Die Verlierer - Sklaven des E...

By traumjaegerin

48.4K 5.3K 8.1K

[TEIL 2] Während Jay alles gibt, um der gefürchtetste Dealer der Stadt zu werden, dafür, dass jeder in Berli... More

1 | Immer noch am Gewinnen
2 | Wie in alten Zeiten
3 | König von Berlin
4 | Irrelevant
5 | Warum Herzen unnötig sind
6 | Ihr habt Gift geleckt
7 | Gnadenlos untergehen
8 | Dealer, kein Therapeut
9 | Kopflose Pläne
10 | Von Spitzentangas und Boxershorts
11 | Echte Männer brauchen keinen Trost
12 | Kaffee und Provokation
13 | Paranoia
14 | Fast Geschäftspartner
15 | Keine Moral
16 | Nur ein bisschen cool
17 | Pornos und Probleme
18 | Nicht in Hollywood
19 | Taten und Träume
20 | Ein Whirpool voller Nutten
21 | Nur Freundschaft
22 | Leggings, Tanga und Arschdellen
23 | Nur noch Dreck
24 | Gehirnmatsch
25 | Vaginas sind keine Controller
26 | Ertrunken in Wut
27 | Ausbrennen
28 | Aufgeschmissen
29 | Nehmen, was man will
30 | Wer vertraut, wird gefickt
31 | Worauf wichst du?
32 | Blut, Schweiß und Wodka Melone
33 | Niemals entschuldigen
34 | Niemals bedanken
35 | Niemals
36 | Die Welt soll bluten
37 | Keine Gefühle
38 | Kein Bock auf Menschen
39 | Zwei Flaschen Sterni
40 | Rücksichtslos
41 | So viel Hass
42 | Nichts als Verlierer
43 | Verliebt in Geld
44 | Lila Scheine
45 | Shopping Queen und Whisky
46 | Niemals daten, nur ficken
47 | Para und Palaver
48 | Marode Männlichkeit
49 | Leicht zu haben
50 | Pinke Wattewelten
51 | Angst vor Schwänzen
53 | Loslassen
54 | Auf Abruf bereit
55 | Kokainrausch
56 | Okay, gut
57 | Braun, Gelb, Grün
58 | Ich will dir wehtun
59 | Lösch meine Nummer
Ankündigung

52 | Vom Kotti bis zum Xenon

924 81 107
By traumjaegerin

Ein schweres Gewicht drückte meine Lider nach unten, verhinderte, dass ich sie ganz öffnen konnte. Alter. Irgendwann blinzelte ich doch ein wenig. Alles, was ich sah, war die schwarze Flagge an der Wand. Darauf leuchtete ein knallweißes Anarchie-A. Auf der schmutzigen Tapete daneben waren Songzitate und politische Sprüche gekritzelt.

Heilige Scheiße. Wie viel hatte ich gestern bitte gesoffen. Stöhnend drehte ich mich auf den Bauch und zog die Decke über meinen Kopf. Dunkelheit verschlang mich, während ich vor mich hinstarrte und gegen das Grummeln in meinem Magen kämpfte.

Eine Weile starb ich im Halbdunkel des Raums vor mich hin, dann hörte ich, wie die Tür geöffnet wurde. Das Tapsen nackter Füße auf dem Boden. Ich machte mir nicht die Mühe, mich umzudrehen.

»Mach das bitte nie wieder«, beschwerte Lexie sich. »'ne Nacht in deinem Zimmer ist 'ne Zumutung. Hast du jemals das Fenster aufgemacht?«

Gequält stöhnte ich. »Stell dich nicht so an. In deinen linken Schuppen ist doch eh alles verratzt.«

Ein Rascheln war zu hören, dann nochmal Schritte. Stille. Eigentlich sollte ich langsam mal nach meinem Handy schauen, nach den Aufträgen, die heute anstanden. Verdammt. Ich konnte mir so oft Verkatertsein nicht erlauben, wenn ich meine Ziele erreichen wollte. Nur noch paar Minuten. Dann würde ich aufstehen.

»Verpiss dich«, grummelte ich, obwohl ich eigentlich froh war, dass sie da war. Ihre Nähe gestern hatte gut getan und so konnte ich mir zumindest keine Gedanken machen, was jetzt mit Fede war.

»Nee, lass mal. Tommy belagert die Küche und dein Zimmer will ich mir nicht noch länger antun.«

»Fresse.«

»Du sahst übrigens unglaublich friedlich aus, als du gestern gepennt hast. Richtig niedlich«, grinste Lexie und ich vernahm den provozierenden Unterton in ihrer Stimme. Alter. Als ob ich mich drauf einlassen würde. Schon wieder viel zu anstrengend.

Seufzend drehte ich mich auf die Seite. Spürte, wie sich mein Magen zusammenzog. Nicht kotzen, nicht kotzen. Einen Moment lang konzentrierte ich mich, dann ging es wieder. Ich wandte meiner Schwester den Blick zu und sah, wie sie sie sich auf ihrem Sessel mit dem altmodischen Muster niedergelassen hatte. Das Teil hatte sie mal auf dem Sperrmüll aufgetrieben und so sah es auch aus, mit einem halb abgebrochenen Fuß, der es immer zum Wackeln brachte.

»Ich hab echt viel Scheiße gelabert gestern, oder?«, fragte ich, während sie sich pinke Socken überzog. Ihre Leggings hatte ein paar Löcher. Vor sich auf ihrem Schreibtisch hatte sie eine Kaffeetasse und einen Teller mit zwei Toasts abgestellt. Essen. Widerlich. Der Ekel ließ mein Gesicht verziehen.

Grinsend schüttelte Lexie den Kopf. »Nee. Überhaupt nicht. War sehr viel sinnvoller als alles, was du sonst von dir gibst.«

»Mhm.« Einen Moment lang musterte ich sie nachdenklich, wie sie in eines ihrer Nutellabrote biss. Vielleicht würde sie ja noch ein wenig mehr zu dem Thema sagen.

»Was guckst du jetzt so?«, grinste Lexie und wischte sich etwas Nutella aus dem Mundwinkel, leckte den Finger ab.

Ich zuckte mit den Schultern. Hoffte, dass sie mich noch einmal darauf ansprechen würde. Nachfragen, ob ich selbst auf Kerle stand. Warum auch immer sie das tun sollte.

»Hm?« Sie sah mich fragend an. »Du siehst aus, als würdest du was von mir erwarten. Aber keine Ahnung, was.«

»Weiß selber nich«, sagte ich und zog mir die Decke weiter über meinen Körper, rollte mich zusammen. Starrte vor mich hin. Konnte das nicht endlich vorbei sein?

»Wow«, lachte Lexie.

Irgendwie wollte ich es ihr sagen. Dass ich bisexuell war. Aber wie stellte ich das an, ohne dass es erklärend oder rechtfertigend wirkte? Das wär halt auch scheiße. Ich fuhr mit dem Finger über das Spannbetttuch, auf dem ein paar Fusseln lagen.

»Komm, raus damit. Was willst du sagen?«, forderte sie mich mit einem leichten Lächeln auf und verdammt, manchmal konnte das Mädchen genauso bestimmt sein wie ich.

»Nichts Besonderes. Nur, dass ich auch bi bin, wenn wir schon bei dem Thema sind, ey.« Meine Stimme klang beiläufig.

Lexies gepiercte Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln. Brauchte sich gar nichts drauf einbilden, dass ich ihr vertraute. So besonders war das jetzt nicht.

»Dann hast du ja hoffentlich noch ne Motivation mehr, homophobe Wichser zu boxen«, lachte sie und auch über mein Gesicht huschte ein kurzes Grinsen. Ich genoss es, wie es kein Ding für sie war. Einfach normal, wie es immer sein sollte. Und nicht so wie bei den ganzen Deppen aus dem Viertel. Damiano, dieser Hundesohn, Alter.

In diesem Moment spürte ich das Vibrieren meines Handys in meiner Hosentasche, das ich gestern nicht mal mehr rausgenommen habe. Tareks Name stand auf dem Display. »Was willste?«, meldete ich mich gewohnt genervt.

»Komm mal ins Café rum, sobald du Zeit hast«, trug er mir auf und mir war klar, dass es Zeit war, darauf zu hören. Dass ich mir nicht noch so eine Aktion wie letztens mit Kiral erlauben konnte.

»Mhm. Bis gleich.« Nach dem Auflegen schmiss ich mein Handy weg und ließ mich stöhnend auf das Bett zurücksinken. Scheiß Drogen. Und der Ernst in Tareks Stimme hatte mir noch viel weniger gefallen.


Als wir im Hinterzimmer beieinander saßen, der fruchtige Rauch und das beruhigende Blubbern der Wasserpfeifen mein Empfinden umschloss und ich doch angespannt auf der Couch saß, trug Tarek mir auf, vorsichtig zu sein. Er sprach ausführlich von Hamads Leuten, die nach und nach in unser Revier eindrangen. Uns die Orte streitig machten, an denen wir immer vertickten. Vom Kotti bis runter zum Parkeingang und weiter zum Xenon. Immer wieder kam es zu Konfrontationen und sie waren zu einer ernsthaften Bedrohung für Tareks Geschäfte geworden.

»Treib du dich die Tage mal unauffällig da rum und find raus, wo die sin, ja?« Tarek fixierte mich, zwei tiefe Falten zwischen den zusammengewachsenen Augenbrauen. »Und wer von denen. Ich will alles wissen.«

»Klingt, als würdest du doch was gegen die planen«, grinste ich und führte das Mundstück an meine Lippen. Wie alle Shisha, die Aziz besaß, war es kunstvoll gearbeitet, mit orientalischen Mustern in dem dunklen Holz. Vorfreude schwang in meiner Stimme mit, denn irgendwie hatte ich Bock auf ein bisschen Eskalation. Wurde Zeit für neue Erfahrungen.

Auch wenn ich mich danach wieder in meinem Bett verkriechen würde. Auf der Flucht der Welt oder so, weil Dealen einen manchmal hart fickte.

So wie das Kokain mich heute schon, das mir so seltsame Gedanken aufdrängte.

Tarek verpasste mir eine schallende Schelle gegen den Nacken. So hart, dass ich scharf die Luft einsog. »Du machst den gleichen Fehler, den alle am Anfang machen. Du glaubst, es is'n Spiel und es ist lustig, da bisschen Action zu machen. Ihr unterschätzt das. Ihr alle. Immer.«

»Ja, bla bla. Warts ab, wir zerficken die sowas von«, grinste ich überzeugt. Er würde definitiv sehen, dass er auf mich zählen konnte.

Das war ich ihm schuldig.


»Hey, Jay!«, vernahm ich auf einmal ein Rufen, als ich ein paar Tage später auf dem Heimweg vom Fitnessstudio war. Ich war müde und wollte eigentlich nur noch in mein Bett, auch wenn es gerade mal früher Abend war. Gerade stand viel an, hauptsächlich weil ich das Dealen zuletzt so schleifen gelassen hatte.

Ich hob meinen Blick und entdeckte Fede, der dort auf dem Klettergerüst saß und lachend seinen Arm vors Gesicht hielt. Bei ihm war seine kleine Schwester. Alessia musste es sein, deren schwarzen Haare auf ihre Schultern fielen. Mit Sand schmiss sie nach Fede. Wollte gar nicht wissen, wie sehr das Zeugs nach Pisse stank.

Auf meinem Gesicht tauchte ein leichtes Grinsen auf. Wir hatten uns seit dem Abend in der Kneipe nicht wieder gesehen und auch nicht miteinander geschrieben. Ich hatte keinen Bock gehabt, ihm hinterher zu rennen und auch er hatte sich nicht gemeldet.

»Was geht?«, fragte ich, als ich die beiden erreicht hatte. Meine Hand ruhte auf dem Träger meiner Sporttasche. Die Abendsonne tauchte den Spielplatz in ein orangenes Licht, in der Luft lag der Geruch von Frühling. Langsam wurden die Tage länger.

Alessia schleuderte eine Ladung Sand auf mich und brach in Lachen aus, ehe Fede etwas erwidern konnte. »Attacke!«

»Ey, fick dich, du kack Kind«, zischte ich und sah sie drohend an. Der Sand blieb an meinen Klamotten kleben. Wäre Fede nicht hier, hätte ich sie wahrscheinlich schon grob aus dem Sandkasten geschmissen. Ganz ehrlich, das würde ich mir niemals antun. Kinderkriegen und so einen Scheiß. Kam doch einem Suizid gleich.

»Red nich so mit ihr«, sagte Fede und sprang von dem Klettergerüst. Er griff nach Alessias Hand, wandte ihr den Blick zu. »E tu, non sottovalutare con sabbia! Scusati

»Nö, mach ich nicht.« Sie grinste frech und streckte mir dann die Zunge raus. Die Ähnlichkeit zwischen den beiden entging mir nicht. Fede konnte genauso spitzbübisch gucken. Ihre Winterjacke sah nach Jungenklamotten aus und war ziemlich alt, an den Ärmel abgenutzt. Wahrscheinlich hatten ihre Geschwister die vor ihr getragen. Erneut griff sie in den Sand, schleuderte eine große Richtung davon auf das verrostete Klettergerüst und sprang dann in die Wiese.

Fede wandte mir seinen Blick zu, ich ebenso. War ziemlich froh ihn zu sehen. »Warst du gerade beim Sport oder transportierst du schön klischeehaft deine Drogen?«, grinste er. Warf einen kurzen Blick in Alessias Richtung, die im Gras kauerte und einen Käfer oder so betrachtete. Ihre Miene war konzentriert.

»Das würde ich dir garantiert nicht verraten.«

»Dann bekomm ich also keinen exklusiven Einblick in deine Geschäfte. Schade, ey.«

»So besonders bisse nich«, erklärte ich und schob mir eine Kippe zwischen die Lippen.

Fede legte einen enttäuschten Blick auf. »Ich bring sie kurz hoch und dann gehen wir zu dir, wie wärs damit?«, schlug er dann mit einem Grinsen auf den Lippen vor.

»Hm«, grinste ich und legte nachdenklich die Stirn in Falten. Mein Herz schlug ein wenig schneller vor Vorfreude. Hoffentlich würden wir wieder kuscheln. Und gleichzeitig war ich aufgeregt, was sonst alles passieren würde. Mann, ey. Sex und so war direkt ganz anders, wenn einem die Person was bedeutete. »Wer sagt denn, dass ich Bock auf dich hab?«

»Du bist kein guter Schauspieler, Jay.« Fede lachte, dann griff er nach seinem Schulbuch, das er am Fuß des Klettergerüsts abgelegt hatte. »Dai, Ali, andiamo a casa. Wie wärs, wenn du uns solang was Geiles zum Essen besorgst?«

»Och, menno. Du bist blöd«, protestierte sie und trotzig stapfte auf dem Boden auf.

»Willse dich wieder auf meine Kosten durchfuttern, hm?« Tief inhalierte ich und musterte Fede prüfend.

»Nee, so hab ich das nicht gemeint«, erklärte er schnell und es war echt süß, wie er in Verlegenheit geriet. »Ich geb natürlich was mit dazu. Ich meinte nur-«

Ich unterbrach ihn. »Geht auf mich, Alter. Mach da jetzt kein Ding draus«, lachte ich und grinste breit, als er erleichtert aussah. War doch nichts dabei.


Eine halbe Stunde später drückte ich ihm die Nudelbox in die Hand, die ich bei einem chinesischen Lieferservice bestellt habe. »Ich hoffe, du magst scharfes Essen. Sonst kannse das mit uns gleich vergessen«, grinste ich, als ich mich neben ihm auf die Matratze sinken ließ.

»Du hast seltsame Ansprüche.« Fede öffnete lachend seine Box, während ich mich bereits hungrig über mein Essen hermachte. Wie immer ließ er sich Zeit und erzählte mir währenddessen von seinen anstehenden Prüfungen. Und dass er zwischen Arbeit und auf seine Geschwister aufpassen nie wirklich zum Lernen kam.

Tja, da hatte der Streber eindeutig Schiss, dass er reinkacken würde.

»Gönn ich dir. Wenn du dann ohne Abi dastehst«, grinste ich gehässig.

Grob boxte er gegen meine Schulter und heilige Scheiße, wieder einmal war er kräftiger als ich erwartet hatte. »Fick dich, Jay. Nee, keine Ahnung, ich mach mir da echt'n Kopf. Dass ich meine Ziele nicht erreichen werde. Sind ja letzten Endes nur Noten, aber trotzdem. Für mich ist das wichtig. Ich will meine Eltern stolz machen und ich will, dass sie sich keine Sorgen um meine Zukunft machen müssen.«

Er drehte seine Gabel zwischen den Fingern und ich konnte nicht glauben, dass er ernsthaft zweifelte.

»Alter, ohne Scheiß.« Ich suchte seinen Blick, fand ihn, als ich meine Hand tröstend auf seine Schulter legte. »Ich glaub da an dich. Du packs das. Du bis intelligent. Paar Wochen noch und dann stehse mit dem verfickt besten Abi beim Abschlussball auf der Bühne. Und die ganzen Wichser von früher, die dir das nich zugetraut hamn, können sich ficken gehen.«

Fede lächelte. »Danke«, sagte er dann ehrlich und für einen Moment sahen wir einander in die Augen. Schien ihm was zu bedeuten. Eine kleine Tatsache, die Wärme in meiner Brust verbreitete. Ich dachte daran, wie er mir damals bei gefrorener Torte auf dem Supermarktparkplatz gesagt hatte, wie wichtig es war, meine Ziele zu verfolgen. Dass er mich da immer unterstützt hatte und mir nie eingeredet, ich würde mein Leben wegschmeißen oder so ein Scheiß.

Meine leergegessene Box schmiss ich auf meinen Schreibtisch, der ohnehin als Müllhalde für alles Mögliche diente. Leere Kippenschachteln, ein als Aschenbecher dienendes Glas mit Wasser und Etwas Sojasoße tropfte bei meinem Wurf auf den Boden. »Du willst das doch bestimmt nicht mehr«, grinste ich und nahm ihm sein Essen aus der Hand.

»Hey, Diebstahl! Ziemlich kriminell«, lachte Fede und versuchte, sich die Packung wiederzuholen. Doch ich schirmte die Nudeln mit meinem Körper ab und schlang sie schnell genug runter, dass er keine Chance mehr hatte.

Ich spürte, wie er mich am Arm packte und eindeutig versuchte, Nähe aufzubauen. Unsere Blicke begegneten einander und mir entging nicht, dass seiner kurz an meinen Lippen hängen blieb. Wie er offensichtlich versuchte, dass wir einander küssten.

Aber nichts da. Er hatte mich beim letzten Mal hingehalten, dann würde ich es ihm jetzt nicht so einfach machen.

Nur ein paar Augenblicke später folgte die Box der ersten und ich drückte Fede grob von mir weg. »Jetzt gucken wir meinen Lieblingsfilm«, entschied ich und rutschte vom Bett.

Fede brachte sich in eine sitzende Position und fuhr sich durch die Haare. Wirkte so, als wäre er nicht ganz bei der Sache, was ich mit Genugtuung feststellte. Der war doch safe ziemlich heiß auf mich. »Was ist dein Lieblingsfilm? Warte, nee, lass mich raten.«

»Du bist auch der einzige Mensch, der auf Raten steht«, seufzte ich und griff nach meinem Laptop, der neben zwei leeren, verdreckten Teller unter meinem Bett lag. Klappte ihn auf, aber natürlich meinte der Akku, leer sein zu müssen. Hurensohn.

»Bin halt besonders.«

»Besonders scheiße.« Ich steckte erst meinen Laptop an den Strom an und verband ihn dann über HDMI mit meinem Fernseher. Allein für die geile Auflösung von dem Teil hatten sich die letzten Jahre Dealen gelohnt.

Lachend zeigte er mir den Mittelfinger. »Es ist bestimmt was Brutales. Wo nur geballert wird und alle zwei Sekunden was explodiert.«

»Der Pate«, erklärte ich, während ich kinox.to aufrief und die nervige Werbung wegklickte. »Ist einfach 'n guter Film. Außerdem ist das was für dich, die labern manchmal Italienisch.«

»Und deswegen denkst du, es gefällt mir? Wow.« Er lachte.

Ich griff nach meinem Boxhandschuh auf dem Boden und schmiss ihn nach ihm. Obwohl er lachend versuchte, auszuweichen, traf ich ihn am Kopf. Dann startete ich den Film und ließ mich neben Fede auf das Bett sinken, zwischen uns genügend Abstand. Allzu leicht würde ich es ihm nicht machen.

»Jay«, sagte er ernst und hob die Augenbrauen. Er hatte sich mittlerweile auf die Seite gelegt und seinen Kopf auf der Hand abgestützt, während aus dem Fernseher die schwermütige Anfangsmusik klang.

»Was?«

»Ich kauf dir das nicht ab.«

»Was?«, blaffte ich. Ich hasste es, wenn Leute mir nicht eindeutig sagen konnten, was sie wollten. Scheiß auf solche Rätsel, Alter, lieber klare Worte.

»Ich weiß doch, dass du mich gerade auch küssen willst«, grinste er und ehe ich reagieren konnte, legte er seine Hand auf meine Hüfte und zog mich an sich heran. Oh, fuck. Mein Herz schlug schneller, denn ich liebte es einfach, wie bestimmt er mit mir umsprang. Wie er sich das nahm, was er haben wollte. Wie ich das war, was er wollte.

Ich ließ ihn machen. Irgendwie gefiel mir das Gefühl, wie er mich einfach packte. Wenn ich gewollt hätte, wäre ich natürlich frei gekommen, gar kein Thema. »Willse mich jetzt einfach dazu zwingen oder was?«

»Klar.« Ein Grinsen huschte über sein Gesicht, während wir einander in die Augen sahen. Mit einer langsamen Bewegung strich er über meine Hüfte und ich musste daran denken, dass sich seine Hand nicht weit von meinem Hintern entfernt befand. Wie es sich wohl anfühlen würde, würde er dort seine Finger kräftig vergraben?

Der Gedanke beschleunigte meine Atmung. »Ich dachte, du wolltest nie kriminell werden?«, fragte ich und gab mir Mühe, mir nichts anmerken zu lassen. Es ging ihn nichts an, was er mit mir machte.

»Hab' mich dagegen entschieden. Du weißt schon, schlechter Einfluss von so 'nem komischen Typen namens Jay.«

»Soll'n richtiger Wichser sein.«

»Das ist er eindeutig. Aber er kann auch süß sein.«

»Ach ja?«, fragte ich und spürte, wie die Röte in meine Wangen schoss. Fuck. Konnte das mal wieder weggehen? Ich hasste es, verlegen zu sein. Das passte nicht zu mir.

»Definitiv«, grinste Fede. Er sah mir tief in die Augen und sein Blick war ziemlich besonders. So sinnlich irgendwie. Das sah verdammt gut aus bei seinem warmen Braun.

Schließlich streckte ich meine Hand aus und legte sie in seinen Nacken, zog ihn näher an mich. Verlor mich noch einen Moment in seinen Augen, dann in dem Gefühl, als ich die meinen schloss und meine Lippen auf seine legte. Sanft küssten wir einander. Nicht so grob wie beim letzten Mal. Irgendwie war es genau das, was ich gerade wollte. Was ich brauchte. Und er scheinbar auch.

Tief ließ ich mich in unsere Küsse fallen. Die Stimmen aus dem Fernseher klangen nur wie von der Wasseroberfläche her zu sein, da waren nur noch Fede und ich. Diese Nähe, die dafür sorgte, dass die Anspannung in mir abfiel. Da war kein Konkurrenzdruck, nicht der Wunsch, besser als alle anderen zu sein. Nur ich und er und diese verdammt rauen Lippen auf meinen. Die kratzenden Bartstoppeln an meinem Kinn und seine Hand auf meinem Rücken.

Ich fühlte mich so unendlich gut. So locker.

»Du verpasst den ganzen Film«, murmelte ich nach Ewigkeiten. Ich zog Federico an mich, dass er seinen Kopf auf meiner Brust betten konnte. Er tat es tatsächlich und ich hoffte, dass er nicht merken würde, wie mein Herz schneller schlug. Das war irgendwie unnötig. Sollte das blöde Ding mal lassen.

Sein Geruch stieg mir in die Nase. Er roch nach einem Männer-Deo und ein wenig nach frischem Popcorn. Kein Wunder, schließlich hatte er den ganzen Tag lang welches verkauft.

»Deine Haare kitzeln«, flüsterte ich, während ich meine Hand auf seinem Oberarm ruhen ließ. Ich spürte, wie sich seine Brust vom Atmen hob und wieder senkte.

»Ist Absicht.« Auch seine Stimme war leise, als würde es den Moment zerstören, wenn wir lauter sprechen würden. Von meiner Position aus konnte ich seine Lippen nicht sehen, doch ich war mir sicher, dass sie zu einem Grinsen verzogen waren.

»Sag' ich doch. Bist ein Wichser.«

»Ich kann auch noch viel fieser sein«, grinste er und drehte sich so, dass er zu mir hochgucken konnte.

»Ach ja?« Skeptisch sah ich ihn an und spürte im selben Moment, wie er über meinen Penis strich. Nur mit den Fingerspitzen, fast zufällig. Und doch reichte die Berührung, dass ich die Luft scharf einzog und sich mein Unterleib zusammenzog. Oh, verdammt. Ich wollte ihn. Wollte ihn so sehr.

Und genauso wollte ich ihn noch ein wenig zappeln lassen.



____

E tu, non sottovalutare con sabbia! Scusati! – Und du, schmeiß nicht mit Sand. Entschuldige dich!

Dai, Ali, andiamo a casa – Komm, Ali, wir gehen nach Hause

Continue Reading

You'll Also Like

983 63 5
Jason hatte alles, was sich ein junger Mann in der Millionenstadt New York City erträumen konnte: Eine schöne Wohnung, einen angesehenen Job und ein...
80.6K 9.4K 90
Die Welt weiß über Lancelot Moreau nicht viel mehr, als seinen Nachnamen und die Fehler, die er begangen hat. Im Schatten seiner Brüder und hinter de...
186K 19.2K 45
Konrad hat, was Technik betrifft, nicht besonders viel Ahnung. Zum Glück gibt es Menschen, die sowas beruflich machen... ------------ ❝ „Hi." Der Kun...
47K 2.8K 33
Aubrey und Cole sind beste Freunde seit ihrem Aufenthalt im Krankenhaus. Aubrey war in einen Unfall verwickelt als er 8 war, dabei verlor er sein rec...