take one.

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[Side/Top: Referenz für Flus Haarschnitt/Style]

                   Ich sass in meinem neuen Büro und starrte zum Fenster hinaus auf den Pausenhof. Das, was ich vom Direktor der Schule zugeteilt bekam, konnte man nicht wirklich als Büro bezeichnen. Selbst für ein Schulzimmer war es viel zu winzig gewesen. Vermutlich war dieses Zimmer einst eine Abstellkammer.

Vorsichtig trank ich einen Schluck aus der Teekanne, welche ich mir von Zuhause mitgebracht hatte und beobachtete weiter die Jugendlichen vor meinem Fenster.

Es hatte sich in all diesen Jahren nichts geändert was die Aufteilung in der Pause anging. Ein paar grossgewachsene Jungs warfen Körbe, während auf der angrenzenden Treppe vermutlich ihre Peroxide blondierten Freundinnen sassen und für sie jubelten. Was bei uns damals die Punks waren die von allen belächelt wurden, waren nun die Emos, welche auf dem Boden unter der grossen Eiche hockten. Gelegentlich kam ein Ball der Sport-Jungs in ihre Richtung geflogen und traf den einen oder anderen Aussenseiter am Kopf.

Das Mädchen, welches ich bei meinem letzten Besuch angetroffen hatte, stand ebenfalls auf dem Pausenhof. Ganz allein war sie an die Mauer der Sporthalle gelehnt und rauchte. Sie versteckte sich nicht. Scheinbar war es ihr egal was andere über sie dachten.

Ich zuckte zusammen als es an der Tür meines Zimmers klopfte. Hastig drehte ich mich vom Fenster weg und blickte zu Miss Poffinberger, welche die Tür bereits geöffnet hatte und halb im Raum stand: „Ich dachte, ich bringe Ihnen noch die Akten der Studenten vorbei“, lächelte sie und legte einen senfgelben Umschlag auf meinen Schreibtisch. „Danke“, brummte ich freudig. Meine Hand war bereits nach den Papieren ausgestreckt, als Miss Poffinberger meinte, sie müsse mir noch unbedingt eine Frage stellen. Ich versuchte nicht genervt zu wirken: „Ja?“

„Hätten Sie nach der Arbeit vielleicht Lust auf einen Kaffee?“, fragte sie höfflich. Prima. Ich hasse diese casual dates mit Mitarbeitern. Sah ich echt so sehr nach verzweifeltem Junggesellen aus, der es mal wieder nötig hatte? Dabei war ich die Personifikation der Grumpy Cat! So schwer sollte das nun auch wieder zu verstehen sein.

Ich musste Miss Poffinberger also enttäuschen und schüttelte den Kopf: „Tut mir leid. Ich habe noch anderes vor.“ „Verstehe“, murmelte die junge Blondine sichtlich betrübt. „Schliesslich ist es ihr erster Tag.“

Ich versuchte nicht allzu genervt zu nicken, als Miss Poffinberger aus dem Zimmer ging und die Tür hinter sich verschloss. Nun hatte ich alle Zeit der Welt für den Inhalt des Umschlages.

Der erste Schüler entsprach dem stereotypischen Bild des Sportlers. Ich konnte mir allein anhand des typischen Sunny Boy Lächelns auf dem Foto zusammenreimen warum er hier war: Seine ganzen Gedanken waren wahrscheinlich beim Sport und seiner dadurch resultierenden Persönlichkeit. Er war mit seinen Noten vermutlich irgendwo im untersten Drittel der Klasse und bräuchte deswegen ein paar hübsche Arschtritte von einem Krüppel um sich zusammen zu reissen und endlich mehr Wert auf die Schule zu legen.

Die zweite Akte gehörte zu einem Schüler welcher durch sein schlechtes Benehmen auffiel. Er hatte in der Vergangenheit schon mehrere Gegenstände des Schuleigentums beschädigt und dem einen oder anderen Lehrer schon mal gedroht. Grossartig! Und so was schicken die zu mir. Einem Krüppel! Ich sehe die Schlagzeile schon vor mir: „Krüppel wird von Rowdy aus Fenster geschmissen – Tot!“ Zwar war dies nicht mein Wunschtod aber immerhin würde er wenn alles gut ging kurz und schmerzlos sein.

Hastig schüttelte ich den Kopf und griff nach der dritten und letzten Akte. Ein schwaches Lächeln huschte über mein Gesicht, als ich das Bild sah. Schwach erkannte man noch das Mädchen, dem ich letztens auf die Beine geholfen hatte. Sie sah so anders aus als jetzt: Ihre Haare waren ziemlich lang und sie trug ein geblümtes Kleidchen. Was wohl passiert war?

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