Kapitel 22

1.6K 68 2
                                    

Ich lag im wohlig warmen Wasser, angeschmiegt an Ragnars Schulter und genoss die Ruhe. "Ich habe dich glaube ich noch nie so ruhig gesehen." Seine Stimme war leise, angepasst an die Stimmung und unsere Umgebung. Müde blinzelte ich zu ihm empor und fand ihn lächelnd vor. "Du musst deine Heimat sehr vermisst haben." Jetzt sah er mich an. "Warum glaubst du das?" Fragte ich in die Nacht hinein. "Die meisten Menschen sind friedlicher wenn sie auf bekannten Biden sind. Wenn sie die Sicherheit ihrer Heimat spüren und die Deckung aufgeben können. Auch wenn du sonst nie aufbrausend warst, dein Geist schien immer in Unruhe zu sein." Verblüfft blickte ich ihn an, nicht wissend was ich darauf antworten sollte. Plötzlich drehte sich Ragnar zu mir um und griff nach meinen Schultern, was dazu führte dass die Hälfte meines Oberkörpers aus dem Wasser ragte. Sofort überzog eine Gänsehaut meinen ganzen Körper. Aus großen Augen sah ich mein Gegenüber an. "Mánadís, wirst du bei mir bleiben?" Die plötzliche Ernsthaftigkeit in seinem Verhalten verunsicherte mich. "Was...was meinst du?" Ich erschauderte vor Kälte. "Versprichst du mir bei mir zu bleiben, obwohl du jetzt wieder zurück bist?" Ragnars Augen funkelten im Mondlicht aufgeregt. Wieder wusste ich nicht was ich sagen sollte. "Ragnar...ich..." ich traute mich kaum ihn anzusehen und hielt deshalb den Blick gesenkt. "Was? Warum kannst du mir nicht antworten?" Mir wurde der Moment zunehmend unangenehm. "Ich kann es einfach nicht", ich versuchte mich aus seinen Händen zu winden was jedoch nur dazu führte dass sich sein Griff noch verstärkte. "Kannst du mir keine Antwort geben oder nur keine die mir gefällt?" Mein Schweigen war im schließlich scheinbar Antwort genug. Er ließ mich los und wandte den Blick ab, seine Hände fielen geräuschvoll ins Wasser zurück. "Dann waren die letzten Monate also vollkommen umsonst. All die Zeit zusammen war umsonst!" Ich zuckte zusammen als er plötzlich die Stimme erhob. "Warum sagst du das?"  Meine Stimme klang dünner als ich es erwartet hatte und Ragnar ging es scheinbar ebenso. Er sah mich wieder an. "Dann ist es also nicht so? Warum willst du dann nicht bei mir bleiben?" War das Schmerz in seiner Stimme? "Das hier ist meine Heimat Ragnar. Als du mich geheiratet hast wusstest du das. Und du wusstest auch dass ich dich nie geliebt habe. Das war nicht Teil unseres Abkommens." Sagte ich leise. "Abkommen?! Du bist keine Sklavin mehr Mánadís. Du bist mein Weib, wir haben kein Abkommen sondern einen Bund für den Rest unseres Lebens geschlossen! Und um ehrlich zu sein ist es nicht einmal wichtig ob du bleiben willst, denn du gehörst nun einmal zu mir!" Mit diesen Worten erhob er sich und trat aus der Quelle. Mit groben Bewegungen begann er sich anzuziehen. "Los zieh dich an, wir müssen zurück." Die Ruhe des Moments war verschwunden und auch dass heiße Wasser konnte mich plötzlich nicht mehr wärmen. Trotzdem begann ich nur schweren Herzens mich anzuziehen.
Schweigend liefen wir, Seite an Seite, zurück zum Lager. Als wir ankamen lief mir Skalli freudig Fiepen entgegen und beschnupperte mich. Ragnar stiefelte geradewegs an dem Wolfswelpen vorbei und ließ sich auf unserer Schlafstätte nieder. Unentschlossen stand ich vor ihm, nicht sicher ob ich mich zu ihm legen sollte oder nicht. "Hör auf da rumzustehen." Wahrscheinlich hatte er meine Gefühle gespürt, denn Ragnar legte sich hin und machte vor ihm auf der Decke Platz für mich. Darauf bedacht ihn nicht zu viel zu berühren ließ ich mich neben ihm nieder und versuchte mich etwas zu entspannen. Ragnar war ganz offensichtlich noch immer verstimmt, zog mich aber trotzdem an seine Brust und breitete eine zweite Decke über uns aus. Sofort spürte ich seine Körperwärme an meinem Rücken und schaffte es nun endlich nicht mehr so verkrampft zu sein.
Ich liebte Ragnar nicht, aber mit der Zeit hatte ich mich an seine Anwesenheit gewöhnt und könnte es mir nicht mehr anders vorstellen.

"Mánadís, wach auf", ich wurde durch ein leichtes Rütteln an meiner Schulter geweckt und blinzelte verschlafen der Sonne entgegen. Anders als erwartet saß nicht mein Mann neben mir sondern Lagertha, die mir freundlich zu lächelte.
Etwas verwirrt richtete ich mich auf und fröstelte als die Wärme des Schlafes von mir abzufallen begann.
"Guten Morgen. Ragnar ist mit Thorald die Umgebung erkunden, er wollte dich noch schlafen lassen." Sie hielt mir ein Stück Brot und einen Becher hin und dankend aber noch immer etwas wirr nahm ich beides entgegen.
Skalli kletterte auf meinen Schoß und versuchte sich auf wackligen Beinen hinzusetzen, scheiterte aber und nahm schließlich neben mir Platz.
"Hab ich sehr lang geschlafen?" Ein Gähnen entlang sich meiner Kehle und ich nahm einen Schluck aus dem Becher um sie zu befeuchten.
"Länger als sonst. Aber das macht nichts, wir warten sowieso noch auf die anderen." Ich nickte. "War es schwer für dich deine Tochter zurück zulassen?" Lagerths sah kurz überrascht aus, lächelte aber dann, wohl beim Gedanken an ihr Kind. "Unterschiedlich. Sie ist jetzt bei einer Freundin, also weiß ich dass es ihr gut geht." Gerade als ich dazu ansetzen wollte etwas zu sagen hörte ich Ragnars Stimme und blickte in die Richtung aus der sie kam. Ich keuchte, die Luft schien plötzlich nicht mehr in meine Lunge zu gelangen. "Erik!"

Stay Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt