Alt wie ein Baum

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Die Dunkelheit legte sich über den Wald, da hörte sie ein leises Schluchzen und sie roch Angst, sie schmeckte bitter auf ihrer Zunge und saß wie ein Stein in ihrem Magen. Alles in Mila zog sie zu diesem Klagelaut, aber sie sträubte sich.

Sollte sie doch niemand so sehen und was ging es sie an? Hatte sie nicht schon genug Probleme? Langsam verebbte das Weinen, desto weiter sie sich entfernte. Aber es fühlte sich falsch an. Sollte sie nicht wenigstens versuchen zu helfen, wenn es nicht funktionierte, könnte sie ja noch immer umdrehen und ihres Weges gehen. Flink lief sie dem Geräusch nach und der Stein in ihrem Magen wurde immer kleiner, desto näher sie der Quelle der Angst kam. Vielleicht war es nie die Angst, die dort saß, sondern ihr Mitgefühl.

Dort saß ein kleines Eichhörnchen zwischen den Bäumen. Es war noch sehr jung und es weinte bitterlich.

»Bitte, bitte friss mich einfach. Mach es kurz und schmerzlos. Bei drei, okay? Aber du zählst«, jammerte das Eichhörnchen.

»Nein, danke. Du riechst nicht sonderlich appetitlich«, gab Mila zurück. Sie hatte die anderen Tiere in den letzten Tagen schon reden gehört, also ging sie davon aus, dass auch sie mit den anderen Tieren sprechen konnte. Das Einzige, dass sie nun überraschte, war das Eichhörnchen, das darum bat gefressen zu werden. Es schaute Mila nicht einmal an.

»Ich bin vom Baum gefallen und habe mir etwas an meinem Hinterbein getan. Ich werde sowieso gefressen oder ich verhungere. Tante Chai ging es so, Onkel Abele und Opa Dieter ebenfalls. Warum also mein Schicksal weiter hinauszögern?«, fragte das Eichhörnchen resignierend.

Mila packte das nervige Ding im Nacken, dass Eichhörnchen schrie, dass es in ihren Ohren nur so schrillte. Dann warf sie es mit einer flinken Drehung auf ihren Rücken.

»Halt dich fest, aber schreist du noch einmal so, werfe ich dich runter! Und dann wird es dir so elendig ergehen, wie du prophezeit hast.«

Das Eichhörnchen krallte sich in ihr Fell und Mila ging weiter.

»Ich heiße Aluna und ich wollte gar nicht gefressen werden«, nuschelte es in ihr Fell. Dann schlief Aluna auf Milas Rücken ein und sie schlief den ganzen Tag und die ganze Nacht. Mila war nun so weit gelaufen, ohne eine Antwort zu finden, so drehte sie um und lief den ganzen Weg wieder zurück.

»Du bist ein Nebelfuchs, oder?«

»Ja, so wie aussieht, bin ich ein Nebelfuchs, oder?«

»Wieso fragst du mich?«, fragte Aluna, »Du musst doch wissen, was du bist. Besonders

bei deiner Aufgabe!«

Mila spürte, wie Aluna bei den Worten ihre Position veränderte.

»Was ist denn meine Aufgabe?«, fragte Mila.

»Du bist mit allem verbunden. Alles was um uns herum wächst und gedeiht. In vielen

Geschichten nennt man dich Wächter oder Hüter«.

»Wächterin und Hüterin. Warum muss das klingen, als wäre ich ein Mann? Oh, ich meine Männchen. Eine Füchsin kann das genauso gut, vielleicht sogar besser. Es kommt doch auf die Begabung an und nicht auf das Geschlecht!«, hält Mila dagegen.

»Oh. Ich wollte eigentlich erzählen, dass wir dich in unseren Geschichten Waldgeist nennen. Hm Waldgeistin ...«, stammelt Aluna die Erklärung und zum ersten Mal seit vielen Tagen lacht Mila. Etwas löst sich dabei und ein Teil des Kummers der letzten Tage löst sich einfach in Luft auf.

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⏰ Last updated: Jul 24, 2020 ⏰

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NebelfüchsinWhere stories live. Discover now