Die Rektorin, Miss Salla, trat schließlich erneut vor und blickte Kira von oben herab an.
„Solange du nicht zugibst Angel zu sein kannst du natürlich auch keine Vergünstigungen bei uns erhalten.
Doch das ist nicht weiter tragisch. Der Rat weiß wer du bist, da dich ja die Alliuuthe fanden.
Aber gut ... wenn du dich so sehr sträubst... kein Interview und kein Spiel heute, um dich hier bei uns ordentlich einzugliedern.
Um eine Sache darfst du mich nun bitten, dann gehst du dich besser ausruhen...
„Ich brauche eine komplettausgabe der aktuellen No-Name-Gesetze", platzte es sofort aus Kira heraus und alle Iinocc kamen schlagartig wieder zur Ruhe und starrten sie an, besonders Miss Salla.
„Du bittest mich also nicht um ein Zimmer oder ein Bett, wohin du dich nun verkriechen gehen kannst?", fragte sie Kira nun reichlich ausdruckslos, weil ungläubig oder fassungslos.
Die aber hob nur wieder erbittert den Kopf.
„Nein, weil mir das nichts bringt, wenn ich mich hier nun, wenn auch erzwungen, unter Iinocc bewegen muss. Da ist nun jeder einzelne Schritt wie Treibsand für mich.
Ich muss also nachlesen was ich darf und was nicht, sonst bin ich tot oder werde zumindest schwer bestraft. - Macht ihr Iinocc doch sicher nur zu gerne, nun da jeder annimmt, dass ich Angel bin."
Eine Stecknadel, die zu Boden fiele, hätte nun sicher wie ein Gongschlag gewirkt. Alle starrten sie nur noch riesengroß an, doch Kira hatte nun wirklich keine Kraft mehr, um noch weiter mit denen zu diskutieren.
„Ich bin immer noch eine No-Name, ein Arbeiterkind ... und Gesetze zur Gleichstellung, selbst in Sonderfällen, gibt es nicht!
Ich habe mich nun also strikt Gesetzeskonform zu verhalten oder ich muss die harten Konsequenzen tragen, Miss Salla. Die in neunzig Prozent meinen Tod oder auch den meiner Angehörigen bedeuten.
Und auch wenn die Iinocc uns No-Name für generell ungebildet halten, wage ich das doch mal zu bezweifeln.
Jeder einzelne von uns muss am Tage seiner Schulentlassung ein voll ausgebildeter No-Name-Jurist sein, um nicht bald schon wegen einer Nichtigkeit zu sterben.
Obschon für euch Iinocc ja bereits unser Leben eine Nichtigkeit darstellt, die bestraft gehört.
Trotzdem erwarten es die Beamten, die Polizei und die Regierung von uns allen, dass wir stets genau wissen was wir tun.
Und eben weil wir für euch alle nur unintelligenter Bodensatz sind, gelten für uns Menschen auch völlig andere Gesetze als für eure perfekten Akademie-Schüler!
Die meisten davon kenne ich vermutlich auch schon. Aber im direkten Umgang mit Vorgesetzten oder Verantwortlichen Iinocc sollte ich erst nächstes Jahr den Iinocc vs. No-Name Rechtskurs besuchen.
Ich kam ja immerhin bei den Prüfungen noch in die bessere Hälfte der Klassenbewertungen. Ich dürfte also doch noch für ein weiteres Jahr die Schule besuchen, statt bereits ausgemustert und damit in die Fabrik oder bald schon zur Sexarbeit gezwungen zu sein ...", stellte sie kalt spielend klar.
Und wieder sahen sie alle hier nur an als hätte sie ihnen ein Brett vor den Kopf gehauen.
„Wovon zum Teufel redet sie da?"
„Sie durfte noch ein weiteres Jahr die Schule besuchen, weil sie in der besseren Hälfte der Klassenbewertungen war?"
„Und sie werden zu Fabrik- und Sexarbeit gezwungen...???"
„Ist sie verrückt?"
„Scheint so. Denn sie will lieber ein Gesetzbuch haben als ein Bett zum schlafen. Bin echt gespannt was Miss Salla nun macht..."
Die leisen Stimmen waren nicht zu überhören. Doch Kira sah nicht zu den Iinocc-Playern hin, sondern blickte nur noch die Rektorin auffordernd an, die sie nun reichlich verkniffen musterte.
„Das war auch wieder ein Test, oder?", folgerte Kira schließlich grimmig. „Mache ich alles einfach nur mit, wie es mir befohlen wird, dann bin ich tatsächlich dumm und gehöre natürlich bestraft.
Weil ihr Iinocc den illegalen Player Angel nun auf jeden Fall noch für sein überragendes Spiel im Multiverse bestraften wollt. Geht ja auch gar nicht an, das reine Perfektion die man hier ja nur findet von einem idiotischen No-Name ohne Bildung und Intelligenz übertroffen wird.
Ihr gebt so viel Geld aus, nur um euch Elite zu nennen. Und dann kommt ein normaler Mensch daher und zeigt euch allen wie's besser geht.
Natürlich dreht ihr da nun vollkommen ab und sucht nach Schuldigen.
Ist mir aber schnurzegal.
Ich weiß das ich jetzt schon tot bin.
Seit ich einen Fuß auf diesen heiligen Hallenboden gesetzt habe weiß ich es. Ihr werdet nun sicher ab sofort und zu jeder Zeit Fehler bei mir provozieren, meine Familie dann dafür leiden lassen, dass ich welche begehe und vermutlich auch all meine Freunde und Bekannten nach und nach hinrichten.
- So wie immer.
Würde mich echt nicht wundern, wenn demnächst auch meine Schule in die Luft fliegt, einfach nur um alle dafür zu bestrafen, dass ich da zur Schule gegangen bin.
Angel... der angeblich beste Player im Multiverse? - Träumt weiter!
Denn das bin ich nicht!
Ich rühre kein Kisst mehr an, ich spiele das Spiel nicht mehr und ich werde garantiert auch niemals zugeben jemand zu sein der ich nicht bin!
- Haben sie das nun alle hier verstanden...?
Mit ihrer überragenden Intelligenz, sollte das doch nun wirklich nicht so schwer sein, oder?", fragte sie die Rektorin noch spöttisch, doch die hob nun wieder völlig kalt den Blick und wandte sich dann lediglich an Prometheus.
„Zeige ihr die Bibliothek und suche die Gesetzbücher für No-Names für sie heraus, wie sie es sich wünscht, bevor du in dem Unterricht der Frischlinge gehst."
„Ja, Miss Salla, verzeihen sie bitte..."
„Schon gut! Wir wussten ja bereits, dass es mit einem No-Name an der Akademie nicht einfach wird.
Mit völliger Verweigerung und dieser irren Paranoia hinsichtlich Bestrafungen und Hinrichtungen, wenn sie tut was sie soll, hatte ich indes nicht gerechnet.
Verständige bitte den Welt-Premier, Atho und berichte ihm von Angels Einstellung, hier absolut nichts tun zu wollen, denn es würde sonst gegen die geltenden No-Name Gesetze verstoßen. Sie wird trotz ihrer Begabung auch nicht mehr Gamen geschweige denn offiziell zugeben, dass sie Angel ist, da dies ja ebenfalls illegal ist und ihrer Umgebung laut Gesetz schaden würde.
Er soll das nun also bitte in der Regierung klären, bevor der intergalaktische Rat uns alle noch wegen unserer seltsamen Politik und Gesetze gegenüber Multivers-Champions disqualifiziert.
Ich habe zudem keine Ahnung wie er das morgen so als Welt-Premier dem Rat erklären will, dass es nicht mal ein gütliches Gewinner-Battle geben kann.
Nun... das ist aber nicht wirklich mein Problem. Ich bin nur die Rektorin dieser Akademie und habe zugestimmt Angel bei uns aufzunehmen, egal zu welchen Bedingungen auch immer.
Sie hat ihre gerade einzige Bedingung genannt. Sie studiert nun lieber geltende No-Name Gesetze als Spielverläufe, da es sie sonst schnell das Leben kosten könnte. - Welch ein Irrsinn!
Also nun ... der Rest der Studierenden, außer Prometheus der auf eigenen Wunsch hin gerne der Mentor für Angel sein wollte... zurück mit euch zu Spiel- Planung und Strategie. Wir haben wenig Zeit um die neuen Gamer auf die demnächst wieder anstehenden Junior-Landesmeisterschaften vorzubereiten!", klatschte sie in die Hände, und die perfekten Iinocc verzogen sich umgehend.
Nur Prometheus blieb tatsächlich mit seltsamen Gesichtsausdruck neben ihr stehen und wartete schlicht bis sie ihn anblickte.
„Was?", fragte Kira ihn dann patzig.
„Denkst du wirklich, dass du schon tot bist, nur weil wir dich heute hierhergebracht haben?", fragte er sie nun ziemlich düster.
Kira erzitterte leicht, konnte es einfach nicht unterdrücken.
„Hör mal, Iinocc... Was ich denke ist irrelevant. Ich weiß von Geburt an dass man als No-Name nicht auffallen darf, sonst stirbt man.
Folgende Szenarien sind bei uns ein tötungsgrund: Zu gut in der Schule, zu gut im Spiel, zu freundlich, zu hilfsbereit ärmeren und schwachen gegenüber, zu mitfühlend und unterstützend Klassenkameraden gegenüber, wenn man zu laut weint oder zornig laut wird, weil Freunde von der Polizei oder Weltordnungsbehörde abgeholt und mitgenommen werden; wenn man einen Suizid sieht, ihn aber nicht verhindern kann, wenn man im selben Haus wohnt wie jemand der sich umgebracht hat; wenn man einer Familie die mit verhungern lassen bestraft wird, das eigene Essen gibt; Wenn man lieber anderes Arbeiten will, als das wozu man eingeteilt wurde, wenn man die Arbeit auch aus Kräftemangel oder Ekel nicht gut genug verrichtet; wenn man anderen Menschen bei der Arbeit hilft, die neu in der Gegend oder Fabrik sind und noch nicht wissen was sie tun sollen; wenn man zu viele Fragen stellt, oder nachweislich nicht oft genug Staatsfernsehen schaut...", schnaubte sie ätzend und sah ihn demonstrativ verächtlich an.
„Es gibt hunderttausend wenn's in meiner Welt, die alle zum Tod führen, nur weil ihr Iinocc das irgendwann einmal so beschlossen habt.
Und ich stehe nun also auf der Todesliste, wegen Biene, meiner Freundin. Sie hat sich vor ein paar Wochen umgebracht, weil sie im Jahresabschluss knapp unter dem Durchschnitt gelandet ist.
Sie war nicht besonders hübsch. Sie hätten sie also vermutlich erst mal in die Fabrik gezwungen. Aber dazu war sie viel zu schwach, weil ihre Familie nie genug zu essen hatte und hätte es darum nicht geschafft.
Ihre Eltern haben letztlich nur bedauert, dass sie nicht alle zusammen gegangen sind, ... hab ich gehört.
Meine Eltern werden es nun sicher ebenfalls bedauern, dass wir uns dem damals nicht angeschlossen haben.
Aber so ist das nun mal.
Als No-Name kann man nur alles was einem widerfährt bedauern. Ich bedaure es gerade total hier zu sein ohne mich genügend gegen euch zur Wehr gesetzt zu haben. Zumindest dem Alliuuthe hätte ich noch eine reinhauen sollen. Werde ich vermutlich auch noch, wenn ich ihn wiedersehe.
- Bekomme ich jetzt die Gesetzbücher? Ich sollte nun echt lieber viel lernen statt mich auszuruhen. Damit ich dann für morgen auch wirklich weiß was ich tun muss. Denn ich hänge nun mal irrsinniger Weise an meinem erbärmlich unintelligenten Leben.
Und ebenso an meinen Eltern und Bekannten.
- Muss ein Iinocc aber nicht verstehen. In euren Adern fließt genmanipuliertes Eiswasser statt Blut.", erklärte die ihm so emotionslos wie nur möglich, obwohl sie nun am liebsten irgendwo heulend zusammengebrochen wäre.
Prometheus zumindest hielt nun wieder den Mund, nur der Ausdruck in seinen Augen hatte sich verhärtet, kurz sah sie auch seine Finger wie sie sich wieder entspannten. Er hatte sie gerade noch zu harten Fäusten geballt gehalten.
So eiskalt war er also doch nicht.
Auch gut.
Er wandte sich einfach um und ging auf eine große zweiflügelige Tür zu, die sich beim Näherkommen auch sofort öffnete und den Blick freigab auf unzählige Buchwände in unzähligen Reihen. Einer gigantisch großen Halle die offensichtlich erst später an das eigentlich historische Gebäude angebaut worden war.
Typisch Iinocc. Die zerstörten einfach alles was früher mal als Kulturgut galt. Und nannten sich dabei auch noch intelligent...
Ja klar!