich etwas nach vorne. Kyungsoo hielt ganz still. „Hyung-"
„Komm nicht wieder hierher", unterbrach ihn Kyungsoo. „Und trink keinen Alkohol mehr."
„Kannst du auch an etwas anderes denken?" Kyungsoo sah einen Funken Wut in Jongins Augen aufleuchten.
„Nein, kann ich nicht."
„Wieso?"
„Weil du eben noch ein Kind bist."
Jongin sah nun vollends wütend aus. „Du hältst mich wirklich für ein Kind?"
Kyungsoo schluckte schwer. Jetzt gerade, in diesem Moment, während rotes Licht durch den Rauch drang und auf seinem Gesicht spielte, sah er alles andere als kindlich aus. Er musste sich eingestehen, wenn Jongin in seinem Alter gewesen wäre, Hölle wenn Jongin auch nur Volljährig wäre, er hätte nicht gezögert zu versuchen ihn ins Bett zu bekommen. Umso dringender war also das Verlangen an alles außer Jongin zu denken, oder eben daran was für ein Kind er eigentlich noch war. Ein sechsjähriger, der ihm vor dem Schwimmbad zu winkte, ein Jugendlicher der Comics las und einen Schmollmund zog, wenn ihm etwas nicht passte und natürlich seine Liebe zu Erdbeermilch, die nicht ganz gesund sein konnte ... Wie auch immer er die Sache drehte, Jongin war zu jung für ihn. Daran musste er sich nur noch oft genug erinnern. „Ja", log er also. „In meinen Augen bist du noch immer ein Kind."
Jongin's Augen blitzten gefährlich und er öffnete bereits den Mund zu einer Erwiderung, als er plötzlich vor Schmerzen zusammenzuckte. Kyungsoo hielt ihn fest, als er in sich zusammensacken wollte.
„Jongin?", rief er panisch. „Jongin?!"
Jongin hatte kalten Schweiß auf der Stirn und jede Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Zitao war urplötzlich an seiner Seite und legte Jongins Arm um seine Schultern. „Was ist passiert?"
„Ich weiß es nicht", antwortete Kyungsoo aufgelöst.
„Mir geht es gut", brachte Jongin heraus. „Es...mein Fuß...es hat schon seit einer Weile...ich denke es ist ein Krampf, es tut weh."
„Wieso hast du nichts gesagt?!"
„Kyungsoo, lass ihn uns erst rausbringen."
Kyungsoo nahm Jongins anderen Arm und legte ihn sich um die Schulter, damit Jongin seinen schmerzenden Fuß nicht weiter belasten musste. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis sie Jongin die Treppe aus dem Club hinaustragen konnten, Zitao war drauf und dran sich Jongin einfach um die Schulter zu werfen und rauszubringen. Soweit musste es schließlich nicht kommen.
Draußen setzten sie Jongin auf dem Bürgersteig ab. Er sah überhaupt nicht gut aus.
„Welches Bein ist es?", fragte Kyungsoo. Jongin zeigte auf das linke und Kyungsoo schob vorsichtig sein Hosenbein nach oben. Selbst in dem gelben Licht der Straßenlaterne erkannte er die rot-blaue Schwellung. „Das sieht schlimm aus."
„Ist es entzündet?"
„Ich weiß es nicht", antwortete Kyungsoo auf Zitao's Frage hin. „Wieso hast du nichts gesagt?"
Jongin sog scharf Luft ein, als er sein Bein sah. „Ich habe am Anfang nur gespürt, wie es brennt. Erst gerade ist alles plötzlich auf einmal gekommen." Jongin sah aus, als würde er gleich ohnmächtig vor Schmerzen werden.
Zitao kniete sich vor Jongin auf den Boden und begann die Stelle über der Schwellung zu massieren und das Bein anzuheben. „So ein Krampf entsteht meistens, wenn die Nerven und der Muskel mit nicht genug Sauerstoff versorgt werden. Es muss durch die Schwellung passiert sein."
„Ich hätte dich nicht auf die Tanzfläche ziehen sollen."
„Ich bin selbst Schuld", versicherte Jongin schnell, er zuckte mehrfach unter Zitao's Händen. „Ich bin vorhin schon hierher gerannt, das hätte ich nicht tun sollen."
Kyungsoo schüttelte den Kopf. Sorge fraß ihn auf, wie kaum jemals zuvor. „Wir müssen ins Krankenhaus."
„Damit die sehen das ich Alkohol getrunken habe? Das endet für niemanden gut."
Zitao machte große Augen und sandte einen verwirrten Blick in Kyungsoos Richtung – er würde ihm später alles erklären müssen.
„Das ist mir ziemlich egal. Das muss sich ein Arzt ansehen."
„Ist schon okay Hyung. Es ist nicht das erste Mal, dass es wieder angefangen hat, weh zu tun. Ich muss es nur kühlen, damit es besser wird."
„Jongin-"
„Ich habe früher Kampfsport betrieben und kenne mich ein bisschen mit solchen Wunden aus", meldete sich Zitao zu Wort. „Dein Bein sieht aus, als trägst du eine nicht verheilte Wunde mit dir herum. Für heute Abend musst du wahrscheinlich nicht zwingend zum Arzt, aber das wird nicht das letzte Mal sein, dass so etwas passiert, wenn du nicht ärztliche Betreuung zu Rate ziehst."
Jongin schwieg und Zitao fragte ihn nach einer Weile, ob es immer noch krampfte, was Jongin mit einem Kopfschütteln verneinte. „Es schmerzt nur noch ein wenig."
Kyungsoo konnte kaum einen klaren Gedanken mehr fassen und gab schließlich nach. „Ist gut, dann nicht ins Krankenhaus." Er wandte sich an Zitao. „Danke, dass du geholfen hast, du kannst wieder reingehen."
Zitao wirkte unsicher. „Soll ich nicht warten, bis ihr ein Taxi gerufen habt?"
„Das schaffen wir schon, danke."
„Du kannst mich rufen wenn etwas ist." Zitao verabschiedete sich ein wenig widerwillig, verschwand kurz darauf aber wieder in der Pearl.
„Okay, ich bringe dich nachhause."
Jongin blickte zu Boden. „Nicht nachhause, lieber bleibe ich hier."
„Jongin", seufzte Kyungsoo, war jedoch zu erschöpft um noch mit Jongin zu diskutieren. „Gut, dann kommst du mit zu mir, ich werde noch verrückt, wenn ich nicht weiß, ob es dir gut geht."
Darauf protestierte Jongin nicht, wofür Kyungsoo wirklich dankbar war. Es fiel ihm nicht allzu schwer Jongin ins Taxi zu verfrachten, nur der Fahrer machte ein unglückliches Gesicht, weil er glaubte Jongin sei betrunken. Über die Fahrt hinweg merkte er jedoch, dass dies nicht der Fall war. Vor Kyungsoos Zuhause schlug er sogar vor, ihm zu helfen Jongin in seine Wohnung zu befördern. Kyungsoo fragte wie es Jongin ging und lehnte dann dankend ab.
„Die Pause hat mir gut getan", versicherte Jongin, als das Taxi fortgefahren war. „Ich kann schon ein wenig auftreten." Kyungsoo war dankbar für den Aufzug in seinem Haus.
Bei ihm, visierte Jongin auf einem Bein springend das Wohnzimmer an, während Kyungsoo sich noch die Schuhe auszog. Er hielt ihn fest und dirigierte ihn in eine andere Richtung.
Er brachte ihn ins Schlafzimmer und legte ihn in sein Bett. „Ich habe nichts gegen die Couch im Wohnzimmer."
„Sei nicht lächerlich." Er griff nach Jongins Hosenknopf und der jüngere zuckte vor Überraschung zusammen. Kyungsoo hatte automatisch gehandelt und verstand erst zu spät, wie die Situation aussehen musste. „Ohne die Hose komme ich besser an die Wunde ran", erklärte er mit roten Wangen.
„Ich weiß, natürlich. Ich kann das selbst machen, danke."
„Okay, klar" Kyungsoo rutschte schnell vom Bett hinunter und kramte in seinem Schrank nach einer kurzen Sporthose. Er hatte eine graufarbige aus Wolle, die er gerne im Sommer trug, weil sie bis knapp über die Knie ging. Er legte sie und ein weites, schwarzes Shirt neben Jongin aufs Bett.
„Ich hole ein paar Schmerztabletten und eine kalte Kompresse, du kannst dich solange umziehen." Jongin nickte dankbar. „Mh, solltest du Hilfe brauchen, kannst du einfach rufen."
„Klar, danke Hyung." Kyungsoo ging zur Türe, hielt jedoch noch einmal inne, als Jongin ihn rief. „Und es tut mir leid, für die Umstände die ich dir bereite."
„Du machst mir keine Umstände", versicherte er lächelnd.
In der Küche ließ er sich ganz viel Zeit, um die Tabletten, ein Glas Wasser, die Kühlkompresse und ein Handtuch auf ein Tablett zu stellen, damit Jongin auch wirklich genug Zeit hatte, um die neue Kleidung überzuziehen.
Als er sich sicher war, dass er lange genug gewartet hatte trug er das Tablett in sein Schlafzimmer. „Kann ich reinkommen?", fragte er an der Tür und stieß sie mit der Schulter auf, als Jongin bejahte. Die graue Sporthose reichte Jongin noch nicht einmal über die Knie, aber das Shirt passte ihm gut. Kyungsoo reichte ihm als erstes das Wasser und die Tablette.
„Es ist zwar mehr für Kopfschmerzen und kleinere Verletzungen gedacht, aber vielleicht hilf es ja trotzdem ein wenig?"
Jongin bedankte sich und nahm beides ein. „Ich kann das auch machen Hyung", sagte Jongin als sich Kyungsoo ans Fußende setzte und die Kompresse an die richtige Stelle drücken wollte.
„Sei ein braver Verletzter", bat Kyungsoo und wickelte das Handtuch um sein Bein herum, in der Hoffnung die Schwellung am Knöchel damit beruhigen zu können. „Ist das zu fest?", fragte er, als er das Handtuch, um die Kompresse und sein Bein gewickelt hatte.
„Nein, es ist gut so."
„Sehr gut." Kyungsoo wusste nicht so recht, was er mit sich anfangen sollte, sollte er nun das Licht ausschalten und Jongin ermahnen schlafen zu gehen?
Jongin rückte ein wenig zur Seite und klopfte auf den Platz neben sich, um Kyungsoo zu bedeuten dass er sich setzten sollte.
Kyungsoo zögerte für einen Moment, bevor er neben Jongin ins Bett stieg. „Du hast gemeint es war nicht das erste Mal das es passiert ist?" Das hatte Jongin vor der Pearl über seinen Krampf gesagt.
Jongin schüttelte den Kopf. Langsam verlor sein Körper die Anspannung. „Es passiert immer wieder und in den ungünstigsten Augenblicken. Beim Kellnern ist es am unangenehmsten."
„Du solltest wirklich zur Krankengymnastik gehen."
Jongin sah ihn nicht an. „Ich will nicht wirklich..."
„Jongin", unterbrach er streng. „Dein Bein ist niemals richtig geheilt, wenn Zitao das richtig gesehen hat, wenn du dich weiterhin weigerst, gibt es vielleicht keinen Weg mehr zurück und du wirst im schlimmsten Fall später nicht einmal mehr richtig laufen können."
„Ich will nicht zur Reha."
„Tu es trotzdem", bat Kyungsoo. „Auch wenn du es für den Moment hassen wirst, wirst du dir danach dankbar sein."
Jongin ließ die Schultern sinken und spielte mit dem grauen Stoff der Tagesdecke auf der er lag. „Ist schon okay, ich komme auch so klar."
„Es ist nicht okay, Jongin", Kyungsoo verstand nicht wieso Jongin sich so vehement gegen eine Behandlung wehrte. „Willst du für immer in Schmerzen leben? Hier geht es um deine Gesundheit! Also, bitte versprich mir, dass du zur Reha gehen wirst."
Jongin dachte kurz nach, dann kapitulierte er schließlich mit eingefallenen Schultern. „Okay. Versprochen."
Kyungsoo lächelte, er hatte das Gefühl etwas bewegt zu haben, er hoffte wirklich, dass es zum Guten und nicht zum Schlechten war.
Kyungsoo und Jongin hatten sich noch bis spät in die Nacht hinein unterhalten. Als Kyungsoo am nächsten Morgen aufwachte, war er ein wenig desorientiert. Die Sonne strahlte durchs Fenster und kitzelte seine Nase. Er lag in seinem Bett - in den Kleidern die er gestern im Club angehabt hatte und die noch immer nach Rauch muffelten. Er spürte einen Arm unter seinem Nacken, der ihm mehr oder weniger als Kissen gedient hatte und richtete sich langsam auf. Jongin lag neben ihm, der linke Arm ausgestreckt, der andere auf seiner Brust angewinkelt. Sein Haar fiel ihm leicht in die geschlossenen Augen und sein Gesicht machte einen friedlichen Eindruck. Kyungsoo strich ihm sachte die Strähnen zur Seite, bevor er die Füße über die Matratze schob und auf den Boden stellte.
Kyungsoo löste mit flinken Fingern, das Handtuch um Jongins Knöchel, um nachzusehen, ob er eine neue Kompresse brauchte. Die Schwellung war komplett zurückgegangen und die Haut hatte wieder eine gesunde Farbe angenommen.
Kyungsoo suchte sich, ohne viele Geräusche zu machen, ein paar Kleidungsstücke zusammen, damit er duschen konnte. Jongin lag noch immer unbewegt auf dem großen Bett. Die Sonne wärmte auch ihm den Hals und die Wange, aber er schien sich gar nicht daran zu stören. Kyungsoo fand Jongin niedlich, wie er so unbekümmert dalag und musste unweigerlich über ihn lächeln.
Jongin tappte erst schlaftrunken in die Küche, als Kyungsoo bereits frischen Reis gekocht hatte und alle Beilagen auf den Tisch gestellt hatte. Der Fisch briet noch in der Pfanne.
„Guten Morgen", murmelte Jongin und wischte sich mit den Handballen den Schlaf aus den Augen. Seine braunen Haare standen ihm am Hinterkopf zu Berge und auf seinen Armen sah er rote Abdrücke von der Bettdecke. Kyungsoo erwiderte den Gruß und stellte den Herd ab. Er ging zu Jongin hinüber und strich ihm lächelnd das Haar nach unten. „Du siehst aus als wären deine Haare elektrisch aufgeladen."
Jongin gähnte vor vorgehaltener Hand. „Passiert, ist nichts neues."
„Hast du gut geschlafen?"
„Ja, sehr", das erste Lächeln an diesem Tag schlich sich auf seine Lippen. Kyungsoo fühlte sich eigenartig glücklich.
„Ich habe Fisch gemacht, was möchtest du zum Frühstück trinken? Ich habe Orangensaft da." Kyungsoo hatte ihn gekauft, als er das letzte Mal im Supermarkt war und plötzlich an Jongin denken musste. Beinahe hätte er auch Erdbeermilch gekauft. Wieso er es nicht getan hatte, wusste er selbst nicht so genau.
„Den nehme ich gerne, brauchst du noch Hilfe?"
Kyungsoo schüttelte den Kopf, holte die Glasflasche mit dem Orangensaft aus dem Kühlschrank heraus und schob den Fisch auf einen Teller. Zum Schluss füllte er ihre Schüsseln mit Reis.
Jongin wachte erst während des Frühstücks so richtig auf und wurde wieder gesprächig. Sie redeten nicht über den gestrigen Abend, aber ob nun bewusst oder unbewusst, konnte Kyungsoo nicht sagen.
Nach dem Essen spülten sie gemeinsam die Teller, verpackten die Reste in Dosen und wischten die Küche sauber. Kyungsoo hatte Jongin eigentlich vorgeschlagen ins Wohnzimmer zu gehen und sich dort hinzusetzen um Fernzusehen oder ähnliches, aber der jüngere hatte sich nicht abschütteln lassen. Im Badezimmer, gab Kyungsoo Jongin eine neuverpackte Zahnbürste – eine gelbfarbige – die er in die Tasse neben Kyungsoos roter und Yixing's blauer Zahnbürste stellte, als er sich seine Zähne geputzt hatte. Kyungsoo gab ihm auch ein neues Shirt damit er halbwegs frische Sachen nach der Dusche anziehen konnte. Nur seine Hose behielt er, weil Kyungsoo's ihm deutlich zu klein waren.
Letztlich verbrachten sie danach den gesamten Tag zusammen, schauten sich Filme an, aßen gemeinsam zu Mittag...es war so einfach mit Jongin Zeit zu verbringen. Gleichzeitig wusste Kyungsoo, dass sich etwas verändert hatte. Etwas zwischen ihnen hatte sich mit dem gestrigen Abend gewandelt, Kyungsoo wusste nur noch nicht so Recht, ob er mit dem Wissen, was es war, leben konnte.
Kyungsoo brachte Luhan nach Jinhae-gu um mit ihm am Marinehafen die Kirschblüten zu betrachten. Es war ein wenig spät für die normale Kirschblüten-Hochsaison und sie hatten das berühmte Kirschblütenfest von Jinhae-gu um knapp einen Monat verpasst, aber die Bäume standen noch immer in Blüte, auch wenn sich Flecken von grün in die rosafarbige Pracht mischten. Dafür waren kaum Leute unterwegs.
Kyungsoo nahm Luhans Hand, als er ihn durch die berühmte Zugstraße führte. Neben ihnen verliefen Schienen, während von beiden Seiten, hohe Kirschblütenbäume aufragten. Der leichte Wind schickte die Blüten wie Schneeflocken zu Boden, so dass der dunkle Steinboden unter den Blüten verschwunden war.
Luhan lief staunend neben Kyungsoo her, mit leicht geöffnetem Mund und unruhigem Blick, der alles gleichzeitig erfassen wollte. „Soo, es ist wunderschön", flüsterte er, um das Rascheln der Bäume nicht zu stören.
„Stimmt", sagte er, konnte jedoch nur Luhan ansehen. Luhan war so viel schöner als die Kirschblüten.
Er wandte sich abrupt zu Kyungsoo um und schloss ihn in eine feste Umarmung, mitten auf der Straße. Er atmete tief ein. „Es ist wirklich, wirklich schön. Vielen Dank, Soo."
„Du musst dich für nichts bedanken."
Er schüttelte den Kopf. „Doch und ich werde dir noch ein Leben lang dafür danken, dass ich dich habe."
‚Ein Leben lang', dachte Kyungsoo mit Schmetterlingen im Bauch und drückte Luhan fest zurück.
Sie gingen weiter und Kyungsoo glaubte Tränen in Luhans Augen gesehen zu haben, aber der braunhaarige war nach vorne geprescht und hatte seine Handykamera geöffnet um Bilder zu machen. Vielleicht um Kyungsoo seine Tränen nicht zu zeigen, vielleicht hatte Kyungsoo auch nur falsch gesehen.
Luhan fotografierte so ziemlich jedes Blütenblatt ab und richtete seine Kamera anschließend auf Kyungsoo. Er machte so viele Bilder, dass Kyungsoo ihm das Handy schließlich aus der Hand nahm und ihn selbst ablichtete. Luhan stellte sich strahlend vor die Kirschblütenbäume und posierte, wie man es ihm bei SM Entertainment beigebracht hatte. Er lachte über sich selbst und seine peinlichen Posen, bis Kyungsoo keine Fotos mehr machen konnte, weil ihm vom Lachen zu sehr der Bauch wehtat.
„Lass uns noch ein paar zusammen machen."
Luhan legte seinen Arm um Kyungsoos Schultern und zog ihre Gesichter nah zusammen, mit der rechten Hand hielt er die Kamera fest und schoss ein Bild nach dem anderen von ihnen. Kyungsoo küsste Luhan spontan auf die Wange, als er erneut abschoss, was beide zum Lachen brachte. Es war bis heute Kyungsoos Lieblingsbild. Später hatte er es ausgedruckt und zwischen die Seiten eines Buches gelegt, damit niemand es jemals finden würde. Er hatte es oft zwischen den Händen gehalten, wenn vor seiner Haustüre die Kirschblütenbäume blühten, oder die eisige Winterkälte sich durch seine Wände fraß.
„Ich werde mir eines davon ausdrucken und in die Geldbörse stecken", sagte Luhan und wackelte mit den Augenbrauen. „Dann gelten wir als echtes Paar."
„Sind wir das nicht schon seit Jahren?", fragte Kyungsoo lachend.
„Wenn dein Bild nicht in meinem Geldbeutel steckt, dann sind wir kein Paar."
Kyungsoo verdrehte die Augen. „Du musst damit aufhören dir K-Dramas anzusehen." Damit hatte Luhan in letzter Zeit angefangen, weil er plötzlich mehr Zeit denn je zur Verfügung hatte.
„Aber es ist alles so perfekt. Letztlich geht immer alles auf, ist das nicht schön?"
Kyungsoo wusste, dass Luhan noch immer traurig wegen SM war und es tat ihm weh ihn so zu sehen. „Das ist es."
„Wenn alles im Leben so sein könnte..." Er schüttelte in der Mitte seines Satzes den Kopf. „Wie auch immer."
Sie gingen weiter, langsam und still, um die Schönheit die um sie herum blühte, in vollen Zügen genießen zu können.
Am Ende des Weges landeten sie auf einem Marktplatz mit verschiedenen Essensständen. Sie setzten sich mit Kartoffelspiralen auf eine Bank neben dem Stand und pusteten die Hitze fort, bevor sie aßen. Anschließend liefen sie langsam an den Ständen vorbei und musterten die Souvenirs, die an den Trip nach Jinhae-gu und an die Kirschblütenbäume erinnern sollten.
„Schau mal." Luhan hielt Kyungsoo an seiner Frühlingsjacke fest und deutete auf ein kurzes Armband mit einem Anhänger in der Form einer Kirschblüte. Es war ganz in Silber und wunderschön verarbeitet.
Der Verkäufer bemerkte Luhans Interesse und bot ihm an das Armband anzuprobieren. Er musste es an der engsten Stelle schließen, damit es nicht von seiner Hand rutschte, versicherte aber dass man das überschüssige Stück Kette abschneiden konnte. Luhan drehte sein Handgelenk nach oben, so dass der Anhänger, der so klein wie Kyungsoos kleiner Fingernagel war, auf seiner Pulsader lag.
„Wir nehmen es", entschied Kyungsoo. Der Verkäufer blickte etwas überrascht, zwischen den beiden hin und her und Luhans Wangen färbten sich rot.
„Ist schon gut, Soo", murmelte er leise.
„Gefällt es dir nicht?"
„Doch, auf jeden Fall."
Kyungsoo zuckte die Achseln und betrachtete das Preisschild, das daran befestigt war. Es war teurer als der andere Schmuck, den der ältere Herr verkaufte, aber es war auch das schönste.
Kyungsoo bezahlte und bat um eine Schere, um das Preisschild abzunehmen, damit Luhan das Armband nicht mehr ausziehen musste.
„Ich denke er hat bemerkt, dass wir zusammen sind", sagte Luhan leise, nachdem sie ein Stückweit gegangen waren.
Kyungsoo hatte geahnt, dass Luhan aus diesem Grund plötzlich schüchtern geworden war. „Und?"
„Ich meine nur, dass er sehr eigenartig geguckt hat."
„Das ist mir egal."
„Soo..."
Kyungsoo wusste, dass sie niemals ein normales Paar sein könnten. Er wusste, dass es immer Menschen geben würde, die ihnen eigenartig hinterherblicken würden wenn sie öffentlich zeigten, dass sie zusammen waren. Meistens störte es ihn nicht Luhan heimlich zu lieben, im Gegenteil, er freute sich, dass ihre Gefühle füreinander ein Geheimnis zwischen ihnen waren, doch an anderen Tagen fiel es ihm schwerer. Heute war so ein Tag.
Er nahm Luhans Hand, obwohl sie noch immer mitten auf dem Marktplatz und umgeben von Menschen waren. Luhan blickte schüchtern zu Boden. „Soo..."
„Wieso müssen wir uns verstecken?" Kyungsoo würde sich selbst als einen eigentlich sehr rationalen Menschen beschreiben, er ging immer den Weg der Logik und stellte keine unnötigen Fragen. Es musste dem schönen Tag und den überschwänglichen Gefühlen zu verdanken sein, dass er untypisch für sich handelte.
„Kyungsoo."
„Warum sollte deren Liebe besser, gar mehr wert sein als unsere? Wieso bestehen Unterschiede in der Liebe?"
Luhan erwiderte seinen Händedruck mit der gleichen Stärke. „Du hast Recht", lächelte er. „Es macht keinen Unterschied."
„Luhan", murmelte er, plötzlich peinlich berührt über seinen Ausbruch.
„Es sind die anderen, die das nicht verstehen Soo. Vielleicht, wenn sie wüssten was Liebe wirklich ist, würden sie uns verstehen." Er lächelte wie die Sterne am Nachthimmel, die Sonne beim Aufgehen und die Kirschblüten, die im Frühling blühten. Er lächelte und war die Liebe seines Lebens. Würde es für immer sein.
Luhan zog ihn weiter, sie spazierten durch die Gegend und ignorierten die Blicke, die ihnen dabei zugeworfen wurden. Luhans Kirschblütenanhänger erwärmte sich zwischen ihren Handflächen.