Captured | Band 1

By theclaramay

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[•Wenn die WAHRHEIT dein TODESURTEIL ist ...•] Clove wünscht sich nichts sehnlicher, als endlich eine Wächter... More

Vorwort
Prolog
Kapitel 1.1
Kapitel 1.2
Kapitel 2.1
Kapitel 2.2
Kapitel 3.1
Kapitel 3.2
Kapitel 4.1
Kapitel 4.2
Kapitel 5.1
Kapitel 5.2
Kapitel 5.3
Kapitel 6
Kapitel 7.1
Kapitel 7.2
Kapitel 8.1
Kapitel 8.2
Kapitel 8.3
Kapitel 9.1
Kapitel 9.2
Kapitel 10.1
Kapitel 10.2
Kapitel 10.3
Kapitel 11.1
Kapitel 11.2
Kapitel 12.1
Kapitel 12.2
Kapitel 12.3
Kapitel 13.1
Kapitel 13.2
Kapitel 13.3
Kapitel 14.1
Kapitel 14.2
Kapitel 15.1
Kapitel 15.2
Kapitel 15.3
Kapitel 16.1
Kapitel 16.2
Kapitel 16.3
Kapitel 17.1
Kapitel 17.2
Kapitel 17.3
Epilog
Danksagung
Meet the Characters
Band 2

Kapitel 14.3

202 24 72
By theclaramay

Auf dem Weg zu unserem Schlafblock redete Nik ohne Punkt und Komma, während ich ihm kaum zuhörte, sondern darüber nachgrübelte, ob die Entscheidung, die ich getroffen hatte, wirklich die richtige gewesen war. Ein Zurück gab es jetzt jedoch nicht mehr. Die Chance hatte ich verwirkt, als ich vor massenhaft Zeugen den Platz in Dax' Team angenommen hatte.

Nun stand ich in meinem Schlafabteil und schälte mich aus meiner Trainingskluft, wobei ich beim Ausziehen der Hose beinahe mein Gleichgewicht verlor, mich aber im letzten Moment noch an der Leiter des Hochbettes festhalten konnte.

Sorgsam schloss ich die letzten Knöpfe der braunen Jacke, schlang dann den zugehörigen Gürtel um meine Taille und schlüpfte in die hohen Stiefel. Als ich fertig war, rückte ich gedankenverloren die Uniform zurecht. Sie passte mir wie angegossen, als wäre sie extra für mich angefertigt worden.

Obwohl die einzelnen Kleidungsstücke teilweise mit Platten verstärkt worden waren, um die lebenswichtigen Regionen des Körpers zu schützen, fühlte sich die Uniform erstaunlich leicht an. Ein wenig bewegungseinschränkend vielleicht, jedoch bei Weitem nicht so sehr, wie ich erwartet hatte.

Der Stoff, der von denselben braunen Plättchen überzogen war, die ich schon auf der Maske beim Training erfühlt hatte, war erstaunlich angenehm. Die Kleidung musste unglaublich teuer sein und mein Herz schlug höher bei dem Gedanken, dass nach sechs Jahren etwas mir gehörte, was nicht zusammengeflickt oder selbst hergestellt, sondern von solch einem Wert war.

Ich lächelte schwach, als ich merkte, wie ein befriedigendes Gefühl meinen Körper durchströmte. Anscheinend war auch ich gegen den Charme von Reichtum nicht völlig immun – so klein er in diesem Moment auch sein mochte.

Ich trat vor den Spiegel, der über dem Waschbecken hing und band meine langen Haare zu einem Knoten kurz oberhalb meines Nackens zusammen. Die etwas elegantere Frisur schien mir geeigneter für die Vereidigung zu sein als mein unordentlicher Zopf, den ich sonst immer beim Training trug. Als ich mich im Spiegel betrachtete und noch einmal – dieses Mal aus Nervosität – meine Jacke zurechtzupfte, weiteten sich meine Augen staunend.

Ich sah so ... erwachsen aus.

Die Kleidung verlieh mir eine Härte, die ich noch nie an mir wahrgenommen hatte. Sie ließ mich aufrechter stehen und ohne, dass ich es verhindern konnte, durchströmte mich eine noch verhaltene Welle des Stolzes.

Die letzten sechs Jahre hatte ich davon geträumt, diese Uniform tragen zu dürfen. Sie ließ mein eigentliches Ziel erneut vor meinem inneren Auge aufblitzen.

Ich lächelte in mich hinein, denn wie erhofft fühlte ich bei dem Gedanken an meinen Vater eine gewisse Verbundenheit. Sie schien von dem hellbraunen Stoff auszugehen, durch meine Haut zu dringen und meinen ganzen Körper zu erfassen.

Völlig in diesem Gefühl gefangen streichelte ich über die Kleidung, bis mich ein leises Klopfen schließlich zurück in die Wirklichkeit beförderte und die seltsame Präsenz meines Vaters verblassen ließ. Ein wenig erschrocken zuckte ich zusammen, entspannte mich aber gleich wieder, als ich durch den Spiegel auf Niks Gestalt sah, der gegen den Türrahmen lehnte. Auch er trug seine Uniform bereits.

»Fertig?«, fragte er. Ich warf einen letzten Blick auf mein Äußeres, nickte und drehte mich dann zu ihm um.

»Du siehst ... anders aus«, brachte ich ein wenig unbeholfen hervor, weil mich seine Ausstrahlung ein wenig verunsicherte.

Seine breiten Schultern, die dennoch recht schmale Hüfte und seine starken Beine wurden zwar von der Uniform verdeckt, doch füllten sie die Kleidung so sehr aus, dass es ihm einen ordentlichen Anteil an Autorität und Respekt einflößte. Er sah wirklich gut aus und das verschlug mir erst einmal den Atem. Völlig überrumpelt von diesem Anblick war es also nicht verwunderlich, dass ich herumdruckste wie ein kleines Mädchen.

»Mund zu, Whitefield ...«, raunte Nik mit einem wissenden Grinsen auf den Lippen, löste sich aus der Tür und überbrückte mit wenigen Schritten den Abstand zwischen uns.

Peinlich berührt fuhr ich meine Kieferklappe wieder nach oben, während in Niks eisblaue Augen ein belustigtes Funkeln trat.

»Du siehst auch nicht schlecht aus«, gab er reichlich verspätet das Kompliment zurück. Seine Augen wanderten ruhelos erst über mein Gesicht, dann über meinen Körper, während ich augenblicklich spürte, wie eine verräterische Wärme in meine Wangen stieg.

»Danke«, krächzte ich und räusperte mich sofort.

Niks Stimme war kaum noch ein Wispern und so tief, dass mich eine Gänsehaut überzog. »Nichts zu danken.«

Seine Worte zogen meinen Blick förmlich nach oben und als meine Augen auf seine trafen, musste ich hart schlucken. Völlig unfähig etwas zu sagen oder zu tun, sah ich mit an, wie Nik die Hände hob und mir den Kragen meiner Jacke zurechtrückte. Dann, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, strich er mir eine lose Strähne meiner Haare hinters Ohr. Die federleichte Berührung seiner Fingerkuppen auf meiner Schläfe sandten kleine elektrische Blitze durch meinen Körper und veranlassten mich dazu nach Sauerstoff zu schnappen, der in den letzten Minuten deutliche Mangelware geworden war. Schnell trat ich einen Schritt zurück.

»Wir sollten langsam ...« Das Ende des Satzes blieb unausgesprochen in der Luft hängen, da meine Synapsen noch ein wenig schlaftrunken in dieser dämlichen rosa Blase umherwankten, die nun jedoch zerplatzte.

Zerstreut schob ich mich an Nik vorbei, dessen intensiver Blick noch immer auf mir lag und es mir schwer machte, wieder einen klaren Gedanken fassen zu können.

»Ja«, stimmte Nik verspätet zu, setzte sich aber schließlich auch in Bewegung und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließen wir den Schlafblock.

Der Weg zur Rampe war nicht weit und verlief schweigsam. Wir fuhren mit dem Aufzug nun, da wir befugt waren, bis ganz nach oben, wo ein separater Landeplatz befand. Eine Drohne wartete bereits auf uns.

Nik und ich wurden von einem Wächter kurz eingewiesen, was jedoch gar nicht groß notwendig war, denn sie flog sowieso von selbst. Also stiegen wir ein, Nik tätigte die nötigen Einstellungen und startete das Flugobjekt schließlich.

Ich sog geräuschvoll die Luft ein, als die Drohne vom Boden abhob und leicht wankte, bevor sie kurz ruhig in der Luft stand und sich dann nach vorn neigte, um ihren Flug nach Zone Eins zu starten.

»Heilige ...«, hob ich an, doch es verschlug mir die Sprache.

So weit, wie es mir in den Gurten des Sitzes möglich war, lehnte ich mich nach vorn und richtete meinen Blick aus dem Fenster. Was sich vor meinen Augen bot, raubte mir den Atem. Die Gebäude unter uns wurden immer mehr zu kleinen Punkten, während ich nicht nur das vierte Quartal der zweiten Zone, sondern ganz Circle aus der Vogelperspektive betrachten konnte. Ich sah einen kleinen Teil des Waldes der vierten Zone, die Mauer, die sich um die Stadt schloss und dahinter die endlos scheinende Einöde von Zone Fünf. Die Fabrikgebäude wirkten von hier oben mickrig klein und die komplette zweite Zone sah im Vergleich zu den äußeren Ringen aus wie geleckt. Die Drohen legte an Tempo zu und flog direkt auf den Regierungsturm in der Mitte der ersten Zone zu.

Selbst auf dieser Höhe sah er imposant aus. Er überragte selbst die höchsten Schornsteine der Fabrikgebäude in Zone Drei und stach wie eine Nadel in den Himmel. So wie sich seine Wände um sich selbst wanden, sah es fast aus, als wären sie nicht aus kräftigem Stahl und Beton, sondern aus einer formbaren Masse.

Er bildete genau den Mittelpunkt der Stadt und war von überall aus zu sehen. Selbst im Wald in Zone Vier konnte man die weiß glänzende Fassade manchmal erblicken, vereinzelt blitze auch das spiegelnde Glas der Fenster durch die Blätter hindurch.

Umgeben von Wasser und grünen Bäumen wirkten alle anderen Gebäude im innersten Ring trotz ihrer imposanten und eleganten Bauweise gegenüber dem Turm unbedeutend und flach. Keine vier Wände in ganz Circle reichten an die Höhe des Regierungsturms heran und nun, da wir die abgeflachte Spitze anflogen, sah ich das erste Mal, wie hoch er eigentlich reichte. Den Landeplatz trennten nicht einmal zwanzig Meter vom höchsten Punkt der Kuppel. Es kam mir vor, als müsste ich einfach nur den Arm ausstrecken, um das Membrangewebe berühren zu können.

Das Kribbeln, das sich während des Fluges in meinem Körper breit gemacht hatte, wurde schwächer. Die Drohne setzte zu einer sanften Landung an und schließlich verkündete uns eine blecherne Stimme, dass wir unser Ziel erreicht hatten. Ein wenig enttäuscht löste ich die Gurte und sprang dann aus dem Korpus des Flugobjekts.

Als ich Nik ansah, merkte ich, dass es ihm genauso ging. Auch für ihn war es der erste Flug und vermutlich viel zu schnell vorbei gewesen.

»Hast du gesehen, wie die Gebäude immer kleiner geworden sind? Als wären es nur Spielzeuge?«, fragte ich aufgeregt und lief um die Drohne bis zur Schnauze herum.

»Ja, das war unglaublich!«, teilte Nik meine Begeisterung. »Ich konnte das erste Mal über die Mauer blicken! Dort ist nichts als Stein, Staub und Nebel! Dem gegenüber ist die Trainingskuppel des Militärs gar nichts!«

Ich musste lächeln, denn das war für mich keine Neuigkeit. Schließlich hatte ich die Trostlosigkeit des äußersten Rings bereits im Wachareal in Zone Vier betrachten können. Dennoch nickte ich und wollte gerade etwas erwidern, als ich den Commander erblickte, der zu uns trat und unser angeregtes Gespräch unterbrach.

»Kommen Sie, zum Reden haben Sie später auch noch Zeit«, forderte er uns höflich wie immer zur Eile auf.

Ich wäre am liebsten wieder in die Drohne gestiegen und hätte die Stadt noch viel länger von oben betrachtet, doch wir waren schließlich nicht zum bloßen Vergnügen hier. Deshalb folgten wir Dax, der uns zum Eingang des Gebäudes lotste, an dem sich automatisch die Tür öffnete. Er stieg eine kurze Wendeltreppe hinab, wo unser kleiner Marsch auch schon wieder endete.

Ein weitläufiger, kreisrunder Raum erstreckte sich am Fuße der Treppe. An der Fensterfront gegenüber war eine kleine Erhöhung aufgestellt und elf Stühle platziert worden. Vier von ihnen waren bereits besetzt. Bei unserer Ankunft jedoch, erhob sich der Mann, der linksseitig platzgenommen hatte. Ich kannte ihn nicht, war mir aber sicher, dass sich das gleich ändern würde, denn er trat mit gewichtiger Miene zu uns. Dax reichte ihm mit einem knappen Nicken die Hand und deutete dann zwischen uns hin und her.

»Darf ich Ihnen General Yates vorstellen. Er ist der Leiter des Militärs und heute hier, um Ihrer Vereidigung beizuwohnen«, erklärte Dax, woraufhin der General vortrat und uns mit kräftigem Druck die Hände schüttelte. Seine braunen, leicht mandelförmigen Augen sahen gleichgültig auf uns hinab und die harten Gesichtszüge regten sich kein bisschen.

»Freut mich«, sagte er knapp.

Ja klar, seine Freude sprang förmlich auf mich über.

Ich blieb jedoch höflich, rang mir ein kleines Lächeln ab und antwortete: »Es freut mich, Sie kennenzulernen, General.«

Nik tat es mir nach, zog dann aber belustigt die Augenbrauen in die Höhe, als sich die beiden Wächter von uns abwandten und zu ihren Plätzen gingen.

Ich wollte gerade eine spöttische Bemerkung loswerden, da fiel mein Blick auf die anderen drei besetzten Stühle.

»Oh mein Gott!«, stieß ich aus, woraufhin sich die Köpfe der drei Personen zu mir drehten.

»Clove!«, rief eine helle Kinderstimme und Cori erhob sich so schnell, dass sein Stuhl leicht kippelte. Seinen roten Schopf hätte ich überall erkannt, dessen Haare nun wild von einer Seite zur anderen wippten, als er auf mich zugerannt kam.

»Cori!«, konnte ich gerade noch so vor Freude hervorstoßen, da flog er mir auch schon in die Arme und brachte mich fast zu Fall.

Seine dünnen Arme schlangen sich um meinen Hals und drückten mich fest an sich. Seine Wärme, sein Geruch, der dünne Körper ... alles war mir so vertraut, dass es sich auf einmal nicht mehr anfühlte, als wäre ich zwei Wochen von ihm getrennt gewesen. Mein Mund verzog sich ganz automatisch zu einem breiten Lächeln. Als ich aufblickte, sah ich auch meine Mum und Maddox, die meinen Bruder und mich mit freudiger Miene betrachteten. Ich löste Cori vorsichtig von mir, erhob mich dann aus meiner knienden Position und umarmte auch den Rest meiner Familie.

»Was macht ihr denn hier?«, fragte ich nuschelnd in die Halsbeuge von Maddox.

»Gestern Abend haben wir Rohrpost erhalten – mit der Bitte heute spätestens halb zehn im Regierungsturm zu sein und mit einer Erlaubnis zur Zonendurchquerung«, erklärte Mads, als er mich aus seiner Umarmung freiließ.

»Ich bin mit dem Supra gefahren, Clove! Wir haben die anderen Zonen richtig nah gesehen und die Menschen dort und die ganzen Gebäude!«, rief Cori dazwischen. Seine Augen leuchteten vor Begeisterung.

»Ich glaub's nicht, dass sie euch kontaktiert haben«, sagte ich fassungslos, aber strahlend vor Freude.

»Ja, ganz im Gegensatz zu dir ...«

Mein Blick fiel auf meine Mum, in deren Miene sich Vorwürfe spiegelten. Sie schaffte es doch tatsächlich, diesem wunderschönen Moment eine gewisse Bitternis hinzuzufügen.

Ich schluckte den leichten Ärger, der sich darüber in mir ausbreitete, herunter und legte den Kopf schief.

»Ich wollte euch schreiben, wirklich. In letzter Zeit ist nur so viel passiert, da hatte ich einfach keine Zeit dafür«, erklärte ich ganz diplomatisch, fasste sie dann bei den Schultern und drückte sie noch einmal kurz.

»Clove hat recht. Die zwei Wochen waren alles andere als entspannt«, meldete sich Nik hinter mir zu Wort und stärkte mir den Rücken. Ich löste mich von meiner Mutter und trat neben ihn, während er sich selbst vorstellte. »Ich bin Nik. Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Mrs Whitefield. Ich bin Cloves Partner.«

Ich grinste bei dem Gedanken, wie er sich mir an meinem ersten Tag in der zweiten Zone ebenso aufgedrängt hatte. Jedoch störte es mich nun überhaupt nicht mehr. Meine Mutter sah erst Nik, dann mich mit hochgezogenen Brauen an und zog vermutlich vollkommen falsche Schlüsse.

»Er ist mein Partner im Einsatz, sobald wir Wächter sind«, erklärte ich schnell und warf Nik einen unsicheren Blick von der Seite zu, der wieder einmal sein typisches Grinsen aufgesetzt hatte.

»Ja ... genau«, stimmte er mir mit einem seltsamen Unterton zu, doch meine Mutter schien das zufriedenzustimmen.

»Kommt, setzen wir uns!«, wechselte Maddox netterweise das Thema und wir liefen zu den Plätzen. Doch bevor wir uns setzen konnten, glitt eine Tür neben der Treppe auf und vier Personen betraten den kleinen Saal. Zwei Männer und zwei Frauen.

Ich erkannte sie augenblicklich, dafür waren die Wappen auf der Kleidung gar nicht nötig. Der Reihe nach liefen Mitchell Burke, Victoria Steel, Arthur Reese und Ezra Fahey geradewegs auf uns zu, während sich der General und Commander Dax von ihren Plätzen erhoben.

Ich hatte die Regierung immer nur über die Projektion des HUDs gesehen und nun stand ich ihnen direkt gegenüber. Mir verschlug es die Sprache.

»Sind alle anwesend?«, fragte Burke in die Runde woraufhin General Yates nur nickte. »Schön, dann können wir ja beginnen. General ...«

Mit einer auffordernden Geste bat er den immer noch teilnahmslos dreinblickenden Mann nach vorn, der mit steifen Schritten der Aufforderung nachkam und auf das Podest stieg.

Sobald sich alle gesetzt hatten, räusperte er sich und begann zu sprechen: »Wir haben uns heute hier versammelt, um der Vereidigung von Clove Whitefield und Nik Hunt beizuwohnen. Aufgrund der besonderen Situation, nämlich des Fehlens zweier Wächter in Commander Dax' Einheit wurde zwischen der Regierung und dem Militär die Absprache getroffen, dass zwei der neuen Rekruten bereits nach nur zwei Wochen Ausbildung den Dienst in eben dieser Einheit antreten werden. Die Fähigkeiten und die Eignung der beiden wurde sorgfältig evaluiert sowie das Einverständnis zur Annahme der Position von Clove Whitefield und Nik Hunt vor Zeugen eingeholt.« Obwohl es keine direkte Frage war blickte der General auf Dax herab und sprach erst weiter, nachdem dieser zustimmend genickt hatte. »Dann bitte ich die eben genannten Rekruten zu mir auf das Podest, um den Wächtereid, bezeugt von allen vier anwesenden Regierungsmitgliedern, abzulegen.«

Von diesen vielen förmlichen Reden wurde mir ganz schwindlig, doch ich erhob mich und trat zusammen mit Nik auf die Erhöhung. Auch Dax erhob sich und stellte sich mit einer kleinen Schatulle in den Händen zu uns.

»Clove Whitefield«, wandte sich General Yates an mich, woraufhin ich zu ihm trat und mich ihm gegenüberstellte. Hinter ihm wurden die Worte des Eids auf eine große Scheibe projiziert. »Sprechen Sie den Eid, um als vollwertige Wächterin von Circle dienen zu können!«

Ich nickte, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre, dann sah ich auf die Leinwand. Laut und deutlich kamen die Worte über meine Lippen.

»Ich schwöre feierlich und bei allem, was mir heilig ist, dass ich das Land von Circle und die Bewohner der Stadt schützen werde. Gefahren von außen sowie von innen werde ich bekämpfen. Das ist meine Aufgabe als Wächterin.

Ich sorge für Ordnung und strafe diejenigen, die sie zerstören wollen. Das ist meine Aufgabe als Wächterin.

Ich bewahre den Frieden der Stadt und unter den Menschen, die in ihr leben. Denn Frieden ist das Recht eines jeden Menschen. Das ist meine Aufgabe als Wächterin.

Ich gebe mein Leben für die, die selbst nicht in der Lage sind, sich zu verteidigen und für meinen Partner, der dieses Opfer auch für mich bringen würde. Das ist meine Aufgabe als Wächterin. Fortan diene ich für Circle!«

Ich zuckte zusammen, als die Hälfte der Anwesenden die letzten beiden Worte mitsprachen, fasste mich aber schnell wieder, denn der General wandte sich nach vorn, wo sich Ezra Fahey, die Abgesandte der vierten Zone, erhob, die kleine Schatulle in Dax' Händen öffnete und etwas daraus hervorholte. Als sie vor mich trat, erkannte ich ein Namensband und ein Abzeichen in ihren Händen.

»Hiermit erkläre ich, autorisiert durch die mir zugesprochene Position als General, Clove Whitefield zu einer Wächterin ersten Ranges im Dienste der Stadt Circle!«, sagte General Yates und reichte mir die Hand. Nachdem ich sie geschüttelt hatte, heftete Ezra Fahey das Namensband an die dafür vorgesehene Stelle über meiner linken Brust und das Abzeichen ohne metallische Einsätze an meinen Kragen.

Mit freundlicher Miene schüttelte auch sie mir die Hand und murmelte noch ein leises »Meinen Glückwunsch«, bevor sie sich zurück auf ihren Platz setzte.

Die Anwesenden applaudierten höflich – bis auf Cori, der von seinem Stuhl gesprungen war und voll Freude Luftsprünge machte, bis Maddox ihn am Hosenbund zu fassen bekam und ihn zurück auf den Stuhl zog. Ich unterdrückte ein Lachen und nahm dann meinen vorherigen Platz ein.

Nik wurde aufgerufen, auch er sagte, ohne zu zögern, den Eid auf und erhielt daraufhin sein Namensband und Abzeichen von dem alten Arthur Reese und seinen Applaus.

Die Vereidigung war deutlich schmuckloser, als ich sie mir vorgestellt hatte, denn sie dauerte wenige Minuten. Die Regierungsmitglieder erhoben sich und waren auf dem Weg nach draußen, als ein Mann den Raum betrat. Er war hochgewachsen und hatte kurz geschorene Haare. Schnurstracks steuerte er auf die Abgeordnete der zweiten Zone zu.

Er gehörte zu Victoria Steel!

Ich wollte Nik darauf aufmerksam machen, doch er war gerade in ein Gespräch mit Maddox vertieft und kaum ein paar Sekunden später verließen die Abgeordneten den Raum. Auch der General und Commander Dax verabschiedeten sich und zurück blieben nur meine Familie und Nik. Dieser zupfte am Ärmel meiner Jacke und zog mich in eine feste Umarmung, als ich mich zu ihm drehte.

»Wir haben es geschafft, Clove ...«, murmelte er ein wenig atemlos. Er klang erleichtert, als wäre ihm ein riesiger Stein vom Herzen gefallen. »Jetzt können wir endlich für Gerechtigkeit sorgen und die Bösen da draußen in Zone Fünf jagen!«, fügte er hinzu.

Ich nickte nur, doch meine Gedanken schlugen eine ganz andere Richtung ein. Vielleicht sind die Bösen gar nicht da draußen, sondern hier drin.

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