Von Kanonen und Schwarzpulver II

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Janko grinste. „Ha, du hast einfach 'ne Welle abgewartet, die das Fass hochhob, erst dann hast du geschossen."

„Gut aufgepasst", lobte Gerrit. „Also immer den Seegang beachten, sonst trifft man ins Leere. Das feindliche Schiff sollte sich möglichst auf derselben Höhe wie wir befinden. Nebenbei: ich treffe selten daneben. Und ... ähm ..." Er hielt inne, senkte den Kopf und suchte mit den Augen den Boden ab. „Ich suche nach verstreutem Pulver", erklärte er. „He, das ist wichtig, schaut auch danach, falls ja, dann sofort mit Wasser löschen!"

„Ach, deshalb also steht neben jeder Kanone eine Pütz voll Wasser", bemerkte Lorena, während sie gleichfalls die Planken inspizierte.

„Genau, Langer. Normalerweise ist das die Aufgabe des Pulveraffen, aber so oft, wie der zwischen Batteriedeck und Pulverkammer unterwegs ist, kann ihm das leicht entgehen. Besser ist, ihr achtet selber mit drauf, Schwarzpulver kann sich schnell entzünden, nachher fliegt uns das Schiff um die Ohren und wir enden als Festschmaus für die Fische."

Lorena schüttelte sich innerlich bei der Vorstellung.

Nach kurzer Zeit war die Suchaktion beendet, und Gerrit klärte sie über eine besondere Vorschrift in der Bordordnung auf. „Es hat seinen guten Grund, warum den meisten Matrosen der Zugang zum Batteriedeck verboten ist", sagte er in eindringlichem Ton. „Es ist eine reine Vorsichtsmaßnahme gegen Scherzbolde und Dummerjane. Niemand weiß, was den Leuten plötzlich in den Sinn kommt, besonders wenn einer zu tief ins Glas geguckt hat und meint, ein bisschen lustiges Geknalle schadet nicht."

„Das Proviantlager wird genauso streng bewacht", meinte Roluf. „Das ist ja meine Aufgabe als Botteliers-Maat."

Gerrit nickte beifällig. „Proviant- und Pulverlager. Beide sind überlebenswichtig auf See. Passt schon."

„Joh", brummte Ove aus vollem Herzen.

Sie wiederholten die Übung mit einem weiteren Fass, diesmal zielte Janko. Er traf knapp daneben, die Tonne bekam einen Drall versetzt und blieb oben.

Trotzdem war Gerrit zufrieden. „Gar nicht so übel für den Anfang. Du hast scharfe Augen, du bist ein echter Friese."

Janko presste die Lippen zusammen, seine Augen wanderten zwischen der Kanonenmündung und dem schaukelnden Fass abschätzend hin und her.

Da erscholl Thorssons Stimme: „Schluss für heute! Die Kanoniere zu mir!"

Gerrit gab sich einen Ruck. „Jupp, ich muss gehen! Räumt hier auf und sichert die Kanone, wie ich es euch gezeigt habe. Morgen machen wir weiter. Na, ich denke, aus jedem von euch wird mal ein ganz brauchbarer Kanonier. Macht's gut, Jungs." Er hob grüßend die Faust zum Abschied und ging.

Brauchbar, dachte Lorena amüsiert. Sie erinnerte sich noch recht gut an Rolufs Satz „Ah, das sind sehr interessante Möglichkeiten ..." Das hat geklungen, als habe er eine neue Lektion gelernt, wie man auf Amrum und Pellworm die Schiffe noch leichter zum stranden bringt als durch das Legen falscher Leuchtfeuer. Die verstohlenen Blicke waren ihr ebensowenig entgangen wie auch die Gemütsruhe, mit der sie das Schwarzpulver handhabten. Dagegen hatten ihre Finger gezittert ... Falls wir überfallen werden, bin ich auf das Duell Strandpiraten gegen Seepiraten gespannt. Hoffentlich geschieht das nicht so bald.

Plötzlich brachen ihre Freunde in Gelächter aus – Roluf zuerst, dann stimmten auch die anderen mit ein und deuteten mit dem Finger auf sie.

„He, was ist so lustig an mir?", verlangte sie zu wissen.

„Du musst dich gleich mal rasieren, bei dir sprießen überall die Bartstoppeln", ulkte Roluf.

„Timo hat 'nen Vollbart", stellte Sjard trocken fest.

🌊Der Stern des Meeres🌊*WattyWinner 2019*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt