Von Panik und Strohhalmen

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Erfurt, 04. November 2013 

„Oh mein Gott, was sollen wir jetzt tun?", schrie Stefan. Verzweifelt krallte er die Finger in seine Haare und rutschte mit dem Rücken an der Wand neben dem bewusstlosen Benni zu Boden.
„Ich... ich weiß es nicht", erwiderte ich und starrte schockiert auf Benni herunter, der sich noch immer nicht bewegte.
„Wir brauchen einen Arzt, ihr Vollidioten", meinte Igor und zog mit zitternder Hand sein Handy aus der Hosentasche.
„Fuck ey, am letzten Abend. Warum? Warum kann nicht einmal alles normal laufen?", jammerte Stefan und schlug frustriert auf den Boden.
Lukas kniete sich neben Benni. „Scheiße, da läuft Kotze aus seinem Mund. Wir müssen ihn umdrehen, sonst erstickt er daran. Wie geht das nochmal?"
„Keine Ahnung!"
„Hatte irgendjemand schon einen Erste-Hilfe-Kurs? Dieses stabile Seitendings müssen wir mit ihm machen!"
„Ich hab den Notarzt gerufen. Was stimmt denn mit ihm nicht? Er hat doch gar nicht so viel getrunken. Hat er was genommen? Er kann das doch sonst alles ab", murmelte Igor und sah Benni fassungslos an.
„Ich hab nichts mitbekommen", flüsterte ich mehr zu mir selbst, als es zu sagen. Gleichzeitig fragte ich mich, ob ich wohl was mitbekommen hätte, wären meine Gedanken, Augen und Ohren nicht permanent auf Lukas fixiert.
„Ist doch jetzt scheißegal, es ist wie es ist", meinte Stefan. In dem Moment begann Benni zu krampfen und noch mehr Erbrochenes lief aus seinem Mund. Seine Augen verdrehten sich so, dass nur noch das Weiße in ihnen zu sehen war. Igor griff zu und legte Benni nach seinem Krampfanfall gekonnt in die stabile Seitenlage.
„Wir sollten ihn nicht so viel bewegen, ohne zu wissen, was mit ihm ist", sagte er und hielt ihn in Position. Benni verkrampfte sich erneut und Igor hatte große Schwierigkeiten, ihn festzuhalten. Langsam wurden wir alle unruhig. Benni landete zwar ab und zu in der Notaufnahme, aber das hier war doch eine andere Hausnummer.
„Oh Scheiße, lass ihn los verdammt. Vielleicht braucht sein Körper das", schrie Stefan.
„Unsinn! Am Schluss schlägt er seinen Kopf nochmal gegen die Wand und ist gleich tot", sagte Igor in ruhigem Ton. „Oder was meint ihr? Tim? Lukas?"
„Ich habe keine Ahnung", erwiderte ich.
„Ich bin so ein Idiot", sagte Lukas und riss die Augen auf. „Meine Schwester ist da. Sie ist Ärztin. Ich versuche sie zu finden. Vielleicht kann sie uns helfen bis der Notarzt da ist."
„Na dann laber nicht, lauf", schrie Stefan schrill und begann zu schluchzen.
„Hey, es hilft jetzt nicht wenn du noch anfängst zu flennen. Lasst uns die Nerven behalten, Leute", sagte Igor. Seine Hand auf Bennis Schulter zitterte stark.
„Der schafft das schon. Der hat schon viel schlimmeres ausgehalten", sagte ich, ohne es selbst zu glauben. Die Krampfanfälle kamen nun schon in immer kürzeren Abständen. Die verdrehten Augen erschreckten mich immer wieder zu Tode. Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Ich zündete mir eine Zigarette an und ließ mich zu Boden sinken. „Fuck."
Stefan kroch zu mir rüber. „Gib mir auch eine, bitte."
Obwohl Lukas wahrscheinlich erst vor einer Minute losgelaufen war, um seine Schwester zu holen, kam es mir vor, wie eine halbe Ewigkeit. Stefan und ich rauchten und Igor hielt Benni so gut es ging an Ort und Stelle, damit er sich nicht noch mehr Verletzungen zuzog. Ich fühlte mich vollkommen nutzlos.
„Soll ich dich mal ablösen?"
„Nee, das geht schon. Ich hoffe einfach, dass gleich jemand kommt."
Es war ein furchtbares Gefühl, hier zu sitzen ohne etwas tun zu können. Er brauchte dringend Hilfe und keiner von uns wusste auch nur annähernd was zu tun war. War es richtig, ihn so festzuhalten? Lag er richtig? Was verdammt nochmal war nur los mit ihm?
Wir hörten schnelle Schritte auf der Treppe. Erleichtert stieß ich die Luft aus meinen Lungen, doch dann sah ich, dass es nur Jo von der Lichttechnik war.
„Was zur Hölle ist hier los?", fragte er fassungslos, als er Benni in seinem Erbrochenen liegen sah. Ein neuer Anfall begann und Benni entglitt Igor. Sein ganzer Körper bebte, Arme und Beine zuckten unkontrolliert durch die Luft. Seine Augen waren weit aufgerissen und wieder drehten sich die Pupillen nach hinten. Ich war mir sicher, dass mich dieser Anblick für den Rest meines Lebens in meinen Alpträumen heimsuchen würde.
„Was... scheiße", schrie Jo und half Igor dabei, Benni wieder zu fixieren. „Habt ihr den Notruf gewählt?"
„Ja, natürlich."
„Vor der Halle stehen Rettungswagen. Mal daran gedacht? Die wissen doch bestimmt eher als wir, was das hier ist."
Ich trat meine Zigarette aus und sprang auf. „Ich hol jemanden."
Mit rasendem Herzen rannte ich die Treppe zur Bühne hoch und machte mich dann auf den Weg durch den Saal. Sofort bereute ich es, diesen Weg genommen zu haben, denn die Halle war bei weitem noch nicht leer. Das Konzert war erst seit wenigen Minuten vorbei und es waren noch jede Menge Leute hier.
„Timi! Oh mein Gott", schrien ein paar Mädels und wollten mich belagern.
Konnten die Leute nicht endlich aufhören zu schreien?
„Ist grad echt schlecht", schrie ich zurück und drängte mich weiter durch die Menschen.
Timi! Können wir ein Foto machen? Timi bleib mal kurz stehen! Timi trink Jägermeister mit uns! Timi fick mich!
Ich ignorierte einfach alles. Ich wollte auf keinen Fall, dass irgendjemand mitbekam, was gerade hinter der Bühne los war. Verzweifelt suchte ich Lukas in der Menge. Hoffentlich hatte er seine Schwester schon gefunden. Im besten Fall waren sie schon auf dem Weg zu Benni. Aber da noch extrem viel los war, bezweifelte ich das. Wenn ich schon so große Probleme hatte voran zu kommen, dann erging es Lukas bestimmt nicht besser.
Endlich fand ich die Tür und rannte durch den Eingangsbereich nach draußen auf die Straße. Weit und breit war kein Rettungswagen zu sehen. Weder die, die vorhin schon da waren, noch der neue den Igor gerufen hatte .
„Hey Timi", sprach mich ein Mädchen an und strahlte über beide Ohren.
„Wo ist der Krankenwagen?", fragte ich sie harsch.
„Gerade weg gefahren. Da war so ein Typ. Der ist ausgerastet und hat hier randaliert. Dabei wurde jemand irgendwie von einer Flasche am Kopf getroffen, den bringen sie jetzt ins Krankenhaus."
„Scheiße."
„Ja. Können wir ein Foto machen?"
Wortlos drehte ich mich um und ließ sie stehen. Ich rannte um die Halle herum zum Hintereingang. Meine Lunge pfiff aus dem letzten Loch und mein Herz raste. Ich riss die Tür auf, ging durch und knallte sie mit einem lauten Schrei hinter mir zu. Ich schrie mir die Seele aus dem Leib. Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so dermaßen hilflos gefühlt. Ich wählte die Nummer des Notrufs.
„Wo ist der verdammte Krankenwagen der zum Centrum kommen sollte?", schrie ich schrill in mein Handy, als mein Anruf endlich entgegen genommen wurde.
„Bitte schreien Sie mich nicht an. Es ist eine schwierige Situation für uns alle", forderte mich eine Frau auf, die klang als wäre sie höchstens sechzehn Jahre alt.
„Wie meinen Sie das? Was für eine schwierige Situation?"
„Es hat eine Massenkarambolage in der Innenstadt gegeben. Der Krankenwagen, der auf dem Weg zu Ihnen war, wurde wohl von einem schwer alkoholisierten Fahrer gerammt. Es gibt viele Verletzte. Wir tun, was wir können. Der nächste freie Wagen kommt zu Ihnen. Aber ich kann Ihnen nicht sagen, wann das sein wird. Wir tun, was wir können."
„Mein Freund stirbt!"
„Ich weiß. Wir tun, was wir können."
„Wir tun was wir können. Wir tun was wir können. Wir tun was wir können. Blöde Sau!" Frustriert legte ich auf und steckte mein Handy zurück in die Hosentasche. Das konnte doch nicht wahr sein. War ich hier in einem schlechten Film gefangen und das passierte gerade alles nicht wirklich? Ich atmete kurz durch und rannte dann so schnell ich konnte zurück hinter die Bühne, wo Benni noch immer lag.
Stefan saß noch an der Wand. Aber außer Igor und Jo waren jetzt auch noch Lukas und Katharina da. Erleichtert ließ ich mich neben Stefan fallen.
„Gott sei dank", stieß ich keuchend aus. Stefan gab mir keine Antwort. Er starrte einfach nur nach vorne zu Benni.
„Was bedeutet das jetzt", hörte ich Lukas fragen.
„Ich habe nichts da, mit dem ich ihn untersuchen kann. Logischerweise. Aber die Krampfanfälle und wie seine Augen aussehen... irgendwas ist in seinem Kopf nicht so, wie es sein sollte."
„Der Krankenwagen braucht noch eine Weile. Es gab einen Unfall in der Stadt. Es ist gerade keiner frei", teilte ich den anderen die neuesten Erkenntnisse mit. Benni bekam wieder einen Krampfanfall. Dieser war schlimmer, als alle die ich vorhin schon beobachtet hatte. Es erinnerte mich an diese Exorzismus-Filme, denn er wand sich und zuckte, als bekäme er gerade den Teufel ausgetrieben. Es wirkte alles völlig surreal und ich hatte Mühe, in diesem sich aufbäumenden, von Krämpfen geschüttelten Etwas meinen alten Freund Benni zu erkennen.
„So viel Zeit hat er nicht", sagte Katharina. „Er braucht jetzt sofort Hilfe. Bringt mir einen Bohrer."
„Einen Bohrer?", fragte Lukas geschockt.
„Ja, einen Bohrer. Ich muss seinen Schädel öffnen."
„Bist du dir sicher?"
„Nein, ich bin mir nicht sicher. Aber das ist die einzige Chance, die er hat. Ich glaube der Hirndruck ist zu hoch und ich vermute eine Hirnblutung. Wenn es noch weiter anschwillt, werden Nerven zerquetscht und die lassen sich nicht mehr reparieren."
Lukas wimmerte. „Können wir nicht auf den Krankenwagen warten? Jemand muss ihn doch im Krankenhaus untersuchen bevor man ihm den Schädel aufbohrt."
„Lukas ich weiß das ist hart. Aber so viel Zeit hat er nicht, wenn ich richtig liege. Was würde Benni sagen, wenn er könnte?"
„Er würde bestimmt nicht sagen: Los bohr mir den Schädel auf, Baby."
„Aber er würde leben wollen. Jetzt besorg mir einen Bohrer!"
Jo rannte los und kam kurz darauf mit einem Bohrer zurück.
„Der Aufsatz ist viel zu dick", sagte Katharina. „Und ich brauche noch Desinfektionsmittel oder Alkohol. Los los!"
Ich sah zu Stefan, der neben mir saß. Ich war mir nicht sicher, ob er irgendwas von dem mitbekam, was gerade passierte. Er starrte ins Leere. Auch ich wünschte mir, ich wäre irgendwo anders. Ich wollte doch einfach nur noch nach Hause und nach einer gelungenen Tour mit Lukas ein paar schöne romantische Tage in meinem Bett verbringen. Stattdessen waren wir jetzt in diesem plötzlich aufgetauchten Alptraum gefangen und ich hatte wirklich Angst, dass heute noch einer von uns sterben würde.
Ich sah wieder zu Katharina, die vor unserem Freund saß und gerade einen anderen Aufsatz auf den Bohrer steckte. Dann tauchte sie ihn in ein Glas Vodka.
„Ist er irgendwie hingefallen? Was ist denn heute passiert? Irgendjemand eine Idee?"
„Nein, es war alles ganz normal", sagte Lukas.
„Gar nichts war normal", schrie Stefan plötzlich und löste sich aus seiner Schockstarre. „Er war den ganzen Tag so seltsam. Und er ist doch hingefallen heute Mittag, als er sich Bier holen war. Als er in der Scheiße ausgerutscht ist."
Ich kannte mich nicht mit medizinischen Dingen aus. Vielleicht war er wirklich auf den Kopf gefallen und die Nachwirkungen zeigten sich erst jetzt. Für Katharina war das jedenfalls der ausschlaggebende Punkt zu handeln.
Sie befahl Igor, sich auf Bennis Beine zu setzen und seine Arme dabei festzuhalten. Lukas hatte Bennis Kopf zwischen den Händen.
„Ihr dürft euch auf keinen Fall bewegen. Auch er darf sich nicht bewegen. Habt ihr das verstanden?"
Beide nickten. Gerade als sie den Bohrer ansetzen wollte, wurde Benni schon wieder von einem Krampfanfall erschüttert.
„Scheiße", schrie Igor während er von Benni runterfiel.
„Halt ihn fest. Los Stefan, komm dazu", sagte Katharina so ruhig wie möglich. Es war eine Extremsituation für alle. Wahrscheinlich gehörte so etwas wie das hier auch nicht zu ihrem normalen Tagesgeschäft.
„Sobald er aufhört, geht es los."
Ich hoffte so sehr, dass sie mit ihrer Vermutung richtig lag. Und dass sie gleich nicht zu tief bohrte und ihn tötete oder zu einem Pflegefall machte. Aber sie war die einzige Chance, die wir hatten. Das sah ich nun ein, als ich ihn mit verdrehten Augen und Speichel, der aus seinem Mund floss, vor mir liegen sah.
Als Benni wieder ruhig lag, schaltete sie den Bohrer ein. Das Geräusch ging uns allen durch Mark und Bein. „Bereit?", fragte sie und schaute abwechselnd Igor und Lukas an. Beide nickten.
Als der Aufsatz Bennis Schädel erreichte und man das unbeschreibliche Geräusch hörte, das entstand als er sich durch den Knochen bohrte, wurde mir kurz schwarz vor Augen. Mein Kreislauf war kurz davor sich zu verabschieden, doch mit viel Mühe schaffte ich es, nicht einfach umzukippen. Wir konnten nicht noch einen Bewusstlosen gebrauchen und ich wollte in dieser absurden Situation, wenn auch nur durch bloße Anwesenheit, für meine Freunde da sein. Auch, als eine leicht rötlich gefärbte, klare Flüssigkeit schwallartig aus dem Loch in Bennis Kopf schoss, schafften wir es alle, ruhig zu bleiben. Ich war mir sicher, dass ich diesen Anblick niemals vergessen würde und ich hoffte so sehr, dass Katharina alles richtig gemacht hatte, auch wenn es aussah wie eine Szene aus einem Horrorfilm.
Sie legte den Bohrer weg und schaute Benni mit der Taschenlampe ihres Handys in die Augen.
„Und? Hat es geklappt?", fragte Lukas hoffnungsvoll.
„Ich weiß es nicht", antworte Katharina ehrlich. Alle sahen Benni schweigend an. Igor ließ seine Arme los und setzte sich seufzend auf. Es war so ruhig, dass ich glaubte, ich konnte mein Herz schlagen hören.
Doch mit der Ruhe war es bald vorbei. Benni verkrampfte wieder und einer seiner Arme, die locker auf dem Boden gelegen hatten, schnellte hoch und traf Katharina hart am Kopf. Sie kippte zur Seite.
„Das darf doch nicht wahr sein!", schrie Lukas verzweifelt. „Was ist denn hier los? Ist irgendwo versteckte Kamera oder was? Benni hör auf mit der Scheiße. Es reicht!"
Zu schön wäre das gewesen. Benni würde einfach aufstehen und lachen. Das Loch in seinem Kopf wäre Fake wie in einem Film und das alles war nur ein sehr seltsamer Witz von ihm, den er zusammen mit Katharina ausgeheckt hatte. Doch natürlich war das nur eine Wunschvorstellung und dieses Drama hinter der Bühne spielte sich gerade wirklich ab.
Katharina rieb sich die Stirn und setzte sich wieder auf. „Alles in Ordnung, nichts passiert. Ich muss mehr Druck ablassen. Besorg mir einen Strohhalm und einen Becher."
Stefan sprang auf und rannte davon. Ich wollte mir nicht vorstellen, was sie damit jetzt vorhatte, aber die Bilder von dem, was gleich vermutlich passieren würde, brannten sich in mein Hirn ein, noch bevor ich es überhaupt gesehen hatte.
Einige Momente später hatte Katharina den Strohhalm im Vodka desinfiziert. „Ihr müsst ihn festhalten. Ganz egal was jetzt passiert. Er darf sich nicht bewegen."
Sie steckte den Strohhalm in das Loch in Bennis Kopf, aus dem nur noch wenig Flüssigkeit rann, saugte kurz daran und schon spuckte die Flüssigkeit heraus. Sie fing alles mit einem Plastikbecher auf.
Stefan keuchte und auch Lukas und Igor hatten Probleme, das mitanzusehen. Von mir ganz zu Schweigen. Ich kämpfte wieder mit meinem Bewusstsein. Das alles war einfach viel zu viel für mich. Dass Benni wieder krampfte, machte die Situation nicht einfacher. Der Anblick, wie Lukas und Igor verzweifelt versuchten, ihn ruhig zu halten. Katharina, die den Strohhalm hielt. Das Zeug, was aus ihm heraus schoss. Bennis verdrehte Augen. Diese verdammten Augen.
Doch dann geschah ein Wunder. Ein großer Schwall verließ den Strohhalm und Benni lag auf einmal ganz ruhig da. Auch seine Augen sahen wieder normaler aus und schlossen sich dann ganz langsam. Katharina wies Lukas an, den Strohhalm ruhig zu halten, während sie ihn sich genauer ansah.
„Okay, er atmet und er hat Puls", sagte sie erleichtert. „Ich glaube, das gröbste haben wir hinter uns."
Ich rutschte näher an Benni heran. So nah, bis ich seinen Atem selbst hören und mich davon überzeugen konnte, dass er noch lebte. Im selben Moment kamen zwei Sanitäter und der Notarzt um die Ecke. Endlich!
Katharina erzählte ihnen kurz wer sie war und was bisher passiert war. Der Arzt prüfte nochmal Puls und Atmung, dann schnallten die Sanitäter Benni auf die Trage. Den Strohhalm ließen sie in seinem Kopf stecken und baten Katharina, im Krankenwagen mitzufahren. Igor und Stefan liefen hinterher. Lukas und ich blieben noch einen Moment auf dem Boden sitzen.
„Kannst du glauben was da gerade passiert ist?", fragte ich ihn.
„Um Himmels Willen, nein."
„Denkst du, es war der Sturz heute Mittag? Hat der das ausgelöst?"
„Kann schon sein. Keine Ahnung."
Ich seufzte. „Vielleicht hat er ja gemerkt, dass irgendwas nicht gestimmt hat. Aber warum hat er denn nichts gesagt?"
Lukas seufzte ebenfalls. „Du kennst ihn doch. Er ist ein verdammter Perfektionist. Er würde sich lieber selbst den rechten Arm abhacken... und den linken noch dazu... als dass auf dem letzten Konzert irgendwas schief geht. Ich weiß nicht. Es ist ihm einfach so unfassbar wichtig, dass alles läuft. Auch wenn er sich mit dem ganzen Trinken und den Drogen nicht so verhält. Aber trotzdem klappt ja immer alles. Das gehört halt dazu. Aber dass er vor dem Konzert ins Krankenhaus geht und es ohne ihn stattfindet... das würde er nie zulassen. Er will, dass wir alle groß rauskommen. Als Band und auch jeder einzelne von uns. Dafür würde er alles tun."
„Auch sein Leben dafür geben?"
„Er würde für diese Band sterben Timi."
Ich nahm die weiche Hand von Lukas und drückte sie. „Unfassbar."
„Timi. Benni riskiert sein Leben für unseren Erfolg. Dir ist klar, dass wir niemals irgendwas tun dürfen, was ihn enttäuschen könnte", murmelte Lukas und starrte ins Leere.
„Das weiß ich", sagte ich und drückte seine Hand ein wenig fester. Er drückte zurück und ließ meine Hand nicht los.
Oh Bitte, lass nie los...

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