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"Du hast was?" ruft Andrew ungläubig. Raphael neben ihm schaut mich aus geweiteten Augen an. Sie sind meine ältesten Freunde und immer für mich da. Sie kennen mich und mein Leben, wissen von meinen Ängsten und tiefsten Abgründen. Und natürlich wissen sie auch, dass ich mich nie im Leben fest und endgültig binden wollte. Wortlos schiebe ich ihnen mein Telefon über den Tisch und starte das Video. Elvis erscheint auf dem Bildschirm und Alec, der mir einen Ring über den Finger streift.

Den Ring trage ich nach wie vor. Die gesamte Taxifahrt habe ich mich gefragt, wie das alles passieren konnte. Das ich tief in Gedanken versunken mit eben diesem Ring spielte bemerkte ich erst, als der Taxifahrer mich fragte, wie lange ich schon verheiratet bin.
Bei meiner Antwort runzelte er die Stirn und sprach mich erst wieder an, als wir am Ziel angekommen waren. Noch immer habe ich nicht realisiert was und vorallem warum das passiert ist.

"Du hast eine neue Nachricht bekommen. Von deinem Ehemann." sagt Andrew. Das Kichern wird zu einem Lachen und Raphael boxt gegen Andrews Oberarm. Dieser hält sich reibend die schmerzende Stelle und senkt stumm den Kopf. Sie führen eine Beziehung der etwas anderen Art. Beide Männer sind unterschiedlich wie Tag und Nacht. Aber sie lieben sich und sind auf sexueller Ebene tief miteinander verbunden.

Kurz nach meiner Ankunft in New York erhielt ich eine Nachricht von Alec. 'Danke für das Frühstück.' Im Anhang das Video von unserer Hochzeit. Leicht nervös nehme ich das Telefon und öffne die neue Nachricht.
'Bitte sag mir, dass du dich daran erinnerst.'
Mir rutscht das Herz in die Hose als ich das Foto betrachte. Es zeigt Alec und mich in einem Club. Neben Alec steht Jace und Simon machte anscheinend dieses eindeutige Foto. Ich knie vor Alec und halte ihm einen Ring entgegen. Fuck. Woher hatte ich den Ring? Ich kann mich nicht erinnern. Weder an den Antrag, noch an den Ring. Hat Alec mich angesprochen oder ich ihn? Mein Kopf ist leer, die meisten Bilder verschwommen. Nur drei sind immer gleich und klar. Blaue Augen, schwarze Haare, Elvis. Das ist alles. Meine einzige Erinnerung an vergangene Nacht.

Fluchend lasse ich das Telefon auf den Tisch fallen und laufe durch die Wohnung. Ich mag es nicht die Kontrolle über meinen Körper zu verlieren. Es fühlt sich wie fremdgesteuert an. Ragnor hat versprochen sich um die Angelegenheit zu kümmern. Ich möchte damit nichts zu tun haben. Mein Leben ist gerade das reinste Chaos. Auch die Angelegenheit mit Julian ist noch immer nicht geklärt. Er hat mir mehrere Nachrichten hinterlassen und geschrieben. Mein Telefon war seit dem Vorfall aus. Ich habe es erst im Taxi wieder angeschaltet und wurde regelrecht bombardiert mit Nachrichten und verpassten Anrufen. Alle machten sich Sorgen, zu Recht.

"Rapha, kann ich ein paar Tage bei euch bleiben?" frage ich ihn und sehe wie er nickt.
"Jetzt hör auf so apathisch in der Wohnung herum zu laufen. Setz dich. Woran erinnerst du dich?" Seine ruhige Art springt auf mich über und ich atme einmal tief durch. Jetzt die Nerven zu verlieren bringt niemanden etwas.
"Das ist ja das Problem. Meine einzige Erinnerung sind blaue Augen, schwarze Haare und Elvis. Ich weiß, dass ich Julian und alle unsere Freunde, sowie seine Familie in der Kirche zurück ließ. Ich fuhr zum Flughafen und stieg in den erstbesten Flieger. Mein Weg führte mich in irgendeine Bar. Ich trank und dann wird es dunkel. Am nächsten Morgen wachte ich mit riesigen Kopfschmerzen neben Alec auf."

Beide Männer schauen mich an und ich sehe die Zahnräder in ihren Köpfen arbeiten. Genauso geht es mir auch. Ich versuche die fehlenden Stunden mit Bildern und Empfindungen zu füllen, aber da ist nichts.
"Er ist wirklich hübsch. Ich verstehe warum du ihn als deinen Mann gewählt hast." sagt Raphael und ich verdrehe die Augen.
"Können wir einfach nicht mehr darüber reden? Ich klär das mit Julian. Und dann kann ich in ein paar Tagen wieder in mein Haus. Hoffe ich." Erschöpft fahre ich mir mit den Händen durch das Gesicht und spüre das Metall des Ringes auf meiner Haut.

Ich bin nie der Typ Mann mit einem Faible für Schmuck gewesen. Dieser Ring fühlt sich fremd an, kalt und schwer. Allerdings habe ich mich desöfteren dabei ertappt, wie ich gedankenverloren über die glatte Oberfläche strich und meine Fingerspitzen begannen zu kribbeln.
"Das ausgerechnet dir das passiert." sagt Andrew.
"Was sagt Ragnor?"
"Die Ehe ist rechtsgültig. Wir kommen um ein Gerichtsverfahren nicht herum. Der Richter annulliert die Ehe und dann geht jeder seiner Wege." antworte ich.

"Und Julian? Wie willst du ihm das erklären? Du hast eure Trauung verlassen, bist nach Vegas abgehauen. Dort hast du einen anderen Mann geheiratet. Das zerreißt ihm das Herz." Raphaels Worte sind anklagend. Auch wenn ich weiß, dass er nichts Böses meint was er sagt, schmerzt es.
"Ich habe mit ihm geschlafen." sage ich leise und hoffe es war leise genug. Aber das war es nicht. Der Schock steht ihnen ins Gesicht geschrieben.

"Mit Alec?" fragt Andrew überrascht.
"Nein mit Elvis. Natürlich mit Alec. Und auch daran erinnere ich mich nicht." schreie ich Andrew entgegen. Augenblich zuckt er zusammen und Raphael sieht mich tadelnd an.
"Tut mir leid." murmele ich.
"Schon gut. Aber du musst mit Julian reden und dann den Gerichtstermin abwarten. Und bitte schrei mich nicht mehr an. Ich kann nichts für deine Situation." sagt Andrew mit brüchiger Stimme. Andrew ist ein wirklich lieber Kerl, möchte immer alles richtig machen und vermeidet Streit wo es geht.

"Was habe ich eigentlich schlimmes getan, dass das Schicksal mich so bestraft?" frage ich seufzend. Meine zwei besten Freunde antworten mir nicht. Sie wissen, dass es eine rhetorische Frage war. Es ist still, jeder hängt seinen Gedanken nach. Und gerade als ich mir die passenden Worte für das Gespräch mit Julian zurecht lege, klingelt mein Telefon. Als hätte er gemerkt, dass ich an ihn denke, leuchten die Buchstaben seines Namen auf dem Display.
"Hallo Julian. Lass uns reden. Ich habe dir einiges zu sagen."

What happened in Vegas - Plötzlich verheiratetWhere stories live. Discover now