Ich war selbst ein wenig überrascht, wie kühl meine Stimme doch klang. Aber ich konnte es einfach nicht fassen, dass er sich tatsächlich alleine auf den Weg hierher gemacht hatte und dann auch noch im Begriff war, über diesen Zaun zu klettern. Was dachte er sich nur dabei? Verstand er denn nicht, in was für eine Gefahr er sich damit brachte?!
Überfordert sah der Junge mich an, während seine Augen anfingen glasig zu funkeln. Eine Weile starrten wir uns einfach nur an, als Tae schließlich niedergeschlagen zu Boden sah und flüsterte: „Ich sollte gehen."
„Ja, das solltest du", erwiderte ich trocken und versuchte das beklemmende Gefühl in meiner Brust zu ignorieren, welches sich bei seinen Worten bemerkbar machte.

Verdammt, wieso war ich nur so hin- und hergerissen? Auf der einen Seite wollte ich ihn von hier verscheuchen, so wie er mich davon gejagt hatte, nachdem ich der festen Überzeugung gewesen war, dass wir so etwas wie eine Freundschaft aufgebaut hatten... aber auf der anderen Seite  wollte ich ihn auf gar keinen Fall gehen lassen. Nie wieder.
Vorsichtig nickend, drehte Tae sich schließlich um, als ich nicht anders  konnte, als ihn am Arm festzuhalten. Verdattert starrte er erst auf meine Hand um seinem Gelenk und dann zu mir.
„Was ist?", kam es ihm fast flüsternd über die Lippen und ich konnte hören, wie brüchig seine Stimme klang.

„Du meintest, dass meine Welt die deine zerstört", verkündete ich schließlich, woraufhin der Hellhaarige langsam nickte.
„Wenn das stimmt", fuhr ich vorsichtig, dennoch bestimmt fort, „dann möchte ich dir dabei helfen, das zu ändern."

-

Seufzend öffnete ich die Tür meines Zimmers, während Tae sich hinter mir  stumm in den Raum schob. Ich wusste nicht, ob das hier eine gute Idee war, aber ich versuchte einfach nicht weiter darüber nachzudenken. Ein wenig unbeholfen streckte ich die Arme von mir und erklärte schließlich, dass das hier mein Zimmer war und mein Vater wohl erstmal ein paar Stunden weg sein würde. Nickend nahm er dies zur Kenntnis als meine Augen wieder auf die nasse Kleidung an seinem Körper fiel.
„Möchtest du vielleicht etwas sauberes zum Anziehen?", schlug ich leise vor, woraufhin er an sich heruntersah und einmal mehr nickte.

Mit einer auffordernden Handbewegung führte ich ihn in mein Ankleidezimmer und griff schließlich nach einem schwarzen T-shirt und einer weiteren dunkelgrauen Sporthose mit weißen Streifen an den Seiten. Dankbar nahm er diese entgegen und drehte sich schließlich leicht weg ehe er sich auch schon den Pullover über den Kopf zog. Überrascht die Augen weitend, wandte ich mich ab.
„Ich lass dich mal alleine", murmelte ich schließlich, woraufhin der Hellhaarige nichts erwiderte. Zögernd ging ich schließlich zur Tür ehe ich mich noch einmal umdrehte und auf den hellhäutigen Rücken blickte. Mir blieb kurz die Luft weg, als ich erkannte, wie schmächtig dieser war und wie markant seine Schulterblätter unter der leicht zitternden Haut hervorstachen. Wahrscheinlich hatte er schon eine ganze Weile in den nassen Klamotten gefroren, ohne es zuzugeben.

Ein sorgenvolles Gefühl machte sich in mir breit und am liebsten wollte ich auf der Stelle zu ihm eilen und ihn in den Arm nehmen, seine zarte Haut streicheln und ihn einfach festhalten, bis ihm wieder warm war...  aber so ein Verhältnis hatten wir nicht länger zueinander und damit  musste ich mich abfinden.

Seine hellen Strähnen hingen ihm sanft in den Nacken, während er sich das viel zu große T-shirt über den Kopf zog. Den Blick abwendend verließ ich schließlich das Zimmer und setzte mich aufs Bett als auch Tae kurze Zeit später dazu stieß und sich zu mir aufs Bett gesellte. Schweigend  saßen wir voreinander, während sich eine unangenehme Stimmung zwischen uns aufbaute, mit der wir beide nicht wirklich umzugehen wussten. Fast ein wenig wehmütig knetete ich mit den Händen, als ich mich daran erinnerte wie unbeschwert wir durch seinen Wald gelaufen waren, auf dem Elefanten gesessen oder zusammen die Beeren vernascht hatten.

Moonchild {VKOOK}Where stories live. Discover now