Ich schwankte etwas auf der Stelle hin umher, sah unsicher durch die Gegend.
"K-Kannst du noch bleiben? Ich-Ich glaube ich kann n-nicht alleine.. also ich w-weiß nicht, i-"
Sein Blick wurde mit einem Mal weich und er ging einen Schritt auf mich zu, der ihn wieder verunsichert und immer noch aufgelöst ansah. "Natürlich" flüsterte er, "Ich kann solange bleiben, wie du willst, wenn du es möchtest"
Mit diesen Worten fasste er mich leicht am Handgelenk und setzte sich links neben mich auf die Treppe, sodass wir nebeneinander auf einer Stufe hockten, mit dem Rücken zur Haustür, auf die Straße und den Sternenhimmel blickend. Mir wurde warm, und die Wärme blieb selbst, als er mein Handgelenk irgendwann losließ.
Es herrschte erneut Stille zwischen uns, doch ich seufzte, da ich wusste, dass ich zumindest einige Fragen in meinem Kopf klären musste. "Wieso.." setzte ich leise an und zögerte, den Blick immer noch auf den Himmel gerichtet, während ich Jaehyuns Blick direkt auf mir spürte.
"Wieso bist du mir nachgelaufen?"
Er lachte leise auf. "Das fragst du noch?" Irritiert blickte ich zu dem Jüngeren, welcher nur leicht den Kopf schüttelte. "Ich war komplett entsetzt, als Eunji angefangen hat, so einen Bullshit über dich zu erzählen, und das vor versammelter Mannschaft. Ich hab' sie direkt von mir geschoben, ich meine-" er stieß ein genervtes Seufzen aus, "ich kenne weder deine, noch eure Vergangenheit, aber dich so vorzuführen.. Sorry, dass ich dir nicht direkt geglaubt habe, was für eine Bitch sie ist."
Ich wendete meinen Blick von ihm ab und sah diesmal zu Boden.
"Nein, ich meine.. Wieso bist du mir nachgelaufen, obwohl ich so scheiße zu dir gewesen bin?" entkam es mir fast flüsternd, da ich mich immer noch dafür schämte, ihn die letzte Zeit so behandelt zu haben.
Ich hatte es nicht verdient, dass er mir half und nun hier mit mir saß.
"Du hast Recht.." gab Jaehyun zu, "du warst wirklich ein richtiger Arsch"
Obwohl ich das leichte Lächeln aus seinen Worten heraushören konnte, schloss ich die Augen für ein paar Sekunden und hoffte, er würde meine Worte diesmal ernstnehmen.
"Es tut mir leid"
"Ich weiß. Jetzt weiß ich es."
Mein Kopf huschte zu dem Jungen, welcher mich beruhigend anlächelte. "Ich konnte dir nicht böse sein, obwohl ich es vorhin am liebsten geblieben wäre.. Um ehrlich zu sein, hattest du mich bereits, als du ins Wohnzimmer gestürmt bist und mit mir reden wolltest" erklärte er leise und lachte rau, was mir eine leichte Gänsehaut verpasste.
Unsere Blicke lösten sich nicht mehr voneinander, auch nicht, als ich spürte, wie rot ich wurde. Er hatte mir verziehen.
"Ich wollte es nur nicht zugeben, auch nicht vor mir selbst, also wollte ich dich genauso abweisen, wie du es immer getan hast. Aber.. Als die dich alle ausgelacht haben und ich die Tränen in deinen Augen sehen konnte, kurz bevor du aufgestanden bist, da hat es Klick gemacht" seufzte Jaehyun zum Ende hin und ich wusste nicht, ob ich glücklich oder traurig sein sollte. Das alles stand mir doch gar nicht zu.
"Eunji hat keine Lügen erzählt." brachte ich knapp heraus und presste die Lippen aufeinander, als Jaehyuns Augen mich nur undefinierbar musterten.
"Vermutlich ist alles genauso, wie sie sagt und.. W-Wahrscheinlich hab ich sie einfach nicht mehr alle. Ich bin nicht so wie die alle, oder wie meine Freunde.
I-Ich hab so bescheuerte Probleme, ich habe Angst und ich weise mein ganzes Umfeld ab, das solltest du doch mittlerweile selbst am besten wissen und-"
"Taeyong" unterbrach der Junge neben mir meinen verzweifelten Redefluss mit ernster Stimme und legte zusätzlich seine rechte Hand auf meine, die ich auf dem Stein der Treppenstufe abgelegt hatte. Ich versteifte mich bei dem erneuten Körperkontakt mit Jaehyun und verstummte sofort.
"Selbst wenn Eunjis Erzählungen über deine Vergangenheit stimmen, ich gehe damit nicht um, wie diese Idioten da drinnen, die einfach mitlachen und ihr das alles abkaufen, ohne auch nur einen Bruchteil von dem zu kennen, was alles hinter diesen Erzählungen steckt"
Mein Herz begann, schneller zu schlagen, und ich konnte nicht mehr zuordnen, ob es passierte, weil sein Daumen leicht über meinen Handrücken strich, oder weil ich mich so verstanden fühlte.
"Ja, mich hast du auch angeschrien, mich hast du auch abgewiesen und trotzdem weiß ich, dass du es aus einem bestimmten Grund getan haben musst. Du bist nicht einfach ein Psycho, wie sie es behauptet haben." Ungewollt hatten sich erneut Tränen in meinen Augen gebildet.
"J-Ja, es.. Es gibt Gründe" krächzte ich bloß und er nickte. "Du brauchst mir nichts Genaues erzählen, ich will nur, dass du weißt, dass ich dich niemals einfach so abstempeln würde, egal, wie scheiße du vorher zu mir warst. Das hier, jetzt gerade, das zeigt mir etwas ganz anderes."
Ich spürte, wie mir eine Träne über die Wange rollte, doch meine Augen waren wie an seine gefesselt.
Mit jedem Wort begann ich, ihn so anders zu sehen und es war mir ein Rätsel, wieso ich den Jungen vor mir so falsch eingeschätzt hatte. Er hatte doch gar keine Ahnung, was all diese Sätze gerade in mir auslösten. Wie glücklich ich darüber war, dass er mich verstand, dass er mich nicht verurteilte.
Ich war fasziniert davon, wie der neue Schüler, den ich vielleicht zwei Wochen kannte, so tiefgründig mit mir sprach, und dass ihm das alles hier offensichtlich wichtig war.
"Vielleicht willst du das nicht hören aber.. Ich wusste direkt, dass du nicht so taff bist, wie du es vor mir immer vorgeben wolltest. Und heute, als die Fassade endgültig gefallen ist, hab' ich alles gesehen. In dir steckt so viel mehr. So viel mehr.. Schwäche.. so viel Verwundbares und.." Die nächsten Tränen kullerten über mein Gesicht, als würden sie seine Worte unterstreichen.
Jaehyun bemerkte, dass ich weinte und verschränkte seine Finger daraufhin einfach mit meinen, ließ mich nicht aus den Augen und sprach flüsternd seine letzten Worte aus.
"..so viel Schönes."
Mein Herz hämmerte unkontrolliert gegen meinen Brustkorb und ich wusste gar nicht mehr, wie mir geschah, in mir tobte ein einziges Chaos.
Jaehyun, Jaehyun, Jaehyun.
Meine Gedanken schrien diesen Namen förmlich nur noch und ich war so verwirrt darüber, wie positiv sie alle plötzlich waren.
Wieso jetzt?
Wieso machte mich gerade alles so glücklich, was der Junge neben mir sagte, was er tat und wie er mich ansah?
War das der restliche Alkohol in meinem Blut? War das normal?
Mein Kopf dröhnte vor lauter Gedankengänge und ich legte meinen Kopf auf seiner rechten Schulter ab. Ich war so erschöpft vom vielen Weinen, vom ganzen Chaos um mich herum.
"Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich weiß nicht mal, was ich denken soll.. D-Das ist gerade alles.. so anders.. m-mit dir." gab ich zu und seufzte.
"Du musst nichts sagen. Und hör auf, nachzudenken.. Zumindest jetzt. Lass uns einfach kurz so bleiben" beruhigte Jaehyun mich leise, während seine Hand immer noch meine festhielt.
"Danke." flüsterte ich und spürte, wie er seinen Kopf leicht gegen meinen lehnte. "Wofür?" - "Das fragst du noch?" wiederholte ich seine Antwort auf meine Frage am Anfang und Jaehyun musste lachen, als auch ich leicht lächelte.
"Du hast mir vorhin das Leben gerettet und.. jetzt sitzt du hier und bist einfach da, obwohl du allen Grund dazu hättest, es nicht zu sein" sprach ich.
"Das war selbstverständlich, und glaub mir, ich könnte dir tausende Gründe aufzählen, wieso ich gerade nichts lieber tun würde, als genau hier zu sein" antwortete Jaehyun selbstsicher und ich musste lachen, einfach, weil ich gerade glücklich war.
"Dein Lachen klingt schön," seufzte der Junge neben mir leise und drückte meine Hand leicht, "Ich hoffe, ich werde es noch öfter hören"
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trust issues - jaeyong
FanfictionAufgrund seiner schweren Vergangenheit verspricht Taeyong sich selbst, sich nie zu verlieben, um nicht verletzt zu werden. Als sein Leben grauer und trostloser nicht sein könnte, tritt plötzlich ein Junge in sein Leben, welcher dieses komplett auf...
17 • deep talk
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