Verräterische Spuren

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Hamburg, im Oktober 2013

„Alter, Lukassexuell", las ich Marcels neueste Wortschöpfung laut vor und ließ mich schallend lachend nach hinten auf mein Bett fallen. Der Typ war manchmal echt zu geil.
Es klopfte kurz an der Zimmertür und im nächsten Moment stand auch schon ein sehr verwirrt schauender Igor vor meinem Bett. „Alles okay mit dir?", fragte er und kratzte sich an der Nase.
„Ja, alles gut", antwortete ich und bekam nochmal einen kleinen Lachanfall, während ich sicherheitshalber auf meinem Handy die letzten paar Nachrichten zwischen Marcel und mir löschte. „Ich hab einfach nur gerade an was Witziges denken müssen", prustete ich.
„Erzähl", forderte Igor mich auf und musste alleine wegen meinem irren Kichern schon selbst anfangen zu lachen.
„Sorry Igor, aber da muss man dabei gewesen sein."
„Na gut", meinte er und fragte auch schon nicht mehr weiter nach. „Kommst du mit zum Frühstück?"
„Klar. Sag mal, weißt du wo Lukas ist?", fragte ich ganz unschuldig.
„Wer wohnt mit ihm im Zimmer? Du oder ich?", fragte Igor verwirrt.
„Ähh, also als ich wach wurde, war er schon weg."
„Der hat doch gestern was gelabert von wegen irgendwen besuchen."
„Okay, hab ich nicht mitbekommen", sagte ich und ein sehr erleichtertes Lächeln zog sich quer über mein Gesicht. Es stimmte also. Er war nicht vor mir abgehauen wegen was auch immer. Ich beruhigte mich selbst mit dem Gedanken, dass Lukas wahrscheinlich heute schon gar nicht mehr wusste, dass er mich gestern zu sich ins Bett eingeladen hatte. Es schien ihm also nichts unangenehm zu sein und er hatte keine Ausrede benutzen müssen, um schnell hier weg zu kommen. Es war offenbar wirklich überhaupt nichts weiter dabei gewesen.

Fünf Minuten später saß ich einem schmatzenden Benni am Frühstückstisch gegenüber. Diesmal war ich zu spät gekommen, denn als er mich zum Tisch kommen sah, schnappte er sich schnell das letzte Croissant und schmierte schnell einen ganzen Batzen Nutella darauf, bevor er es mit vier Bissen verschlang.
„Och, Benni", maulte ich.
„Was los?", fragte er zuckersüß. Dieser alberne Kampf um die Croissants hatte sich in letzter Zeit irgendwie spaßeshalber zwischen uns beiden entwickelt. Leider verlor ich ihn immer.
„Also, sobald Lukas heute Nachmittag seinen Arsch wieder hier her geschafft hat, fahren wir nach Braunschweig. Wir haben dort in nem Hotel zwei Einzelzimmer und ein Doppelzimmer. Stefan schläft logischerweise bei sich zu Hause."
„Hättet ihr euch damals nicht benommen, wie die allerletzten Menschen, könntet ihr ja auch dort schlafen", sagte dieser schulterzuckend.
Wir sahen uns an und fingen alle gleichzeitig an, zu lachen. Stefan wohnte derzeit noch im Untergeschoss seines Elternhauses und hatte uns vor Monaten ein einziges Mal dort übernachten lassen. Die Ergebnisse dieser Nacht waren ein vollgekotzter Pool, ein angezündetes Gartenhäuschen, eine Couch auf dem Dach und seine hysterische Mutter, die zwei Wochen gebraucht hatte, sich deswegen wieder zu beruhigen. Darum waren wir im Hause Mayer keine gern gesehenen Gäste mehr.

Die Frage, wie wir in Braunschweig wohl die Hotelzimmer unter uns verteilen würden, brannte mir tierisch unter den Nägeln. Ich traute mich jedoch in dem Moment nicht, diese zu stellen.
Würde ich gerne wieder mit Lukas in einem Zimmer schlafen? Auf jeden Fall.
Was, wenn es darin dann vielleicht nur ein Doppelbett statt zwei einzelnen Betten geben würde? Noch besser.
Vielleicht würde sich dann auch endlich meine Frage, warum Lukas mich verdammt nochmal gestern in seinem Bett haben wollte, von alleine beantworten.

„Ich nehm ein Einzelzimmer, damit das klar ist. Ich will keinen von euch schnarchen, furzen oder wichsen hören", sagte Benni und sah uns alle der Reihe nach entschlossen an.
„Mir ist das vollkommen Latte. Hauptsache ich..."
„Hauptsache, du liegst", lachte Stefan und schnipste Igor eine leere Kaffeesahne entgegen. „Obwohl es ja für alle angenehmer wäre, wenn du alleine schlafen würdest, so wie du immer die Heizung aufballerst."
Für diesen Einwurf hätte ich Stefan echt küssen können, denn Igor stimmte ihm direkt zu. Dann war die Sache ja geritzt.

Zehn SekundenWhere stories live. Discover now