#3: Der Ruf des Sehers

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In diesem Repräsentations-Kommentar geht es um das Buch "Der Ruf des Sehers" von MargoWendt. Die Rezension wurde von anrevo und mondkaelbchen geschrieben.

Disclaimer: In dieser Bewertung wurden nur die ersten sieben Kapitel berücksichtigt.

Zusammenfassung:

"Der Ruf des Sehers" spielt in Talen, einem offensichtlich sehr vielfältigen und magischen Kontinent der Göttermeer-Welt. Wir lernen in den ersten Kapiteln einige Figuren kennen, die in ihrem Charakter und ihrer Kultur sehr verschieden sind. Durch die unterschiedlichen Sichtweisen kann der*die Leser*in die verschiedenen Magiearten, die in der Welt existieren, von allen Seiten kennenlernen – und davon gibt es einige! Unterschwellig schwingt von Anfang an eine unbekannte Bedrohung mit und es bleibt spannend, wie die Geschichte weitergeht...

Ist "Der Ruf des Sehers" diversifly?

Werfen wir doch mal einen Blick auf die verschiedenen Figuren!

Im ersten Kapitel lernen wir Einiir kennen, der mysteriöse Visionen empfängt und Teil einer anscheinend magischen Universität ist. Er ist offenkundig ein Gelehrter, plant aber mit seinem Freund und Kollegen einen Kampf. Trotz dieser körperlichen und geistigen Stärke, lernen wir gleich zu Beginn des Kapitels auch eine andere Seite kennen; während er seine Vision hat, ist Einiir diesen Empfindungen komplett ausgeliefert und geschwächt. Sehr erfrischend, einen männlichen Hauptcharakter zu sehen, der mit dem Druck seiner Gabe zu kämpfen hat!

Die nächste Protagonistin, die wir kennenlernen, heißt Sh'Kara. Vor allem an ihr kann man erkennen, dass Diversität durchaus nicht ein Nachgedanke für die Autorin war (*hust* JK Rowling *hust*), sondern dass sie von realen Kulturen inspiriert wurde, in diesem Fall von den Ureinwohnern Amerikas - und dass sie diesen realen Bezug natürlich in einem fantasiereichen Sinn umgesetzt hat. Sh'Kara ist tief verbunden mit der Kultur ihres Volkes (Spirit Animal, das Verbrennen von Weißem Salbei usw.), andererseits sucht sie ein selbstbestimmtes Leben abseits dieser. Trotz dieses Strebens nach Eigenständigkeit ist sie nicht das Klischee der harten, abgebrühten Action-Frau, sondern hat ebenso sanfte Eigenschaften. Alles in allem entsteht das Bild eines abgerundeten Charakters mit starkem kulturellem Hintergrund. Schade fanden wir, dass wir Sh'Kara trotzdem als weiß gelesen haben ("Rotblonde Haare hingen nach dem Waschen in glatten Strähnen an ihrem Hals herab"). Wenn man sich schon von einer Kultur inspirieren lässt und wie in diesem Fall besonderes Augenmerk auf Diversität legt, wäre es nur angebracht, auch die Hautfarbe dementsprechend anzupassen.

Das dritte Kapitel ist niederländisch inspiriert mit einem gewieften Geigenspieler, der gleichzeitig ein Taschendieb ist. Genau wie Sh'Kara hat er ein Mal auf seiner Stirn, das ihn als "magisch" kennzeichnet und ihn zur Universität ruft. Hier hat uns sehr gut gefallen, dass es zwar definitiv Probleme in dieser Welt gibt, magische Talente aber nicht nur Menschen mit Geld und Macht geschenkt werden.

Im weiteren Verlauf des Buches zeigt die Autorin, wie einfach es geht, einen dunkelhäutigen Charakter wie Yuran vorzustellen: "Das einfache Leinengewand unterstrich den dunklen Farbton seiner Haut." Ebenso fast beiläufig erfahren wir, dass es in dieser Welt durchaus Diskriminierung aufgrund von Hautfarben gibt. Es ist sehr interessant, wie diese rassistischen Haltungen durch einen Gedanken von ihm ausgedrückt werden; er beschreibt, wie seine etwas hellere Cousine gerade noch als rein gelte und bezeichnet dies als traditionellen Irrsinn. Yuran war eigentlich vorherbestimmt gewesen, die Herrschaft von seinem Vater zu übernehmen, wurde später aber aufgrund seiner Gabe von der Thronfolge ausgeschlossen. Der Konflikt zwischen Verantwortung und Selbst kann sicher sehr interessant werden. Spannend ist auch seine Gabe selbst – er kann offenbar Düfte analysieren und ihre Bestandteile benennen. Wieder ein sehr schönes Beispiel dafür, dass Männer nicht nur Krieger sein müssen, sondern eben auch eine Affinität zu etwas "Femininem" wie Düften haben können.

Die letzte Szene, die wir euch gerne noch vorstellen möchten, findet statt, nachdem wir eine weiter begabte Frau namens Cat kennenlernen. Ihr Talent ist eine unfassbar genaue Auffassungsgabe. Auf ihrer Reise zur Universität trifft sie eine Kriegerin namens Veera, die auch wieder sehr facettenreich dargestellt wird. Sie wird nämlich als Soldatin UND als gebildete und humorvolle Frau beschrieben. Die beiden unterhalten sich und eine weitere Frau taucht auf, die von Veera als eine gute Freundin vorgestellt wird – Cat ist allerdings schnell klar, dass zwischen den beiden dann doch etwas mehr ist als das. Talen ist aber anscheinend genauso offen für Homosexualität wie Wasser brennt und die beiden müssen ihre Beziehung verstecken. Es wird sehr spannend zu sehen, wie sich diese Thematik im Laufe der Geschichte weiterentwickelt, wir fanden es auf jeden Fall super, dass so früh im Buch schon relativ beiläufig und ohne eine große Sache daraus zu machen, ein homosexuelles Paar eingeführt wurde.

Unser Fazit: Bemerkenswert für den "Ruf des Sehers" ist definitiv die Diversität und zwar nicht nur die der Hautfarbe, sondern auch der Erfahrungen. Es gibt Gelehrte, Straßendiebe, Prinzen und Menschen, die vollkommen abseits der Gesellschaft leben. Letzten Endes ist doch eigentlich wirklich das Diversität: Verschiedene Menschen, verschiedene Erfahrungen, aber jede Geschichte ist es wert, erzählt zu werden.

Liebe MargoWendt, wir würden dir für diese Geschichte gerne den DIVERSIFLY, den BYEGOTRY und den CONQUEEROR-Sticker anbieten. 

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