Prolog

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Luftschiffe waren nicht dafür gebaut, Unwetter zu überstehen. Kapitän Zacharias Berkoff wusste dies, aber er konnte nichts weiter tun als hinaus in den Regen zu starren und zu hoffen. Zu hoffen, dass die Hülle der AVA dem Sturm standhielt; zu hoffen, dass seine Crew nicht die Nerven verlor und vor allen Dingen zu hoffen, dass sie rechtzeitig hier sein würde. Er holte seine Taschenuhr hervor und beobachtete die Zeiger, die unermüdlich voranschritten. Es war bereits nach Mitternacht. Sie sollte schon längst an Bord sein! Viel länger konnten sie nicht mehr warten.

Die AVA schwebte nur wenige Meter über dem Boden, ihre Motoren arbeiteten auf Höchstleistung, um gegen den Wind anzukommen und dennoch wurde der riesige weinrote Rumpf hin und her gedreht.

Resigniert nahm der Kapitän einen Schluck des heißen Pfeffertees, den er immer trank, wenn er seine Nerven beruhigen musste.

Einerster Blitz zuckte durch die Dunkelheit und Berkoff versuchte zuerkennen, ob draußen die Silhouette eines menschlichen Körpers auszumachen war. Doch dort gab es nichts als überflutete Straßen und notdürftige Hütten, in denen die Menschen Schutz gesucht hatten. Der Regen schwemmte schwarze Asche auf und spülte sie davon.

Niemand wäre so wahnsinnig einen Fuß vor die Tür zu setzen – niemand, außer einer Person, deren Leben davon abhinge.

Das Licht des Blitzes war längst verblasst und sein faltiges Gesicht mit dem weißen Backenbart spiegelte sich in der kunstvoll gearbeiteten Fensterscheibe. Berkoff war müde, schon zu lange hatte er keinen freien Tag mehr; schon zu lange führte er das Kommando der AVA. Das silberne Abzeichen am Kragen seiner Uniform signalisierte, dass er Kapitän ersten Ranges war. Es war wie ein Steuerrad geformt und trug die Gravur seines Namens. Eine Auszeichnung, die nur ein einziges Mal im ganzen Königreich vergeben wurde: ausschließlich an den Kommandanten des königlichen Luftschiffes.


Der Pfeffertee in seinem Becher zitterte, als der Sturm die AVA abermals ergriff und die Motoren mit aller Kraft dagegen halten mussten.

»Wenn wir jetzt losfliegen, haben wir noch eine Chance dem Schlimmsten zu entgehen«, stelle Yvana Bøe fest und konnte ihre Besorgnis nicht verbergen. Sie war die Steuerfrau an Bord. Die Knöchel ihrer Finger traten weiß hervor, so fest klammerte sie sich an die Bedienelemente. Es war ein verzweifelter Versuch die Hoheit über das Schiff nicht an den Sturm zu verlieren.


Die Tür zur Brücke wurde geöffnet und ein breit gebauter Mann mit einem auffälligen Ziegenbart trat herein. Wie alle anderen Crewmitglieder an Bord trug auch er eine dunkelblaue Uniform mit einem weinroten Kragen. Doch anders als bei Yvana oder dem Kapitän war die Kleidung des Mannes tropfnass.

»Offizier McGill, konnten Sie unten etwas erkennen?«

»Das konnte ich nicht, nein. Eventuell würde es helfen zu wissen, wen oder was wir suchen, Kapitän!«

McGill versuchte gar nicht erst zu verbergen, wie schlecht seine Laune war. Sie sollten längst nicht mehr hier sein. Ihre Mission auf Septea Nova war beendet, sie hatten die Nachricht des Königs überbracht und ihre Vorräte aufgefüllt. Wäre alles nach Plan gelaufen, hätten sie die Insel längst verlassen und flögen auf direktem Weg nach Quinnea. Doch heute lief es nicht nach Plan. Sie war noch nicht an Bord und Berkoff würde nicht eher den Befehl zum Starten geben.

»Übergeben Sie mir das Steuerrad, Yvana. Ich habe die Befürchtung, dass Ihnen die nächste Sturmböe die Arme ausreißt.« McGill wartete nicht auf die Antwort der Steuerfrau, sondern drängte sie zur Seite.

Yvana Bøe warf ihre struppigen schwarzen Haare zurück. Kurz schien sie abzuwägen, ob es sich lohnte einen Streit anzufangen, trat dann aber neben den Kapitän ans Fenster.

Die Avinauten - Im Namen des Königs (Collins Weg an Bord)Where stories live. Discover now