(Homo-) Phobia |Stexpert

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StegixMCExpert
Triggerwarnung: Homophobie

'Du bist ekelhaft! Männer können keine Männer lieben, hast du das nicht kapiert? Und dafür habe ich all die Jahre investiert!'

Ich ging mit meiner schweren Tasche über der Schulter die Straße entlang. Das Kopfsteinpflaster wechselte zu Teer. Wohin ging ich eigentlich? Wie lange war ich unterwegs? In meinem Kopf spukte immer noch das Gespräch von gerade herum.

'Wie jetzt, Stegi ist schwul, ist das nicht verboten?'
'Es ist! Ich hab dich doch eigentlich aufgeklärt, was soll das? Du hast unsere gesamte Glaubensrichtung verraten!'
'Ich will sowas nicht im Haus haben. Du bist nicht mein Sohn, ich habe sowas nicht geboren!'
'Dann geh doch und lass dir weiter Schwänze in den Arsch stecken!'

Mein Atem wurde in der Luft zu Rauch. Es war so verdammt kalt. Meine Wange brannte immer noch. Was habe ich getan?

'Das ist ekelhaft! Das ist überhaupt nicht natürlich!'
'Jetzt tu nicht so, du hattest doch schonmal ne Freundin! Das kann ja gar nicht sein.'
'Wer hat dich dazu gebracht? Du weißt doch, dass sowas nicht richtig ist!'
'Du bist nicht mein Sohn!'

Wo soll ich hin? Wo verdammt soll ich hin? Ich kann nicht... was ist so schlimm daran? Ich wollte doch nur lieben, leben, was war falsch daran? Ich verstand das nicht, wenn Gott uns nach seinem Vorbild geschaffen hat, dann...

'Der Leibhaftige hat ihn bestimmt verdorben!'
'Vielleicht wird es besser, wenn wir ihn zum Psychologen schicken...'
'Wag es ja nicht, vor Marie darüber zu reden, sonst denkt sie noch, das sei normal!'
'Hast du denn kein Mädchen, dass du toll findest? Der Junge muss in eine andere Gegend!'

In eine andere Gegend, defintiv! Ich dachte, die Familie stünde immer hinter einem! Ich dachte, sie würden mir helfen. Ich verstehe es ja selbst nichtmal...

'Ich will dich nicht mehr sehen!'
'Du bist nicht mein Sohn!'
'Ekelhaft!'
'Solche Leute sollte man nicht unterstützen!'
'Abschaum!'

Verwundert hob ich den Blick.
Wie war ich denn hier her gekommen? Wird er mich verstehen? Oder schmeißt er mich auch raus?
Mein Finger schwebte über der Klingel. Und wenn ich eine Ausrede suchte? Ich konnte nicht auch noch meinen besten Freund verlieren...

'Hier, da! Nimm deine Sachen und geh, du brauchst sie sogar nichtmal mehr zu packen!'
'Und glaub ja nicht, dass...'

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ich zuckte heftig zurück.
Tim stand vor mir, mit halb angezogener Jacke. Ich starrte ihn erschrocken an.
"Stegi!" Sofort wurde ich in eine feste Umarmung gezogen. Das wars.
Ich fing an zu heulen wie sonstwas und drückte mich fest an ihn. Er strich mir sanft über den Rücken, zog mich ins innere des Hauses und ließ die Tür zufallen. Bei dem Knall zuckte ich zusammen und drückte mich näher an Tim. Er war so schön warm und ich fühlte mich direkt wohler.
"Gott Stegi, du bist ja eiskalt! Komm, gib mir mal die Tasche, ich hab vorhin den Ofen angemacht, lass uns ins Wohnzimmer gehen, ich mache uns 'ne heiße Schokolade." Und schon war er weg.
Schade, er roch so gut.
Was?
Verwirrt schüttelte ich den Kopf, wischte meine Tränen weg, zog Jacke und Schuhe aus und begab mich vor den warmen Kamin.
Ein paar Minuten später kam Tim mit der heißen Schokolade und setzte sich zu mir aufs Sofa. Völlig in Gedanken trank ich einen Schluck.
Konnte ich es ihm sagen? Er kümmerte sich so gut um mich. Oder würde mich auch gleich wieder rausschmeißen?
Er wollte doch offensichtlich gerade schnell irgendwo hin, störte ich?
Ich wollte ihn nicht verlieren, um nichts in der Welt! Er war mein bester Freund seit der Grundschule, wir konnten uns eigentlich alles anvertrauen, er war so perfekt, war immer für mich da, beruhigte mich immer, er hatte eine unfassbar tolle Stimme, er sah gut aus, er war unfassbar nett, er würde mich ekelhaft finden.
Ekelhaft und unnatürlich. Er würde mir sagen, dass ich ihm leid tat, aber er könne unsere Freundschaft so nicht auferhalten.

Youtuber OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt