"Victor." sagt Alec und sein Blick geht an mir vorbei, wandert in die Ferne. Gespannt warte ich darauf das er weiter redet. Es muss ein schwieriges Thema sein. Alecs Miene verändert sich, wird nachdenklich und schmerzerfüllt. Sein Daumen streicht unablässig über die Narbe auf seinem Handrücken. Der Wind zerzaust seine Haare und ich sehe Tränen in den Augen glitzern. Ich gebe ihm die Zeit die er braucht um über das erlebte zu sprechen.
"Du musst nicht darüber reden." sage ich sanft als Alec auch nach Minuten des Wartens weiterhin schweigt.

"Wir lernten uns im letzten Jahr der Highschool kennen. Er war der Neue, groß, schwarze gewellte Haare, braune Augen, ein dunkler Teint und anbetungswürde rosafarbene Lippen. Ich sah ihn und wollte ihn unbedingt kennenlernen. Das war nicht schwierig. Nach dem Sportunterricht sprach ich ihn an. Er stand etwas unschlüssig vor seinem Spint, nur ein Handtuch um den Hüften und kratze sich nachdenklich am Hinterkopf. Ich weiß noch genau wie verrückt mich dieser Anblick machte. Als schwuler Teenager mit jede Menge heißen Jungs in der Nähe nicht immer einfach. Und Victor war besonders. Er war liebenswert, sanft und ich so wahnsinnig verliebt. Wir hatten ein paar Dates und verstanden uns sehr gut. Bald darauf kamen wir zusammen und galten als das Vorzeige-Schwulen-Pärchen der Schule. Es war toll. Er war toll. Victor war meine erste Liebe. Nach der Schule zogen wir zusammen. Im Nachhinein betrachtet nicht unsere beste Entscheidung. Aber zu dieser Zeit war uns das egal. Victor ging zur Uni und ich in die Lehre bei meinem Onkel. Wir hatten beide einen ausgefüllten Tagesplan. Dennoch nahmen wir uns immer Zeit füreinander. Eines Tages veränderte es sich. Ich kann gar nicht genau sagen wann. Mein Onkel und ich hatten immer viele Aufträge. Ich liebe meinen Job und bin auch gerne bereit solange an einem Stück zu arbeiten, bis der Kunde zufrieden ist. Und ich auch. Mein Perfektionismus ist in diesem Bereich sehr ausgeprägt. Natürlich verbrachte ich soviel Zeit wie möglich mit Victor. Aber auch meine Geschwister vermissten mich. Und ich vermisste sie. Es war nicht leicht für mich die wenige freie Zeit die ich hatte gerecht aufzuteilen. Die Eifersucht kam schleichend. Eigentlich war sie immer da. Am Anfang unserer Beziehung schwellte sie nur kurz unterhalb der Oberfläche. Ich fühlte mich geschmeichelt, dass ich solche Emotionen in Victor hervorrufen konnte. Denn das zeigte mir, wie sehr er mich liebte. Später erzählte Izzy, dass ich viele Dinge nicht mitbekam. Schon in der Schule warf er immer wieder zornige Blicke auf andere Schüler oder zog mich besitzergreifend an sich wenn die Cheerleadermädchen kichernd an uns vorbei gingen. Ich machte mir darüber nie Gedanken. Mädchen interessierten mich nicht." Alec unterbricht seine Erzählung und sieht mich eindringlich an, feuchtglänzende Augen und gerötete Wangen.

"Victor. Meine erste Liebe, mein erster richtiger fester Freund. Am Tag als seine Eifersucht ein nie dagewesenes Ausmaß annahm, war ich bei Jace. Nach einem langen harten Arbeitstag, half ich Jace dabei über den Liebeskummer seines Lebens hinwegzukommen. Victor jedoch war das ein Dorn im Auge. Er war der festen Überzeugung, dass ich einen anderen hatte und mich zu schnellem Sex in schummrigen Gassen traf." Alec schnaubt und lacht sarkastisch.
"Ich. Sex in schummrigen Gassen. Ich, der treueste Mensch dieser Erde. Es war lächerlich. Und das sagte ich ihm auch als ich spät in der Nacht nach Hause kam. Victor erwartete mich bereits. In einer dunklen Wohnung. Ich bekam den Schock meines Lebens als ich das Wohnzimmer betrat und plötzlich seine Stimme hörte. Er lallte und ich wußte das er betrunken war. Es war nicht das erste Mal. In den vorherigen Wochen kam es öfter vor, dass er betrunken nach Hause kam und mir unterstellte das ich ihn nicht mehr lieben würde oder mich direkt fragte ob ich einen anderen Kerl ficken würde. Wir stritten, aber wir vertrugen uns auch wieder und hatten jedes Mal guten Versöhnungssex. Diese Narbe hier ist ein stummer Zeuge seiner Eifersucht. Ich schaltete das Licht an und sah das ganze Ausmaß seines Exzesses. Mehrere Flaschen Bier standen auf dem Tisch vor dem Sofa und in der Hand hielt er ein Glas gefüllt mit Wodka. Die halbleere Flasche in der anderen Hand stand er so hektisch auf, dass er schwankte und ich schnell zu ihm eilte um ihn aufzufangen. Er beschimpfte mich und warf mir alle möglichen Dinge an den Kopf. Ich versuchte ihn zu beruhigen aber es war zu spät. Er war ein Gefangener seiner Wut, des Selbsthasses und der Eifersucht. Der Alkohol verhinderte das rationale Denken und Victor..."

Alec schluckt trocken, atmet schwer und streicht sich nervös durch die Haare. Ich habe eine Ahnung was passierte. Aber ich sage nichts. Stattdessen lege ich meine Hand auf seine und Alec beruhigt sich augenblicklich.
"Es ist okay. Du musst nicht." sage ich leise. Doch Alec schüttelt vehemmend den Kopf.
"Nein Magnus. Wenn wir uns kennenlernen wollen, dann muss ich darüber reden. Es gehört zu mir, zu meinem Leben. Und es hilft dir vielleicht zu verstehen, warum ich ein Problem mit zuviel Alkohol habe. Victor war wie von Sinnen. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Sein Kopf war feuerrot und die Augen blutunterlaufen. Sein Atem roch nach einer Mischung aus Bier und Wodka und ich habe mich so sehr davor geekelt. Gleichzeitig fühlte ich mich auch schlecht so etwas über meinen Freund zu denken. Ich umklammerte seinen Körper, redete auf ihn ein. Victor schrie mich an, das Glas fiel auf den Boden und zersprang in tausend Teile. Mit der Flasche schlug er immer wieder auf meinen Rücken ein und irgendwann traf er eine empfindliche Stelle. Die Nierengegend. Ein stechender Schmerz durchzog meinen Körper, ich sackte zusammen und ließ ihn los. Genau in dem Moment, als Victor sich mit aller Kraft gegen meine Brust presste. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel in den Glastisch der hinter mir stand. Die Glasplatte splitterte und die Einzelteile bohrten sich schmerzhaft in meine Hände. Die Flaschen zersprangen ebenfalls und eine große Glasscherbe steckte in meinem Handrücken. Victor zitterte am ganzen Körper als er mich inmitten der Scherben sah. Das einzige was er tat, war zu weinen. Er sperrte sich ins Schlafzimmer ein und ließ mich blutend und mit höllischen Schmerzen alleine. Jace kam und brachte mich ins Krankenhaus. Ich habe ihn so sehr geliebt. Und er hat alles zerstört."

Purer Schmerz liegt auf Alecs Gesicht. Er muss wahnsinnige Angst gehabt haben. Und starke Schmerzen. Noch immer liegt meine Hand auf seiner, mein Daumen streicht über die feine Narbe. Alec hat die Augen geschlossen und ich bin mir sicher, dass die Erinnerung ihn gerade lautstark eingeholt hat. Ich weiß genau was in ihm vorgeht. Er wird die Schreie von Victor hören und den Schmerz in seinem Körper und dem Herzen spüren. Dichte schwarze Wimpern liegen auf seinen Wangenknochen, ein verdächtiges Glitzern und eine Träne perlt aus Alecs Augen, läuft langsam über die Wange. Mein Daumen fängt sie auf und Alec schmiegt seinen Kopf in meine Handfläche. Seine Haut ist warm, die Wangen leicht rosa gefärbt.

"Das tut mir leid." sage ich und Alec atmet geräuschvoll aus. Immer mehr Tränen verlassen seine Augen. Meine Hand gleitet in seinen Nacken und ich ziehe ihn dichter an mich heran. Er legt seinen Kopf in meine Halsbeuge und hauchzart berühren seine Lippen meinen Hals. "Alec, du bist ein unglaublicher junger Mann. Du bist ein starker Partner, liebevoll und sanft." Ich vergrabe mein Gesicht in seinen weichen Haaren, rieche den Duft von Alecs Shampoo und hauche Küsse auf seinen Kopf.
"Du verdienst einen Partner der dich genauso sehr liebt wie du ihn." flüstere ich.

Meine Hände gleiten in seine Haare, streicheln sanft über den Kopf und Alec seufzt. Er befreit sich aus der bisherigen Position und sieht mich eindringlich an, meine Hände gleiten weiter über den Nacken, verweilen kurz. Seine Haut ist weich und warm und das pulsierende Blut was durch seine Adern fließt drückt pochend gegen die Kuppe meines Zeigesfingers. Ich spüre das Leben in seinen Venen und das Feuer in seinem Inneren. Langsam fährt die Kuppe meines Zeigefingers über die Sehnen und Muskeln, ertastet jede Wölbung und die Konturen des Schlüsselbeines welches sich hart durch die helle Haut drückt.

Die Fingerspitzen der linken Hand streifen leicht den Kiefer und die Kuppe meines Daumen fährt sanft über die geschwungene Linie seiner Oberlippe. Alec befeuchtet seine vom weinen trockenen Lippen, seine pinkfarbene Zunge streift meinen Daumen und völlig unerwartet trifft mich das Verlangen ihn zu schmecken. Nur wenige Zentimeter, meine Augen fixieren seine und ich überbrücke den letzten Abstand zwischen uns. Wärme empfängt mich, ein Hauch fruchtige Süße, der Geschmack nach Erdbeeren vermischt mit der Säure von Trauben. Alecs Lippen sind wunderbar weich und ich schließe genüsslich meine Augen. Starke Hände legen sich auf meine Hüften und ich spüre die Bewegung von Alecs Lippen auf meinen.

What happened in Vegas - Plötzlich verheiratetWhere stories live. Discover now