»Darf ich dich fragen, ob bei dir alles in Ordnung ist oder kassiere ich auch eine Backpfeife?«, stupste mich Noel an, während wir auf unseren Plätzen saßen und mit Glück behaupten, – in dem Fall Danny und ich – dass wir für das Freundschaftspiel Tickets bekommen hatten. Es handelte sich hierbei nur um ein Freundschaftsspiel, dennoch für viele Gladbach Fans Grund, um ihr Team zu unterstützen. Besonders dann, wenn ein Team aus der Premiere League – die angeblich die beste Liga im Fußball überhaupt war – gegen ein deutsches Team spielte. »Du hast den armen Kerl–«
»Keine Backpfeife gegeben.«, unterbrach ich ihn und verdrehte dabei meine Augen. »Wenn er wirklich denkt, dass er ein paar Jugendliche verarschen kann, dann hat er sich die Falschen ausgesucht.«, kommentierte ich die vorherige Situation und zuckte anschließend mit meinen Schultern. »Aber ihn geschlagen habe ich nie.«, betonte ich es noch einmal und verschränkte dabei meine Arme vor meinem Oberkörper.
»Physisch zwar nicht, aber wenn Blicke einen töten können–«, fing Ricarda schmunzelnd an und beendete ihren Satz nicht.
»Der Kollege wär sicherlich fünf Meter unter der Erde.«, gab Danny noch seinen Senf dazu und lachte. »Aber wer bin ich schon? Ich sollte dankbar sein, dass du vorhin mehr Eier hattest als ich. Ohne deine dicken Eier, hätten wir nie die Karten bekommen und säßen höchstwahrscheinlich vor dem Stadion.«
»Bitte sag nie wieder, dass ich dicke Eier habe.«, ließ ich meine Unzufriedenheit gegenüber seiner Wortwahl anmerken und könnte in meiner derzeitigen Rage alles und jeden zu Kleinholz verarbeiten. »Und ich lasse mich nicht verarschen.«, gab ich in einem leicht trotzigen Ton von mir und fühlte mich im nächsten Moment wirklich schlecht. Ich wollte mit meiner schlechten Laune nicht die Stimmung runterziehen, da Noel und Ric wirklich das Spiel genießen wollten. Tatsächlich wollte ich das auch, doch Chelsea und mein Freund waren meine Gründe dafür. Und Danny tauchte nur auf, weil er meine Mitfahrgelegenheit war und da er an sich nichts gegen Fußball hatte, saß er nun mit im Boot.
Es könnte ein wirklich schöner Abend unter uns Freunden werden, wenn ich meine Launen unter Kontrolle bekam und nicht jeden gleich versuchte anzugiften oder die Augen auszukratzen.
Und mit diesem Gedanken atmete ich tief durch und fuhr mir durch meine Haare. »Er hatte noch ein paar Karten, ich wusste es und habe für sie auch bezahlt. Es steht nicht mehr in Raum, ob er sie für sich und seine Freunde zurückgelegt hat oder sie noch schnell woanders verticken wollte.«, sagte ich nun in einem viel ruhigeren Ton und schloss mit der Thematik innerlich ab.
»Alles klar.«, nickte Noel mit seinem Kopf und schenkte mir einen kurzen Blick von der Seite, bevor er seine Aufmerksamkeit dem Spielfeld schenkte und ebenfalls mit der Thematik abgeschlossen hatte.
Nur Danny, der einem tierisch auf die Nerven gehen konnte, gab zwischendurch ein paar Kommentare ab und hielt sich für einen Witzbold. Seine Bemerkungen durften wir uns tatsächlich bis zum Anstoß anhören, denn ab da war er mit dem Sport Feuer und Flamme. Er und Noel, die in manchen Momenten gar nicht mehr ruhig auf ihren Plätzen sitzen konnten und teilweise irgendwelche Anweisungen an die Gladbach Spieler brüllten.
»Wissen die eigentlich, dass es sich hierbei um ein Freundschaftsspiel handelt?«, kicherte Ricarda über die Reaktion der beiden Jungs und hielt ihr Handy in ihre Richtung, während ich viel mehr auf meinen Freund auf dem Spielfeld konzentriert war. Gerade schaute ich ihm das erste Mal zu, wie er inoffiziell wieder für seinen Verein spielte und die Mentalität mitbrachte, die ich bei den Spielen für Derby gesehen hatte.
Das königsblaue Trikot stand ihm wirklich sehr und ich hatte bis vor ein paar Sekunden gar nicht gewusst, wie attraktiv die Farbe tatsächlich an ihm aussah. Dementsprechend freute ich mich viel mehr auf das erste Spiel im heimischen Stadion.
»Seht ihr das? Sie hat nur Augen für ihren Freund.«, wedelte Danny lachend vor meinen Augen und diskutierte diesmal nicht über die Entscheidung des Schiedsrichters.
»Was glaubst du, warum ich hier bin? Sicherlich nicht, weil ich Gladbach unterstütze!«, konterte ich und schenkte ihm einen typischen "DUH" Blick. »Ich bin noch immer eine Schwarz-Gelb Borussin.«
»Ein Grund, warum ich den Respekt zu dir verloren habe.«, entgegnete Noel und ließ natürlich nicht unausgesprochen, dass er mein Team nicht ausstehen konnte. »Aber sieh mal einer an, wer sich freiwillig–«
»Wenn ich echt Bock darauf hätte, hätte ich mich sicherlich mit dir darüber gebeeft. Aber ich bin nicht für Gladbach hier, sondern für fucking Chelsea aka mein Freund.«, zischte ich den letzten Satz und wollte nicht, dass die um mich herumstehenden Fans hörten, dass ich gar nicht auf ihrer Seite stehen wollte. »Wenn es nur Tickets dafür gegeben hätte, säße ich auf der anderen Seite.«, machte ich klar und musste Lachen, als er daraufhin nichts erwiderte.
Dafür ging es bei der nächsten Fehlentscheidung des Schiedsrichters wieder bei den Jungs los und ließ mich momentan einfach nur auf ein schnelles Ende hoffen.
Am Ende stand es für beide Teams Unentschieden und ich wusste nicht, ob ich mich auf ein Unentschieden freuen sollte. Aber da es sich hierbei nur um ein Freundschaftsspiel handelte, so oft ich mir das in den letzten Minuten einreden musste, konnte mir das Ergebnis gleich bleiben und mich darüber freuen, dass Mason sich nicht in einer blöden Stimmung befand – Eine Niederlage einstecken zu müssen war der Horror, doch ein Unentschieden? Keiner der beiden Teams hatte in diesem Spiel gewonnen oder verloren. In diesem Fall zählte dann nur die individuelle Performance.
Nach dem Spiel saßen wir noch weiter auf unseren Plätzen und überlegten, ob wir zu den Parkplätzen sollten und dort ein paar Spieler – die Noel unbedingt noch hautnah miterleben wollte – abfangen konnte. Aber da er nach langer Überlegung heute keine Schlägerei mit irgendwem anfangen wollte, schob er das aufs nächste Mal. Auch ich entschied mich gegen das Abfangen von Spielern, in diesem Fall nur Mason, und glaubte, dass wir mehr Glück am Hotel hatten.
Leider wurde meine Glaube mehrfach in den Dreck geworfen, als wir nach dem Spiel das Hotel der englischen Gäste erreichten und dies total überfüllt von Menschen waren, die unbedingt ein Autogramm wollten.
»Du kommst da nicht durch ohne dich da durchzuprügeln.«, murmelte Danny neben mir und beobachtete die Szene mit verschränkten Armen.
»Es geht im Leben auch ohne Gewalt.«, sprachen Ricarda und ich gleichzeitig aus und schauten uns im nächsten Moment lachend an. »Aber jetzt in echt. Es geht auch ohne Gewalt. Wir warten einfach bis sich die Menge von alleine gelöst hat und dann können wir hin.«
»Das bedeutet, dass wir hier jetzt stehen und... warten?«
»In der Tat, Noel.«, nickte ich mit einem breiten Grinsen auf den Lippen und holte mein Handy heraus, um auch Mason von meinem Plan zu berichten.
So passierte es, dass wir über eine Stunde warteten und aus der Ferne die sich langsam auflösende Menge beobachteten. In der Zeit hatten wir uns auch in der naheliegenden Pizzeria eine Pizza bestellt und machten es uns tatsächlich auf einer tiefen Mauer gemütlich.
»Wie lange wollen wir denn noch warten?«, stöhnte Danny auf und warf einen Blick auf sein Handy.
»Solange bis ihr blöder Freund, den ich übrigens sehr gut leiden kann, sich blicken lässt. Dafür sind wir dich hierher gefahren, Mensch!«, antwortete Noel in einem selbstverständlichen Ton und lachte leicht dabei. »Aber ich möchte schon daran erinnern, dass wir gerade zwei Stunden vor Mitternacht entfernt sind und meine Eltern mich danach wohl nie mehr rausgehen lassen.«, ließ er anmerken.
»Ich weiß und ich bin euch wirklich dankbar für.«, seufzte ich und war ihnen fürs Warten wirklich dankbar. Sie hatten nicht wirklich einen Grund gehabt, um auf Mason zu warten und trotzdem saßen sie hier. »Wir kommen bei so einer Security niemals durch, deshalb muss er raus. Und das stellt sich gerade nicht als sehr einfach heraus.«, erklärte ich ihnen und warf dabei einen Blick auf mein Handy, wo ich schon leicht ungeduldig auf eine weitere Nachricht von meinem Freund wartete. »Ist das stressig!«, stöhnte ich auf und fuhr mir durch meine Haare.
»Brauchst du 'ne Kippe?«, fragte Danny mich und hielt mir seine entgegen, die er vor wenigen Sekunden noch für sich anzünden wollte.
»Nein, danke. Rauchen ist ungesund.«
»Ob du massenweise Süßigkeiten isst oder jetzt gerade eine Kippe rauchst, macht kein Unterschied. Beides ist ungesund.«, verglich er eine Kippe mit Süßigkeiten.
»Der Unterschied ist, dass ich von einer eine schwarze Lunge bekomme. Bei Süßigkeiten bekomme ich höchstens einen Zuckerschock und Diabetes.«, nannte ich ihm die Unterschiede und lehnte weiterhin seine Kippe ab. »Danny, lass das.«, lachte ich auf und drückte seine Hand immer weiter weg. »Ich steck dir das Ding gleich in den Rachen, wenn du nicht aufhörst.«
»Ist das eine Drohung?«
»Ein Versprechen, wenn du weiter machst.«, konterte ich schnell und schenkte ihm einen ernsten Blick, den ich nach paar Sekunden gar nicht mehr halten konnte und lachen musste.
»Verrückt.«, lachte er leicht und verdrehte seine Augen.
Das Vibrieren von meinem Handy bekam meine Aufmerksamkeit und ließ mich im nächsten Moment erleichtert ausatmen.
»Er ist unten.«