8 -

1.4K 89 17
                                    

» lewis capaldi - bruises

Als wir in die Notaufnahme einfahren, wirkt sie gelassen und entspannt. Sie liegt auf der Liege und starrt dabei an die Decke. Ihre Freundin ist nicht mitgefahren, da sie laut eigener Aussage dringend nach Hause muss.

„Das ist typisch, ich habe von ihr nichts anderes erwartet", hatte sie gesagt und mit den Schultern gezuckt.

„Wir sind da", informiere ich sie, als ich erkenne, dass Denis direkt auf die Eingangstür zusteuert. Sie seufzt und nickt.

„In welcher?", fragt sie.

„Lungenklinik", lautet die knappe Antwort und sie nickt. Sie weiß es, denn sie war hier wahrscheinlich schon öfter, als meine Kollegen und ich in allen restlichen Krankenhäusern.

„Ich werde dich jetzt reinfahren", informiere ich sie und stoße die große Türe auf. Sie seufzt und nickt, als ich schon die Hebel betätige und die Trage über die Schiene rollen lasse.

„Ich hasse es hier", murmelt sie mit zusammengezogenen Augenbrauen.

„Das schaffst du schon", sage ich aufmunternd und schenke ihr ein Lächeln, doch ich glaube meinen Worten selbst nicht. Eine palliative Therapie ist hart und sie lässt einem keinen anderen Ausweg als den Tod.

Während Denis elegant zur Anmeldung läuft, schiebe ich die Trage geschickt durch die Türen und mustere dann das randvolle Wartezimmer der Notaufnahme.

„Sieht nach viel Arbeit aus", kommentiert sie und ich nicke leise lachend.

„In welchem Krankenhaus arbeitest du?", frage ich sie und sie erklärt mir den Standort ihres Arbeitsplatzes.

„Ich arbeite auf der internistischem Station. Da ist es ganz schön", meint sie mit einem verträumten Lächeln und ich kann meinen Respekt vor ihr kaum in Worte fassen.

„Wieso hast du dich wirklich dazu entschieden?"

Sie zuckt mit den Schultern. „Wenn ich schon sterbe, möchte ich wenigstens den Anderen dabei helfen zu überleben."

Ich nicke verständnisvoll und mein Herz zieht sich zusammen. Sie wirkt unglaublich stark. Pass auf sie auf, Savannah.

„So, dein behandelnder Arzt ist unterwegs", meint Denis neben uns und ich nicke.

„Er kann zwar nichts dafür, aber ich hasse es, wenn er kommt", meint sie lachend und ich zwinge mir ein leichtes Lächeln auf.

Der Raum ist von Lärm erfüllt und die Menschen sind so aufgeweckt, obwohl sie vor Schmerzen hier sind.

„Esther! Meine Liebe, was führt dich zu mir?", höre ich plötzlich und drehe mich leicht um. Auf uns läuft ein relativ junger Arzt mit einem breiten Lächeln im Gesicht zu.

„Das übliche, Doc. Bin mal wieder umgeklappt", antworte sie gelassen, als wäre es nichts.

Ihr Arzt versucht zwar, seine strahlende Miene aufrecht zu erhalten, doch ich merke die Besorgnis in seinen Augen.

„Na komm, ich nehme dich mit. Ich dachte, wir hätten abgemacht, dass du jetzt Mal ein wenig Abstand zu mir erhältst. Hast du mich vermisst?"

Sie lacht und schüttelt den Kopf. „Natürlich, Doc. Mein Herz hat schon geschmerzt vor Leid", theatralisch hält sie sich am Brustkorb fest.

„Dann wollen wir mal hoffen, dass wir keinen Kardiologen hinzuziehen müssen", meint er und wendet sich dann an mich.

Es muss faszinierend sein, Menschen auf ihrem letzten Weg begleitet. Zu wissen, dass man trotz der eigenen Ausbildung nicht helfen kann und diese Menschen lediglich auf Schmerzen vorbereitet. Starke Schmerzen, die irgendwann kommen und zeigen werden, dass das Ende naht. So eine innige Beziehung zwischen einem Menschen, der geht und einem, der ihn widerstandslos gehen lässt, gibt es nicht häufig - sie ist beinahe nur zu einem Arzt möglich.

„Wir nehmen sie auf. Danke, Jungs. Die Einweisungsscheine sind bereits abgegeben?", fragt er an und gewandt und ich nicke.

Mein Blick fällt auf Esther, die unruhig die Hände ineinander reibt.

Normalerweise würde ich einem Patienten, der bei Bewusstsein ist, eine gute Besserung wünschen. Aber ich denke nicht, dass es in diesem Fall angemessen wäre.

Deshalb nicke ich ihr nur zu und sie schenkt mir ein leichtes Lächeln, während sie so unfassbar fertig aussieht.

„Holen wir uns einen Kaffee?", fragt Denis, nachdem ich den Arzt und Esther noch hinterher schaue, bis sie in einem Gang verschwinden.

Seufzend nicke ich. „Ich brauche einen Espresso. Doppelt", meine ich und er nickt lachend.

„Heute freue ich mich besonders auf das Schichtende", gibt er zu und ich stimme ihm grinsend zu. Die Uhr verrät, dass uns noch eine knappe Stunde zum Feierabend bleibt.

„Dann hoffen wir mal, dass kein Einsatz mehr dazwischenkommt", sage ich. Währenddessen schlendern wir zum Kaffeeautomaten.

Während ich meinen Euro in den Schlitz stecke und die Taste drücke, höre ich die Geräusche der Maschine und denke dabei an dich, Savannah.

Du verfolgst mich und meine Gedanken. Manchmal habe ich das Gefühl, du kannst alles sehen und fühlen und schüttelst dabei den Kopf, wenn du siehst, was ich tue. Manchmal stelle ich mir auch vor, wie du mich beschützt, dich dann fällt mir auf, dass das kaum möglich ist. Zum einen hättest du kleiner Kampfzwerg mich vor keiner Gefahr dieser Welt schützen können und zum anderen habe ich so viel Scheiße in den letzten Jahren durchgemacht, dass es garnicht sein kann, dass du auf mich aufpasst - dafür ist das Leben zu kompliziert und hart zu mir.

Aber ich hätte dich gerne beschützt, hörst du? Ich wusste nur nicht, wie und wann. Ich wusste nicht, dass du mich gebraucht hättest. Hättest du deine verdammte Klappe aufgerissen so wie immer und mir Bescheid gesagt, wäre alles vielleicht anders ausgegangen. Verdammt, Savannah.

„Austin?", Denis winkt mit dem Arm vor meinem Gesicht rum. Ich zucke zusammen und blicke ihn verwirrt an. „Dein Kaffee ist fertig, man."

Ich blicke auf den braunen Pappbecher und greife danach. Wie sonst auch, bereue ich es, denn er ist brennend heiß. Verdammter Kaffee und verdammte Savannah.



-
Manchmal habe ich das Gefühl, der arme Lewis macht dasselbe wie Austin durch.

Und, wie findet ihr Esther? Irgendwann hat unser armer Austin ein Todestrauma.

AustinWhere stories live. Discover now