Kapitel 6

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"Scheiße! Warum klappt das nicht?" "Eventuell, weil du es unbedingt alleine machen wolltest", rufe ich Tobias belustigt zu. Der Idiot versucht seit ungefähr sieben Minuten die Plane über das halbfertige Zelt zu ziehen. "Sag Bescheid, falls du meine Hilfe doch brauchen solltest." Tobias brummelt nur etwas vor sich hin und würdigt mich keines Blickes. Sein Pech.

Ich lasse meinen Blick umherschweifen und sehe, dass die meisten schon fertig sind und ihre Sachen einräumen. Ein weiterer Blick auf Tobias verrät mir, dass er immer noch nicht weitergekommen ist. Ich seufze. Wenn ich ihm jetzt helfe, rastet er wahrscheinlich komplett aus und ich kann draußen schlafen. Aber lange kann ich mir das echt nicht mehr ansehen.

Nach weiteren fünf Minuten stehe ich auf und gehe zu Tobias. Als ich ihm ins Gesicht schaue, fange ich an zu grinsen. Der Gute heult ja fast. "Wie stolz kann man bitte sein?", frage ich schon fast genervt und nehme ihm die Plane aus der Hand. Verdattert sieht er mich an, fasst sich direkt danach aber wieder. "Bild dir bloß nichts darauf ein", zischt er und hebt mit mir zusammen die Plane über das Zelt. Ich beginne die Heringe unten in die Schlaufen zu stecken, während Tobias schon mal sein gesamtes Gepäck hinein wirft. Dass eine Tasche am Eingang vorbei und direkt auf mich fliegt, sehe ich mal als seine Reaktion auf das Verletzen seines Stolzes an.

"Das Wort Danke kennst du nicht, oder?", schnaube ich, als ich mich zu ihm ins Zelt setze, um meine Sache abzustellen und meinen Schlafsack auszupacken. "Ich hab dich nicht nach deiner Hilfe gefragt. Also muss ich mich auch nicht bedanken", sagt Tobias nur abfällig. "Was bei dir nur schiefgelaufen ist", murmle ich leise. "Wie war das?" Er packt mich am Arm und setzt seine Faust zum Schlag an.

"Das würde ich lassen. Hier sind überall Lehrer und glaubst du echt, dass meine Schwester denkt, dass ich mich aufs Gesicht gelegt habe? Sie kennt die ganzen Wunden und kann sehr leicht eins und eins zusammenzählen. Also pass lieber auf." Selbstsicher grinse ich ihn an, ich bin mir aber sicher, dass er mich bei nächster Gelegenheit im Wasser ertränken wird. "Du kleiner Hurensohn", flüstert Tobias leise. "Du bist dran, wenn wir beide alleine sind." Ich rümpfe nur die Nase. Tobias ist deutlich schwächer als Henry und wenn ich komplett auf der Höhe wäre, könnte ich es vielleicht sogar mit ihm aufnehmen. Nicht, dass ich Lust darauf hätte, aber Notwehr wäre vielleicht sogar möglich. Aber auch nur wenn die Sterne richtig stehen.

Ein lauter Pfiff reißt mich aus meinen Gedanken und ich krabble zusammen mit Tobias aus dem Zelt. Ich kann mir dabei den kleinen Blick auf seinen Hintern nicht verkneifen. Hässlich ist er ja nicht. Und damit meine ich nicht nur seinen Allerwertesten. Innerlich bete ich dafür, dass er es nicht gesehen hat. Ansonsten habe ich gerade mein Todesurteil unterschrieben.


***

Nach ein paar Minuten stehen wir alle versammelt vor unseren Lehrern, von denen der Pfiff kam.
Lu stellt sich zusammen mit Till neben mich. "Wie schlimm war es bis jetzt?", fragt sie leise. "Also ich habe seinen Stolz verletzt und ihm irgendwie so ein bisschen provoziert. Bis zum jetzigen Zeitpunkt habe ich aber nur eine Tasche abbekommen. Also wird das schon." Till starrt mich an. "Dass du damit so gut umgehen kannst, ist einerseits bewundernswert, aber andererseits auch ein bisschen traurig." Ich will gerade etwas erwidern, aber Herr Fitz schnauzt uns an, dass wir endlich die Klappe halten sollen.

"Für den restlichen Tag heute haben wir ein Lagerfeuer geplant, welches ihr selbst vorbereiten sollt. Holz sammeln, Stockbrot machen, Essen und Trinken beim Einkaufsladen hier in der Nähe kaufen. Wie ihr das aufteilt, ist euch überlassen. Viel Spaß. Wir treffen uns in zwei Stunden wieder hier. Bitte versucht mit eurem Zeltgenossen zusammenzuarbeiten." Ich stöhne genervt auf und schaue flehend zu Lu, die allerdings, genau wie Till, von ihren Partnern weggezogen werden.

"Du bist also mit uns zusammen. Ich würde mal sagen, dass wir im Wald Holz sammeln." Die Stimme bereitet mir eine Gänsehaut am gesamten Körper. "Schön, Henry. Dann sollten wir uns beeilen. Meines Wissens nach hast du nämlich Angst im Dunkeln." Wo ich dieses Selbstbewusstsein gerade hernehme? Ich habe keine Ahnung. Ich habe immer mal so Schübe. Die sind allerdings genauso schnell weg, wie sie kommen. "Du kleiner Bastard. Das bekommst du zurück."

Genervt bewege ich mich Richtung Waldrand. Die Lehrer wollen mir doch echt eins rein drücken. Plötzlich spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. "Wo willst du denn hin, Kleiner?" Tobias sieht mich grinsend an und zieht mich weg von dem sehr sicheren Waldrand, genau in den sehr unsicheren dunklen Wald. Jetzt gibt es gleich auf die Fresse. Geil.

A * N I G H T * I N * A * T E N T - BoyxBoyWhere stories live. Discover now