Vienna Calling

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Mitten in der Nacht wachte ich verwirrt auf meiner Couch auf. Ich musste mich kurz zurechtfinden, doch dann fiel mir wieder ein, warum ich mit, von Tränen verkrusteten, Wangen in meinem Wohnzimmer lag.
Shorty hatte mich am Morgen ohne Erklärung sitzen gelassen und mich seit dem auch nicht mehr kontaktiert.
Was war nur in ihn gefahren? War es meine Schuld? Ich konnte mir keine dieser Fragen beantworten, also beschloss ich es aufzugeben und zu versuchen weiterzuschlafen.

Ich rollte mich herum, doch schaffte es nicht mehr, zur Ruhe zu kommen. Meine Gedanken kreisten unweigerlich um Sebastian und ich konnte sie nicht ausblenden. Schließlich fiel mir wieder ein, was er einst bei unserem ersten Treffen gesagt hatte.
Ich komme oft hier her, wenn ich nicht einschlafen kann.
Der Park wäre nun der Ideale Ort, um meine Gedanken zu ordnen und mich nach all dem Stress, der an an diesem Tag passiert war, zu erholen. Ich kam jedoch zu dem Entschluss, nicht meine Wohnung zu verlassen, ich assoziierte diesen Park mittlerweile unfreiwillig mit Shorty und wenn ich einen klaren Kopf möchte, war ich dort definitiv an der falschen Adresse.

Die Nacht fühlte sich noch wie eine Ewigkeit an, jedoch musste ich irgendwann eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen öffnete zeigte meine Uhr plötzlich 11 an.
24 Stunden war es nun her, dass... Nein, ich musste mir verbieten darüber nachzudenken. Ich nahm ein leichtes Frühstück zur mir und duschte, bevor ich die gestern angefangene Serie fortsetzte.

Mehrmals schrieb mich mein bester Freund Kurt an, doch ich gab ihm nur knappe Antworten. Die Tatsache, dass ich ihm noch immer nichts von den Shorty-Ereignissen erzählt hatte, fühlte sich an als würde ich lügen und heiterte mich absolut nicht auf. Es dauerte nicht lange, da fragte er schon was los sei, da ich so seltsam auf seine Texte reagiere. Sollte ich es ihm doch sagen? Es gab niemanden, dem ich meinen Schmerz anvertrauen konnte und ich wusste, nur Kurt war in der Lage mich zu trösten. Ich atmete tief durch und teilte ihm auf WhatsApp mit, dass wir reden müssten, bevor ich seine Nummer wählte.

"Heast Alex, wos is los? Warum bist so augriad? Nur wegen da gschissenen Quarantäne? I was, es muss schrecklich san, mi so long net zum sengan", wehte mir sofort ein Wortschwall entgegen, der mich trotz der miesen Stimmung zum Schmunzeln brachte.
"Jo hallo Kurtiii, schlimm is des olles"
"I konns goa ned mehr dawoatn bis ma uns wieder übert Häuser haun kennan"
"I a ned, oba de Quarantäne is grad ned mei größtes Problem", sagte ich und meine Stimme veränderte sich, was Kurt sofort bemerkte.
"Jetzt sog ma wos los ist! Is wer okratzt?", erkundigte er sich nun vorsichtig.
"Na, oba... I hob wen kennaglernt. Oba ned eifoch irgenwen... Du wiast denken I bin a Schmetandler"
"Ahhh, du host wen neichn? Und des sogast ma ned?! Jo wen denn? ...Sog do endlich!"
"Bitte versprich ma, dass'd ned lachst!"
"Jaja, I versprech's!"

"Es is... Dea Kurz", sagte ich so ernst wie möglich.
Kurt brach sein Versprechen und prustete laut ins Telefon.
"Wooos?! Da Shorty? The one and only Basti Short?! Jetzt veroaschst mi oba doch! Dir is jo nua fad in da Quarantäne!"

Ich hatte schon erwartet, dass er so reagieren würde, aber dennoch brachte seine Ungläubigkeit das Fass beinahe zum Überlaufen. Ich schluchzte und übertönte damit Kurtis Lachen am anderen Ende der Leitung, was ihn zum Schweigen brachte. "Ka Schas?", fragte er nun wieder zögerlich mit einer versöhnlichen Stimme.
"Ka Schas", lautete meine Antwort.

Ich erzählte Kurt die ganze Geschichte von vorne bis hinten und von hinten bis vorne und alles drum herum. Er war voll dabei, stellte immer wieder Fragen und schien das ganze schließlich doch sehr ernst zu nehmen. Ich liebte Kurt dafür, dass er so ein passionierter Zuhörer und Ratgeber war. Ich führte die Geschehnisse vom Vortag noch einmal ganz detailliert aus, sodass er sich ein besseres Bild von der Situation machen konnte. Nach ungefähr zwei Stunden kam ich endlich zu einem Punkt.

"Wos glaubst du wos sei Problem is?", fragte ich schlussendlich, gespannt auf Kurts Reaktion.

"Mia kennan ned mehr tun als spekulieren, Schatzal. Du musst aufhean so a Zetzn zu sein, dich deiner Angst stellen und den Trottl anruafn und ihn selba frogn!"

"Oba es hebt sicha nur sein Butler o.
...Oda da Kogler", entgegnete ich, immer noch ein wenig verzweifelt.

"Na dann heben hoid dea Butler oder dea Kogler o, oba du versuachst es so lang, bis'd zum Kurz durchkommst. Des konn's jo ned sein, dass der Fetznschädl eifoch so mit deinam Gewand... Und deinam Herz... oboscht und si dann nimma rührt!", erklärte Kurt, der während meinen Erzählungen leicht in Rage geraten war.

"...Recht host. I ruaf eam donn holt mal irgendwann an, oba I muass ma no a poa Worte zurechtlegen"

"Moch da kane so großen Sorgen... Wenn mia no wos eifollt sog I dia's und wenn a ned mit dir redn mog, hot a di eh ned verdient", schloss Kurt schließlich ab, bevor ich dankend auflegte.

Es war doch die richtige Entscheidung gewesen, meinen besten Freund anzurufen. Ich watschte mich innerlich dafür, dass ich es nicht schon früher getan hatte, aber wenigstens hatte ich nun guten Rat von ihm erhalten, der mir hoffentlich aus dieser verzwickten Lage helfen würde. Trotzdem brauchte ich nun erstmal eine nachdenk-Pause, in der ich entscheiden musste, was ich nun sagen würde. Ich war wütend auf Shorty, aber vielleicht sollte ich das nicht unbedingt zeigen. Ich sollte versuchen so rüberzukommen als würde ich ihn verstehen, damit er eher zugibt was los ist. Vielleicht könnte ich aber auch ganz traurig mit ihm sprechen, damit er Mitleid bekommt...
Oder sollte ich ihn doch mit meinem Zorn einschüchtern?

Ich schüttelte den Kopf, es hatte alles keinen Sinn. Shorty war eine Nummer zu groß für mich und das hätte ich von Anfang an sehen sollen, kein Wunder, dass er irgendwann einfach abhaut, wenn ich mehr will.
Ich war nur eine von rund 8 Millionen Personen, die in Österreich wohnten und in keinster Weise besonders oder Sebastian Kurz würdig. Ich hätte es sein lassen, wenn Kurti nicht da gewesen wäre, um mich aufzubauen und mir zu versichern, dass diese Zweifel ungerechtfertigt waren, obwohl sie immer wieder aufkamen.

Ich nahm also all meinen Mut zusammen und wählte Sebastians Nummer. Sollte ich wirklich auf "Anruf starten" drücken?
Blunzn. Ich schob mein mulmiges Gefühl beiseite und drückte auf den grünen Knopf.

Bieeep

Bieeep

Bieeep

"Servus, Sebastian Kurz am Apperat"

Shorty Boi | Sebastian Kurz ff Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt