Das Feuer des Lebens

By Katthani22

43.1K 2.2K 148

Junie ist vierzehn Jahre alt und lebt allein auf der Straße, als sie eines Tages plötzlich den Whitebeardpira... More

Kapitel 1 - Alltag
Kapitel 2 - Sowas von KEIN Alltag
Kapitel 3 - Die Piraten und das Mädchen
Kapitel 4 - Unterkunft und Papierkrieg
Kapitel 5 - Ein Abend in Gesellschaft
Kapitel 6 - von Kleidern und Flatulenzen
Kapitel 7 - Running Gag
"Kapitel 8 - Das wandernde Viertel"
"Kapitel 9 - Phönixfeuer"
10 - Der Überfall"
"Kapitel 11 - Wagemut"
"Kapitel 12 - Flucht"
"Kapitel 13 - Die Rache des Vizeadmirals"
"Kapitel 14 - Weil wir Dich gern haben"
Kapitel 15 (Special) - Der Zorn des Kaisers
Kapitel 16 - Erwachen
Kapitel 17 - Werde meine Tochter
Kapitel 18 - Kleine Schwester, große Brüder
19.Kapitel - Rülpsen, Rundgang und rote Ohren
20.Kapitel - Die erste Division
21.Kapitel - Auf flammenden Schwingen
22.Kapitel - Namur
23. Kapitel - Neujahr bei den Whitebeards
24.Kapitel - Spa Island
25.Kapitel - Liebe und Leid
26. Unverzeihlich (Teil 1)
27. Unverzeihlich (Teil 2)
28. Kummer im Paradies
29. Spurensuche
30 Kapitel - Bittere Enttäuschung
31.Kapitel - Vorbereitung
32.Kapitel - Die Schlacht
33. Kapitel - Der Feind in mir
34. Kapitel - Nachwirkungen
35. Kapitel - Unerwartete Begegnung
36. Kapitel - Schwere Entscheidung
37. Kapitel - Abschied nehmen
38. Kapitel - Aufbruch
39. Kapitel - Alte Freundin, neue Wege
40.Kapitel - Loguetown
41 Kapitel - Gehaltenes Versprechen
42. Kapitel - Gum Gum ins Gesich
43. Kapitel - Wiedersehen
44. Kapitel - Die Gaunerbibliothek
45 Nächtlicher Überfall
46 Richtungswechsel
47 Der Kaiser und sein Vize
48 Ein erstes Gespräch"
49 Willkommen auf der Red Force
50 Lehrstunde(n)
51 Zwei auf einen Streich
52 "Reue"
54 Das Feuer des Leben
55 Heimweh
56 Prügel, Pläne und Party
57 Worlds Ass
58 Epilog
"Outtakes"

53 Die geheime Einrichtung

509 31 2
By Katthani22

Einen wunderschönen guten Tag ihr tollsten aller Leser!

Sooo… da wären wir. Ich hoffe, ihr seid soweit? In zwei sehr düsteren Kapiteln verarbeiten Junie und Yanna jetzt endlich ihre Vergangenheit. Wird sicherlich nicht schön, ist aber zwingend notwendig für die beiden, vor allem natürlich für Junie. Also würde ich sagen, Augen zu und durch, oder?

Ich wünsch euch natürlich trotzdem ein tolles Wochenende und viel Spannung beim Lesen. Bis zum nächsten Mal! <3

GlG
Ancarda

__________________________________________________

„Sicher, dass du nichts willst?“, fragte Yanna zum siebten Mal und hielt Junie besorgt die Flasche vors Gesicht. Zum siebten Mal schüttelte Junie den Kopf, den Blick starr auf ihre Kajütenwand gerichtet. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und ihr ganzer Körper war angespannt bis auf den letzten Muskel.
Neunzehn Tage hatten sie von Yuvilé bis zur Red Line gebraucht, und heute war der sechste Tag auf der Grandline.
Die selbe Zeitspanne wie damals - jeden Moment würde…
„Land in Sicht!“
Synchron fuhren die beiden jungen Frauen bei dem gedämpften Ruf zusammen und verloren sichtlich an Farbe.
„Oh scheiße… oh scheiße…“, murmelte Yanna immer wieder und rollte nervös die halbvolle Flasche Rum zwischen den Händen hin und her. Sie hatten das Ziel ihrer Reise erreicht… die Insel, auf der alles begann.
„Fought…“, hauchte Junie und rieb sich über die Schläfen.

Ob sie hierfür wirklich bereit war? Ihr Kopf pochte jetzt schon unangenehm, wie groß würde der Schmerz sein, wenn sie die Insel erst erreicht hatte?!
„Wir schaffen das, Jules!“, flüsterte die Handwerkerin, stellte den Rum weg und sah ihre Freundin an. „Wir MÜSSEN es schaffen! Wir wissen nicht, ob es uns überhaupt was bringt, aber wenn wir das schaffen, dann beweisen wir uns selbst, dass wir stark genug sind uns unserer größten Angst zu stellen! Die dürfen einfach nicht gewinnen… wir müssen das abschließen, okay?“ Ihrer tapferen Worte zum Trotz klang ihre Stimme eher flehend und zweifelnd, in ihren Augen lag Angst.

Junie griff nach ihrer Hand und drückte sie fest; sie fühlte sich genauso klamm an wie ihre eigene.
„Ja… du hast recht. Wir ziehen das durch! Das hier war der Sinn und Zweck unserer Reise… und Shanks hat extra für uns diesen Umweg gemacht… wir können jetzt nicht den Schwanz einziehen!“, erwiderte die Schwarzhaarige angespannt. Yanna lächelte verkrampft.
Den ganzen Vormittag hatten sie an Deck verbracht, aber die Stimmung war angespannt. Die Crew wusste, dass es auf der Insel eine geheime Marineeinrichtung für Piratenkinder gab, in der Junie und Yanna furchtbares durchlitten hatten und dementsprechend viele besorgte, mitfühlende Blicke ernteten die beiden. Vor allem Yasopp beschäftigte das sehr, da er ja selbst einen Sohn hatte - er hatte Yanna panisch gefragt, ob auch ein Lysopp unter den gefangenen Kindern gewesen war, was sie zu seiner grenzenlosen Erleichterung verneint hatte.
Dennoch hatten sich die beiden lieber in ihre Kajüte zurückgezogen, um den Blicken zu entgehen.

Zwei Stunden später klopfte es.
„Ja?“, stieß Junie mühsam hervor und Ben trat ein. Besorgt musterte er die beiden, ehe er sich zu ihnen aufs Bett setzte.
„Wir legen gleich an, der Steg sieht zwar etwas mitgenommen, aber noch stabil aus!“
Yanna atmete tief durch.
„Okay… danke!“, erwiderte sie bemüht ruhig und warf ihrer Freundin einen fragenden Blick zu. Die nickte stumm.
„Habt ihr euch überlegt, wie ihr vorgehen wollt? Wollt ihr allein gehen oder ist es in Ordnung, wenn Shanks und ich euch begleiten?“, fragte Ben leise. Er hoffte auf Letzteres; nach allem, was er bisher erfahren hatte, würde er seine Tochter sehr ungern allein lassen. Zu seiner Erleichterung sah sie ihn überrascht, aber hoffnungsvoll an.
„Das würdet ihr wirklich tun?“, fragte sie erstaunt, was er sofort bejahte.
„Natürlich. Wir wissen, dass das wirklich schwer für euch wird… vielleicht hilft es euch, wenn noch jemand dabei ist“, antwortete er ernst.

Yanna stieß erleichtert die Luft aus. In den letzten Wochen ihrer Reise hatte sie viel Zeit mit Shanks verbracht, hauptsächlich in den Trainingsräumen und an der Schiffsbar. Sie verstanden sich wunderbar und sie vertraute ihm mittlerweile vollkommen - außerdem hatte seine Gegenwart etwas Stärkendes, Beschützendes. Das konnte sie mit Sicherheit gut gebrauchen.
Auch Junie war ehrlich froh über das Angebot. Sie fühlte sich sehr wohl in Bens Gegenwart; ihre Beziehung zueinander war inzwischen sehr viel enger geworden.

„Danke!“, flüsterte sie aufrichtig und schenkte ihm ein leichtes Lächeln. Er erwiderte es zufrieden, doch dann wurde er wieder ernst.
„Immer. Hör zu, Junie: ich hab in den letzten Tagen viel mit Dan gesprochen und mir mit ihm eine Strategie überlegt, die es für dich leichter machen könnte, deine Erinnerungen zu ertragen!“, begann er und sicherte sich so die volle Aufmerksamkeit seiner Tochter.
„Und die wäre?“, hakte sie konzentriert nach. Ben sah sie fest an.
„Was war der absolut glücklichste Augenblick in deinem Leben?“, wollte er völlig unerwartet wissen.

Junie blinzelte irritiert, aber lang überlegen musste sie nicht.
„Der erste Flug mit Marco...“, antwortete sie prompt. Bens Augenbrauen zuckten hoch. Aha?
„Schließ die Augen und beschreib ihn mir in allen Einzelheiten - fühl dich vollkommen zurück zu diesem Moment!“, befahl er ihr leise und hoffte, dass das funktionieren würde.
Sie tat wie geheißen und schloss die Augen; blendete ihre angespannte Situation für einen Augenblick komplett aus und erinnerte sich. Ein warmes, glückliches Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie zu erzählen begann.

„Marco hatte mir schon in Curious versprochen, dass ich mit ihm fliegen darf… aber dann wurde ich verletzt. Als ich  kurz nach meiner Aufnahme in die Crew einmal ein wenig traurig war, hat er es nachgeholt und sich verwandelt. Der Phönix ist so wunderschön, Ben! Und sein Feuer… es ist unglaublich. Es fühlt sich kühl an, aber seine Lebenskraft spürt man im ganzen Körper prickeln. Zuerst hatte ich ein bisschen Bammel, als er abgehoben ist, aber… das war schnell vorbei. Es gibt auf der ganzen Welt nichts schöneres, als mit Marco zu fliegen!! Ich fühl mich einfach nur frei… frei und beschützt, weil ich weiß, dass er mich nie fallen lassen würde. Da oben bin ich so weit weg von allem… das hat mich immer unendlich glücklich gemacht…“

Ben blinzelte mehrmals und räusperte sich, was Yanna ein leichtes Grinsen entlockte.
„Das klingt wirklich schön... Behalte das Gefühl tief in dir, Junie. Du wirst jetzt gleich mit uns erneut die Insel und dann die Einrichtung betreten. Hol deine Erinnerungen nach und nach langsam bei jedem Schritt hervor und erzähl sie uns - aber Marcos Phönix wird dich vor dem Schmerz beschützen. Teil deine Gedanken in zwei Hälften, die eine erinnert sich, die andere fühlt sich weit weg von allem, was dir Leid zufügen kann. Es sind nur Erinnerungen, aber sie sind ein Teil von dir. Du hast es überlebt. Du warst stark genug dafür. All das hat dich zu dem Menschen gemacht, der du heute bist! Es hat dich zu Whitebeard gebracht. Zu deinen Brüdern. Zu Yanna. Zu mir. Lass dich nicht von den finsteren Gedanken mitreißen, flieg über sie hinweg und lass sie zu. Du bist keine Sekunde allein, das schwöre ich dir!“ Fest und entschlossen sah er ihr in die Augen.

Junie schluckte hart und atmete zittrig ein. Konnte das funktionieren? Mehrschichtiges Denken war ihr ja nicht neu... hatte Ben es deshalb in letzter Zeit verstärkt mit ihr geübt? Ein warmes Gefühl der Zuneigung breitete sich in ihr aus. Er hatte sich so viele Gedanken gemacht und wollte sie jetzt an den finstersten Ort ihres Lebens begleiten, ohne auch nur im Geringsten zu zögern.
„Danke Ben! Ehrlich! Ich bin froh, dass du auch bei mir bist“, flüsterte sie ergriffen und drückte kurz seine Hand. Er lächelte schmerzlich.

„Wenn ich es früher schon nicht war, dann wenigstens jetzt…“, seufzte er, doch dann straffte er sich und sah die beiden an. „Seid ihr soweit?“
Yanna und Junie warfen einander einen bangen, aber entschlossenen Blick zu.
„Ja!“, erklang es von den beiden synchron und sie erhoben sich. Auch Ben stand auf; das Schiff hatte angelegt.
„Dann lasst uns gehen!“

*******

Zusammen mit Shanks, der an Deck auf sie wartete und den beiden ein entschlossenes Lächeln schenkte, gingen sie von Bord und betraten den verwitterten Steg der Herbstinsel Fought.
Sie war wirklich nicht groß und absolut ungastlich; es nieselte leicht und dichter Nebel waberte über dem felsigen Strand und den angrenzenden, düsteren Kiefernwald, der einen großen Hügel bedeckte. Ein schmaler Pfad führte vom Steg in den Wald hinein.
„Wir sind wirklich wieder da…“, murmelte Yanna tonlos und starrte auf den Weg. Junie griff nach ihrer Hand und rückte dicht neben sie, während sie im Geiste Bens Plan umsetzte.

Sie teilte ihre Gedanken und hüllte sich in die schützenden Flammen von Marco; fühlte ihre tröstliche Energie und sah in seine ruhigen, klugen Augen. Langsam, sehr langsam, öffnete sie die Barriere um ihren Geist und erinnerte sich daran, wie sie das erste Mal an dieser Stelle gestanden hatte. Es klappte tatsächlich - zumindest im Augenblick. Trotzdem starrte Junie wie benommen auf den verwucherten Weg, der sie hoch zur Einrichtung führen würde.
Ben, der ihre Angst spürte, trat dicht neben sie und legte einen Arm fest um sie.
„Du schaffst das, Tochter. Wir helfen dir!“, sagte er ernst. Yanna schluckte ebenfalls, nickte jedoch angespannt und drückte ihre Hand. Shanks stellte sich hinter die beiden und strahlte auf einmal eine solche Kraft aus, dass sie sich unweigerlich beschützt fühlten. Junie atmete tief durch.
Sie musste es einfach schaffen.

Für Pops.

Für Marco.

Für ihre Brüder.

Für sich selbst.

Entschlossen ging sie los, doch jeder Schritt kostete Überwindung. Zwanzig Minuten lang  folgten sie schweigend dem holprigen, steilen Pfad durch den trostlosen Wald, ehe Ben das Schweigen brach.
„Erzähl, wie du das erste Mal hier langgegangen bist! Was du gedacht und gefühlt hast. Wenn es dir zuviel wird, bleib stehen!“, forderte er seine Tochter sanft auf. Die Erinnerungen zu verbalisieren würde ihr helfen, sie zu kontrollieren - so schwer es auch sein mochte. Aber es musste endlich raus.
Junie schluckte und atmete mühsam beherrscht aus.

„Ich… hatte Angst. Die beiden Männer, die mit mir hier hoch sind, waren gehässig und machten Witze darüber, dass mir mein böses Blut hier ausgetrieben wird. Und dass ich brav sein soll, weil es sonst sehr wehtun würde...“, erzählte Junie stockend, die Augen starr nach vorn gerichtet. Ihr Vater hielt sie fester.
Die Bäume lichteten sich, und wenige Sekunden später traten sie wieder ins Freie.
„Willkommen in deinem neuen Zwinger, kleiner Köter!“, widerholte sie brüchig die Worte, die man ihr an eben dieser Stelle vor neun Jahren spöttisch zugeflüstert hatte. Zitternd blieb sie stehen, ihr Atem stockte.

Auf einer kargen, steinigen Wiese am Rand eines Steilhangs erhob sich die vierstöckige Ruine der ehemaligen Marineeinrichtung. Die abweisenden, steinernen Mauern standen noch, aber das Dach sowie die Fenster und Türen fehlten oder waren zerbrochen. An vielen Stellen waren die Steine rußgeschwärzt. Über dem verwachsenen, stählernen Tor war das Marinesymbol eingraviert.
Obwohl die Natur sich das Areal bereits zurückeroberte und überall Efeu und Moos wuchs, besaß das Gebäude noch immer eine düstere Ausstrahlung.

Yanna umklammerte Junies Hand so fest, dass es wehtat. Doch sie war dankbar für den Schmerz, es half ihr gegen die bedrohlichen Bilder in ihrem Kopf. Mühsam drängte sie alles zurück, was in diesem Augenblick noch keine Rolle spielte. Schritt für Schritt, nicht alles auf einmal… Schritt für Schritt, wiederholte sie in Gedanken und konzentrierte sich auf den Phönix, bis sie wieder freier atmen konnte.
Yanna drückte erneut ihre Hand, während Ben ihr einen stolzen Blick zuwarf und ihre andere Hand nahm. Shanks klopfte ihr auf die Schulter. Seine Präsenz verstärkte sich erneut spürbar und gab ihr so zusätzlichen Rückhalt.

Gemeinsam traten sie auf das Gebäude zu. Ben riss einen kleinen Baum und mehrere Stränge Efeu vom offenen Tor weg, dann gingen sie hinein.
Yanna und Junie hielten gleichzeitig den Atem an.
„H-Hier war d-die Eingangsh-halle...“, stammelte Yanna und schluckte trocken. Viel übrig war davon nicht; spärliches Tageslicht fiel durch die zerborstenen Fenster und beleuchtete gesplitterte weiße Fliesen, zwischen denen Stellenweise Gras und Unkraut wucherte. Viele verbrannte Trümmer lagen verstreut herum, Wände und Decke waren rußgeschwärzt. Hier hatte das Feuer heftig getobt.

„Als ich ankam... stand hier rechts ein Empfangstresen. Wie in einem Hotel, nur... mit G-Gitter abgetrennt. E-ein paar Marinesoldaten saßen dahinter... zwei davon h-haben mich von den anderen übernommen...“, fuhr Junie tapfer fort und deutete dann ein Stück nach hinten zu einem halbverschütteten Durchgang. „Da war ein Büro. Da haben sie mich hingebracht und... mir Fragen gestellt!“
„Was für Fragen?“, wollte Shanks leise wissen. Junie schluckte, ihr Kopf pochte schmerzhaft und es war unheimlich schwer, die Erinnerungen nur Stück für Stück an die Oberfläche kommen zu lassen.

„Fragen über meinen Vater. Ob... ich ihn kenne. Ob ich ihn schon mal gesehen hab. Was ich... über ihn weiß. Und über meine Mutter. Ob ich weiß, wie ich gezeugt wurde. Wo das war und... wann. Das meiste wusste ich nicht! Ich konnte ihnen nur sagen wann und wo ich geboren wurde...“ Bens Hand verkrampfte sich kurz, sie spürte seinen Zorn aufwallen, doch er rief sich wieder zur Ordnung.
„Das taten sie bei mir auch. Es war ein Test... einige Kinder wurden fälschlicherweise hergebracht. Die Eltern nutzten die Gelegenheit, unerwünschte Plagegeister gegen Bargeld zu verschachern...“, fügte Yanna bitter hinzu. „Bei der Befragung war immer ein Vizeadmiral anwesend, im Nachhinein vermute ich, dass er Observationshaki beherrscht haben muss um von den Eltern eingetrichterte Lügen aufzudecken...“

Shanks knurrte.
„Elendes Pack. Sie müssen die Kurse und bekannte Aufenthaltsorte der angeblichen Väter mit den ungefähren Zeugungszeitraum verglichen haben. Mehr als das Wort der Verwandten hatten sie ja nicht...“, mutmaßte er finster. Junie nickte und blickte einen Raum weiter.
„Als das vorbei war... ging es da hinein...“, begann sie, stockte dann jedoch und atmete hektisch ein und aus.
Die erste schwierigere Hürde.
Auch Yanna war noch blasser geworden, doch sie überwand sich.
„Da drin war... ein Untersuchungszimmer. W-wir mussten uns a-ausziehen. Ganz...“, presste sie mühsam hervor. Ben stieß einen wirklich derben Fluch aus und rückte in einer instinktiven, beschützerischen Haltung näher an seine Tochter heran, als könne er sie irgendwie davor bewahren. Doch Junie erinnerte sich nun wieder zu gut an diese Demütigung.

„Zwei Ärzte der Marine untersuchten uns. Sie... notierten unseren allgemeinen G-gesundheitszustand, a-aber auch bestimmte k-körperliche Details w-wie Haarfarbe, Augenfarbe, Muttermale oder dergleichen... wohl auch, um sie m-mit denen der V-Verwandten abzugleichen. Bei mir haben sie gesagt... ‚ganz dein dreckiger Vater, was?‘ und dann gelacht...“ Junie sah zu Bens erstarrtem Gesicht und brachte ein kleines Lächeln zustande. „Ich sagte ‚Ja das bin ich und dreckig ist er auch nicht!‘, und ich war tatsächlich stolz drauf. Dafür hab ich hier meine erste Ohrfeige bekommen, aber das war mir egal!“

Impulsiv zog er sie an sich und atmete mühsam beherrscht in ihren Schopf.
„Tapferes Mädchen!“, murmelte er rau.
„...und wirklich ganz der Vater!“, fügte Shanks vollkommen ernst hinzu. Sie warf ihm einen unglaublich dankbaren Blick zu, das bedeutete ihr wirklich viel.
„Was passierte dann?“, nahm der Grauhaarige sichtlich widerstrebend den Faden wieder auf und nahm seinen Platz an ihrer rechten Hand wieder ein.
Yanna blickte mit leeren Augen zur Treppe.
„Sie haben uns... die Haare kurz geschnitten, uns andere Kleidung aus grauer Wolle gegeben und uns dann hier hoch gezerrt...“ Fast roboterhaft ging sie darauf zu und zog ihre Freundin mit.

Zum Glück schien das Treppenhaus unbeschädigt zu sein; lediglich manche der steinernen Stufen wiesen Risse auf oder waren rußig. Als sie im ersten Stock ankamen, blieben Shanks und Ben automatisch stehen, doch die beiden Frauen schüttelten synchron die Köpfe und gingen weiter.
„In diesem Stock waren die Quartiere der Angestellten und ihre Aufenthaltsräume während der Freizeit. Uns war der Zutritt hier verboten“, erklärte Yanna knapp und warf dem Durchgang einen wütenden Blick zu. „Während wir nahezu nichts hatten um uns zu beschäftigen, unterhielten sie sich in unserer Gegenwart laut darüber welche Bücher sie gerade lasen, wie lustig das Kartenspielen die Nacht davor war oder wer im Trainingsraum die beste Leistung gezeigt hatte...“

Im zweiten Stock blieben sie stehen. Zwei eiserne, vom Feuer unbeschädigte, aber durch die Witterung rostige Türen führten vom Treppenhaus ab; eine rechts, eine links. Die beiden Frauen warfen sich einen langen Blick zu, überraschenderweise sah Yanna bleicher aus als Junie.
„D-Das hier w-war UNSER S-Stockwerk...“, stammelte sie und versuchte, tief durchzuatmen. „Können wir zuerst nach rechts gehen?“, bat sie dann erstickt, was Junie zu ihrer sichtbaren Erleichterung sofort mit einem Nicken quittierte. Mit zitternden Händen griff sie nach der Klinke und rüttelte daran, doch sie rührte sich nicht.
„Geh mal zur Seite, Kleine...“, brummte Ben. Kaum war die Blonde seiner Anweisung gefolgt, trat der Vize mit grimmiger Befriedigung und enormer Wucht gegen die Tür. Mit einem misstönenden Kreischen, das in der Stille der Ruine gespenstisch hallte, verbog sich das Metall, riss aus den Angeln und flog mehrere Meter tief in den düsteren Gang.

Shanks‘ Mundwinkel zuckten, er konnte die Gefühle seines besten Freundes nachvollziehen. Aufmerksam spähte er in die Düsternis, es gab nur ein einziges, vergittertes Fenster am Ende des Ganges, das Licht spendete. Mehrere Türen waren zu sehen, die meisten geöffnet, nur eine verschlossen.
„Hier waren unsere Lehr- und Trainingsräume. Wobei das viel zu harmlos klingt... im Unterricht wurden uns permanent Gesetze, Regeln und die Strafen für Verbrechen eingetrichtert, außerdem erzählte man uns pausenlos von den Heldentaten der Marine, der glorreichen Geschichte der Weltregierung und den ehrwürdigen Weltaristokraten in Mary Joa. Und das sogenannte Training war nichts als eiserner Drill. Bewegung auf Kommando. Gehorsam. Disziplin. Natürlich auch Ausdauer- und Krafttraining, aber auf absolut unmenschliche Weise...“, klärte Junie leise auf und ließ die Erinnerungen daran an sich vorbeiströmen. Noch war es erträglich, das hier war zwar grenzwertig gewesen, aber verkraftbar.

„Hier hab ich die meisten Prügel kassiert...“, murmelte Yanna und deutete auf die verschlossene Tür rechts. Diesmal trat Shanks sie ohne Umschweife ein - ohne vorher zu prüfen, ob sie sich öffnen ließ.
Dahinter lag ein weitläufiger, langgezogener, sehr kahler Raum. Auf dem Boden waren noch schwach farbige Markierungen zu erkennen, von den Decken hingen Überreste von Seilen und an einer Wand standen morsche Holzgerüste zum Klettern.
„Wir sollten zu gefühllosen Maschinen gemacht werden... jeder kämpft für sich, wer zuerst vor Erschöpfung umfällt, bekommt Prügel. Ich bin nie als erstes umgefallen, aber ich hab denjenigen immer aufgeholfen...“, erzählte Yanna grimmig. Junie warf ihr einen schmerzlichen Blick zu.

„Ja... mir zum Beispiel... und dann hast du die Schläge dafür bekommen. Aber du hast es immer wieder gemacht...“, ergänzte sie tonlos. Shanks legte der Blonden mit grimmigem Stolz seine Hand auf die Schulter.
„Lys hätte das genauso gemacht. Sie wäre sehr stolz auf dich!“
Überrascht von diesem völlig unerwarteten Lob blinzelte Yanna. Wäre sie das wirklich? Darüber hatte sie noch nie nachgedacht, aber… ja, das wäre sie wohl tatsächlich. Immerhin war sich ihre Tochter trotz widrigster Umstände treu geblieben, hatte überlebt und sogar anderen nach Kräften geholfen.
Ja, Lilian wäre stolz auf ihr Kind gewesen.
„Danke, Shanks...“, flüsterte sie aufrichtig, was er mit einem kräftigen Druck auf ihre Schultern quittierte. Ein sehr angenehmes, warmes Gefühl breitete sich in ihr aus und ließ sie leichter atmen.

Gemeinsam gingen sie jeden Raum dieses Ganges ab, die aber nicht mehr viel enthielten; die meisten hatten nur Tische, Stühle oder anderes Mobiliar enthalten und das war entweder dem Feuer zum Opfer gefallen oder der Witterung.
Es dauerte nicht lang, da standen sie wieder im Treppenhaus und blickten auf die linke Tür. Yanna versuchte krampfhaft, ruhig zu bleiben.
„Wohin führt diese Tür?“, fragte Shanks leise und legte beschützend den Arm um sie, wofür sie ausnahmsweise wirklich dankbar war.
„Unsere Wasch- und Schlafräume. Und... die Disziplinarräume“, antwortete Junie stockend und atmete tief durch. Diese Tür ließ sich öffnen, wenn auch mit einem rostigen Quietschen.

Der Gang sah fast identisch aus wie der letzte, nur dass die Türen allesamt verschlossen waren. Sehr zögerlich gingen die beiden jungen Frauen hinein. Junie berührte jede Tür auf der linken Seite und murmelte die Namen der Kinder, die dort geschlafen hatten. Holte die Erinnerungen an sie hervor.
„Zack... Katie... Typhoon... Freddy... Nadine... Daichi... Hitoshi... Ryu... Lex... Jessika... Goku... Rei... Josy... Yasin... Ly... Danny... Hayate... Carlos... Kitai... Masao... Michiru... Arion... Sasori... Takumi...Jacob... Andres... Elani... Melika... Noelani... Nalani...“ Trocken schluckte sie. All diese wunderbaren Menschen, die sie durch ihre schlimmste Zeit hindurch begleitet und für sie immer einen Lichtblick bedeutet hatten... ihr einen Anstoß gegeben hatten, wann immer sie drohte zu verzweifeln... jeder für sich so einzigartig und unersetzlich wertvoll. Es bedeutete ihr viel, wieder an sie denken zu können! Sich endlich wieder erinnern zu dürfen.
Bei der vorletzten Tür stockte sie. „Unser Zimmer...“

Yanna und Junie betrachteten die Eisentür mit dem kleinen, vergitterten Schiebefenster furchtsam. Ben trat schließlich vor und ließ sie mit einem wuchtigen Schulterstoß aufspringen.
Kühle Luft schlug ihnen entgegen. In dem kleinen, quadratischen Raum standen zwei schmale Pritschen; die Überreste von zwei Decken und etwas Stroh waren darauf erkennbar. Der Boden lag unter zentimeterdickem Dreck und Staub verborgen. Zwei völlig verrostete Spinde standen jeweils daneben, ansonsten war der Raum kahl und leer.

Ein kalter, trostloser Ort für zwei Kinder.
„Wie lang habt ihr hier leben müssen?“, fragte Ben dumpf. Der Gedanke daran, dass seine Tochter hier eingesperrt gewesen war, schnürte ihm die Kehle zu. Junie drückte sich an ihn und er umschloss sie fester.
„Zweieinhalb Jahre. Yanna Dreieinhalb. Sie war eine der Ersten, die hier hergebracht worden sind…“, antwortete sie heiser, während sie nach und nach alle Erinnerungen hervorholte, die sich in diesem Zimmer abgespielt hatten.

„Da rein, los beweg deinen Arsch! Und hör auf zu heulen. Wenn gleich die Lichter ausgehen, herrscht hier absolute Ruhe, verstanden?“ Streng starrte der grauhaarige, schlanke Marineleutnant mit dem Schnauzbart auf das verweinte, schwarzhaarige Mädchen, das ein Bündel Kleidung umklammerte als wäre es ein Plüschtier. Sie nickte, konnte ein verzweifeltes Schluchzen jedoch nicht unterdrücken. Er schlug ihr grob auf den Hinterkopf.
„Dummes Gör, ich sagte, du sollst mit der Heulerei aufhören! Und jetzt rein mit dir!“ Sichtlich genervt schloss er eine Eisentür auf und stieß sie unbarmherzig hinein, sodass sie ins Stolpern kam. „In zehn Minuten geht das Licht aus!“ Ohne ein weiteres Wort schlug er die Tür zu. Das Mädchen zuckte bei dem lauten Knall heftig zusammen und kauerte sich auf dem Boden zusammen.

„He... hab keine Angst!“
Erschrocken fuhr sie hoch und blickte in die warmen, karamellfarbenen Augen eines blonden Mädchens. Sie war etwas größer und sicherlich auch ein paar Jahre älter und trug die selben grauen Klamotten wie sie selbst. Ihr linkes Auge war von hellgrünen und gelben Flecken umrandet und auch auf ihrer Stirn prangten die Überreste eines verheilenden Blutergusses. Sie wirkte sehr blass und erschöpft, doch ihr Lächeln war warm. Langsam setzte sie sich neben sie.
„Ich bin Yanna, und wer bist du?“, fragte sie einfühlsam. Die Schwarzhaarige fühlte sich gleich ein wenig besser - das waren die ersten, netten Worte, die sie seit Wochen gehört hatte.
„Ich bin Juniper... oder Junie...“, flüsterte sie erstickt und schniefte so leise wie möglich.

„Das ist ein schöner Name! Komm, setzen wir uns aufs Bett. Das Licht geht gleich aus, nicht, dass du dich erschrickst!“, erklärte Yanna leise und zog die Jüngere sanft auf eins der Betten.
Schüchtern folgte Junie ihr und hockte sich ganz dicht an die Blonde. Die legte ihr überraschend sogar den Arm um die Schultern, was ihr in diesem Moment aber unheimlich gut tat. Schweigend saßen sie nebeneinander bis es ohne Vorwarnung plötzlich dunkel wurde. Yanna atmete hörbar auf. Es klang... erleichtert?

„He... hab keine Angst!“
Erschrocken fuhr sie hoch und blickte in die warmen, karamellfarbenen Augen eines blonden Mädchens. Sie war etwas größer und sicherlich auch ein paar Jahre älter und trug die selben grauen Klamotten wie sie selbst. Ihr linkes Auge war von hellgrünen und gelben Flecken umrandet und auch auf ihrer Stirn prangten die Überreste eines verheilenden Blutergusses. Sie wirkte sehr blass und erschöpft, doch ihr Lächeln war warm. Langsam setzte sie sich neben sie.
„Ich bin Yanna, und wer bist du?“, fragte sie einfühlsam. Die Schwarzhaarige fühlte sich gleich ein wenig besser - das waren die ersten, netten Worte, die sie seit Wochen gehört hatte.
„Ich bin Juniper... oder Junie...“, flüsterte sie erstickt und schniefte so leise wie möglich.

„Das ist ein schöner Name! Komm, setzen wir uns aufs Bett. Das Licht geht gleich aus, nicht, dass du dich erschrickst!“, erklärte Yanna leise und zog die Jüngere sanft auf eins der Betten.
Schüchtern folgte Junie ihr und hockte sich ganz dicht an die Blonde. Die legte ihr überraschend sogar den Arm um die Schultern, was ihr in diesem Moment aber unheimlich gut tat. Schweigend saßen sie nebeneinander bis es ohne Vorwarnung plötzlich dunkel wurde. Yanna atmete hörbar auf. Es klang... erleichtert?

„Freust du dich, wenn es dunkel wird?“, wollte Junie verwirrt wissen. Ihre Zimmergenossin seufzte schwer.
„Nein... ich hab eigentlich Angst im Dunkeln, aber...“ Sie spürte, wie sich ihre Arme fester um sie legten. „...es heißt auch, dass wieder ein Tag vorbei ist. Ich hab einen weiteren Tag überlebt. So musst du ab jetzt denken, Junie. Jeder Tag endet. Hast du verstanden?“
Junies Kehle schnürte sich zu. Das klang so schrecklich! Sie hatte Angst, furchtbare Angst. Aber...
„Wenn… wenn du meine Freundin bist, schaff ich das! Zusammen kann man alles schaffen... das haben Ace und Sabo mir beigebracht... aber... allein kann ich das nicht! Ich will nicht allein sein… ich hab Angst. Bitte hilf mir, Yanna!“, wimmerte Junie erstickt.

Sie spürte, wie das blonde Mädchen schwer ausatmete, doch dann kuschelte sie sich enger an sie.
„Ich helf dir, Junie. Zusammen überleben wir das, versprochen!“

Continue Reading

You'll Also Like

10.2K 94 112
Eigentlich dachte Mira immer sie würde auf nette, freundliche und romantische Typen stehen. Sie dachte es... Bis Tom Riddle ihr eines Tages zu nahe k...
103K 4.6K 141
Sophia verliert bei einem Autounfall beide Elternteile. Weitere Familie hat sie nicht. Sophia ist 14 Jahre alt, als sie ihre Eltern verliert und vor...
41.6K 1.6K 15
Du sollst in der Schule ein Referat über Michael Myers halten und ein Interview bringt dir Pluspunkte, die du gebrauchen kannst. Widerwillig stattest...
13.7K 675 84
Hi mein Name ist Kimberly und ware viele in meiner Welt, es war anstrengend aber das muss sein. Ich lernte fleißig, als eines Tages wo ich aufwachte...