22 • date?

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Der Braunhaarige hielt vermutlich gerade Ausschau nach mir, erblickte mich allerdings noch nicht, da ich aus der anderen Richtung kam und auf ihn zuging.

Mit jedem Schritt erkannte ich ihn deutlicher und spürte meinen schneller werdenden Herzschlag. Die schwarze Lederjacke über seinem Rollkragenpullover stand ihm ausgesprochen gut und ich musste mich bei meinem eigenen Gedanken kurz räuspern.

Es war schon so weit gekommen, dass ich nervös davor war, mich mit ihm zu treffen.

Was stellst du nur mit mir an?

Ein letztes Mal stieß ich die Luft aus und brachte schließlich ein kleinlautes "Jaehyun" über die Lippen, als ich ihn allmählich erreicht hatte.

Der Angesprochene schien, meine Stimme sofort erkannt zu haben, denn sein Kopf schoss direkt in meine Richtung und sein Gesicht strahlte, als er mir in die Augen sah.

Direkt stand er auf und lief mir die letzten paar Schritte entgegen: "Hey, Taeyong!"

Wir blieben voreinander stehen und als mir gerade bewusst wurde, dass ich mir gar keine Gedanken über die Begrüßung gemacht hatte, nahm Jaehyun mir diese Entscheidung ab und zog mich mit einem Mal in eine sanfte Umarmung.

Leicht überrumpelt blieb ich zunächst regungslos stehen.
Alles was ich wahrnahm, waren Jaehyuns plötzliche Nähe, seine starken Arme, die sich um meinen Oberkörper schlangen und sein angenehmer Duft aus Eigengeruch und leichtem Parfum, die mich empfingen.

Zögerlich erwiderte ich schließlich die Umarmung und Jaehyun strich kaum merklich über meinen Rücken, doch ich spürte es trotzdem. Ich spürte ein erneutes Mal dieses eigenartige Gefühl von Sicherheit, welches Jaehyun mir immer wieder in den letzten Wochen gegeben hatte.

Trotzdem entfernten wir uns relativ schnell voneinander und ich erwischte mich dabei, wie ich mich fast schon ungerne aus dieser angenehmen Umarmung lösen wollte.

Mein Gegenüber hatte meine Unterarme immer noch nicht losgelassen und grinste leicht: "Ich freue mich wirklich, dass du da bist.." - "I-Ich mich auch" erwiderte ich und fühlte mich langsam wie von seinem Lächeln angesteckt.

Es war kurz still, wir hielten Augenkontakt und meine Nervosität verschwand allmählich immer mehr.

Wieso hatte ich mir solche Sorgen gemacht?

"Okay," Jaehyun klatschte in die Hände, "Wir müssen jetzt aber echt irgendein Café finden, ich verhungere halb!"

"Oh Gott, ich auch, Mark hat vorhin gefühlt meinen ganzen Kühlschrank beschlagnahmt" erwiderte ich lachend und versetzte den Jüngeren ebenfalls in Gelächter. "Na dann mal los!"

Wir begannen also unseren Weg durch die relativ volle Innenstadt und liefen an den zahlreichen Schaufenstern entlang.

Es schien tatsächlich, als hätte ich mir umsonst Gedanken darüber gemacht, dass das Treffen mit Jaehyun unangenehm werden könnte, denn wir kamen einfacher ins Gespräch als ich erwartet hätte.

Ich antwortete zunächst zwar immer wieder etwas zögerlich und zurückhaltend, doch ich spürte nach einer Weile, wie ich mich in Jaehyuns Anwesenheit immer mehr entspannte.

Auf dem Weg zu dem kleinen Café in der Stadtmitte redeten wir über alles mögliche. Von völlig banalen Dingen wie Schule und unsere verschiedenen Kursfächer über meine hoffnungslose Matheschwäche bishin zu Geschichten aus unserem inzwischen gemeinsamen Freundeskreis.

Schließlich betraten wir ein kleines, rustikal aber gemütlich eingerichtetes Café, nahmen direkt an dem Tisch am großen Schaufenster Platz und bestellten.

Jaehyun erzählte mir gerade begeistert von seinen Jahren an der amerikanischen Schule, während ich den Kopf auf meiner Hand abgestützt hatte und ihm leicht lächelnd zuhörte.

Es war ungewohnt, zum ersten Mal länger Zeit mit Jaehyun zu verbringen und mit ihm über die einfachsten Dinge zu reden. Ohne, dass wir in einen Streit gerieten, selbst einen führten oder dass jemand von uns fast überfahren wurde.
Es war ungewohnt und doch überraschend angenehm mit ihm.

Und auch wenn ich es vor einigen Tagen nicht erwartet hatte, ich fühlte mich wohl.

"Hey." ... "Erde an Taeyong?"

Ich schüttelte kurz den Kopf und bemerkte erst jetzt, dass ich innerlich abgeschweift war und mein Gegenüber bloß gedankenverloren angestarrt hatte.

"S-Sorry, was sagtest du?" Jaehyun lachte.

"Ich hab' nur gesagt, dass du süß aussiehst, wenn du.. in Gedanken bist."

Ich stoppte kurz in meiner Bewegung und spürte die Hitze in meine Wangen steigen.

Hatte er mich gerade wirklich..?

"I-Ich.." stotterte ich und griff mit roten Wangen nach meiner Kaffeetasse, umklammerte diese mit meinen Händen, zu denen ich heruntersah.

"Du musst nichts darauf antworten, ich wollte es dir nur.. sagen" meinte Jaehyun mit ruhiger Stimme und ich hörte ihn dabei lächeln.

"Verrätst du mir, was du gedacht hast?"

Mein Blick fiel zurück auf Jaehyuns Augenpaar und ich räusperte mich, wurde kurz schüchtern unter seinem intensiven Blick, den er mir wie immer schenkte.

"Ganz ehrlich?" - "Ganz ehrlich."

"Ich.. hab darüber nachgedacht, wie ungewohnt es ist, so unbeschwert hier mit dir zu sitzen, nach allem von davor. Es.. passt eigentlich nicht zu mir, weißt du?" Er nickte leicht.

"D-Das hast du ja selbst an deinem ersten Tag schon zu spüren bekommen a-aber.. ich bin normalerweise nicht gut darin, neue Menschen in mein Leben zu schließen. Ich.. lasse nicht viele an mich heran."

Ich redete auf einmal mehr und in einem ernsteren Ton, als ich vorgehabt hatte, doch Jaehyun schien trotzdem zu verstehen und beugte sich etwas über den Tisch, sodass sein Gesicht meinem etwas näher kam. Meine Augen wurden größer.

"Heißt das, ich bin eine Art.. besondere Ausnahme für dich, dass ich trotzdem die Ehre habe, hier mit dir zu sitzen?"

Es war kurz still und ich schluckte benommen, während man im Hintergrund nur die Gespräche an anderen Tischen sowie die leise Musik aus den Boxen des Cafés hören konnte.

Ich wusste nicht, was in diesem Moment mit mir geschah, doch meine Augen waren wie an die des Braunhaarigen gefesselt.

Die Luft knisterte. Mir war warm.

"Ja, ich.." murmelte ich und Jaehyun zog seine Augenbrauen etwas nach oben. "Ich denke, das bist du tatsächlich." beendete ich fast nur noch flüsternd meinen Satz.

Ich legte den Kopf leicht schief und sah ihn fast schon etwas verträumt an.

Ich sah die Grübchen, die sein stärker werdendes Lächeln langsam zum Vorschein brachte.
Ich sah die Strähnen seiner hellbraunen, fluffigen Haare, die auf seiner Stirn lagen und ich sah seine tiefdunklen Augen, die mich gerade so intensiv fokussierten, wie vermutlich noch nie.

Ich sah die Kleinigkeiten an seinem Gesicht, die mir zuvor nicht einmal im Geringsten aufgefallen waren.

Ich sah zum ersten Mal, wie wahnsinnig schön der Junge vor mir eigentlich war und wie wohl ich mich hier, in seiner Anwesenheit fühlte.

"Er ist der erste, der seit Ten in dein Leben getreten ist und dir alles andere als egal ist!"

Und jetzt wurde mir klar, dass Jaehyun inzwischen einen größeren Platz meiner Gedanken einnahm als ich mir zu Beginn vorgestellt hatte.

Einen viel größeren, wichtigeren Platz.

Er war wirklich eine besondere Ausnahme.

trust issues - jaeyongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt