Kapitel 2 - Leverkusen

647 19 0
                                    

„Er hat dich jetzt einfach raus geworfen?"

Ich nicke. Ich habe ihm die Kurzfassung erzählt. Die lange bekommt er, wenn wir bei ihm sind. Denn jetzt muss er sich aufs Fahren konzentrieren. Wir halten auf dem Weg nach Leverkusen noch schnell bei McDonalds, weil er genau weiß, dass ich nach einem Streit, wenn man das was eben passiert ist denn so bezeichnen kann, unbedingt einen Schokomilchshake brauche.

„Alles gut. Der geht auf mich.", sagt er mit einem Lächeln.

Er weiß genau wie schlecht es um meine Finanzen steht, da ich seit dem Beginn meiner Depressionen nur noch selten zur Schule gehe, auf der ich mein Abitur mache und einen Minijob an einer Tankstelle habe. Und im Moment bin ich, mal wieder, krank geschrieben, da sich alles wieder sehr verschlechtert hat. Kurz nach dem Tod meines Vaters, sind meine Noten total in den Keller gegangen, sodass ich, im Moment, keine Möglichkeit sehe, dass ich mit meinem Abschluss auch nur irgendwas studieren könnte. Aber irgendwo in mir ist immer noch ein kleiner Funken Hoffnung, der mich auf die Idee gebracht hat, mich an einer Uni ganz weit weg von hier zu bewerben. Damit ich alles mal hinter mir lassen kann. Auch wenn ich meine Freunde dann hier zurück lassen muss. Aber ich kann danach ja zurück kommen.

„Ich weiß gar nicht, wie es jetzt weiter gehen soll. Ich meine, die Kosten für die Hälfte der Miete und für das Einkaufen, konnte ich auch so schon kaum aufbringen. Wie soll ich denn jetzt komplett alleine alles bezahlen können?"

„Mach dir da erst mal keine Gedanken, Kleine. Jetzt bist du fürs erste bei mir. Und wir beide finden schon eine Lösung."

Und auch das liebe ich an ihm. Er versteht mich und meine Sorgen. Und er weiß immer wie er mich aufmuntern kann. Wir sind zusammen in Aachen aufgewachsen. Er wohnte mit seinen Eltern ein Stockwerk über uns. Und auch wenn er schon mit sehr jungen Jahren angefangen hat Fußball zu spielen, hatten wir immer genug Zeit, selbst noch Blödsinn zumachen. Und als er dann mit 11 Jahren angefangen hat für Bayer Leverkusen zu spielen, bin ich so oft ich konnte und so oft es meine Eltern eben erlaubt haben, mit zu fast all seinen Spielen gefahren. Wir sind, ohne zu übertreiben, von Geburt an beste Freunde. Und das kann ich sagen, weil ich nur 3 Wochen jünger bin als er und weil unsere Eltern auch schon beste Freunde seit Abiturzeiten sind. Perfekte Voraussetzungen also, für eine ewig haltende Freundschaft.

„Morgen Vormittag bist du allerdings alleine zu Hause. Ich muss um 10 Uhr beim Training sein."

„Kann ich vielleicht mitkommen? Ablenkung ist sicher gut."

„Es ist eigentlich kein öffentliches Training. Aber ich schaue gleichmal, was ich machen kann."

Nach einer etwa einstündigen Fahrt, kommen wir in Leverkusen an. Ich hänge meinen Rucksack über die Schulter und folge Kai durch die Tiefgarage zum Aufzug.

„Du musst ja echt gut Fußball spielen, wenn du dir das hier leisten kannst.", necke ich ihn.

„Ach es geht. Ich bin eher so mittelmäßig gut.", lacht er und drückt auf den Kopf für das 6. Stockwerk.

Als wir oben ankommen, verschwinde ich erst mal in seinem Badezimmer, um mich in meine Jogginghose zu werfen. Kai hat mich schon in meinen schlimmsten Zeiten gesehen. Bei meinem ersten mal total betrunken sein, bei meinem ersten Liebeskummer und natürlich bei dem Tod meines Vaters. Er hat in Leverkusen alles stehen und liegen lassen und ist zu mir nach Aachen gekommen, um bei mir zu sein. Er ist mitten im Training einfach abgehauen, weil er genau wusste, wie sehr mich das alles mitnehmen würde.

Mein Vater war immer der Größte für mich. Von ihm habe ich meine Liebe zum Fußball. Mit ihm habe ich in Park immer Fußball gespielt, wenn ich mal nicht mit zu Kais Spielen konnte. Ich konnte mit allem zu ihm kommen. Jedes noch so kleine Problem, konnte ich mit ihm besprechen. Er war mein erster bester Freund, mein erstes Vorbild, mein erster großer Held. Als er krank wurde, habe ich immer mit ihm zusammengesessen und seinen Geschichten zugehört. Davon, wie er bei der Bundeswehr war und gegen die Offiziere Fußball gespielt hat, um am Wochenende längeren Ausgang zu bekommen. Wie er damals ein Angebot für die Regionalliga abgelehnt hat, weil ihm da der Spaß und das Zusammensein mit der Mannschaft gefehlt hat. Ich war bei fast jedem seiner Spiele. Ich war auf fast jedem Fußballplatz in Aachen. Ich habe selbst fast jeden Tag nach der Schule Fußball gespielt. Mit ihm, mit Kai, mit meinen anderen Freunden. Ich habe geweint, als er meinte, dass er aufhört zu spielen und es nur noch bei Tournieren machen will. Ich habe gehofft, dass er mich zum Altar bringt, wenn ich mal heirate. Und jetzt ist er einfach nicht mehr da.

„Über was denkst du nach?"

„Mir geht zu viel durch den Kopf. Ich weiß nicht, wie es jetzt weitergehen soll. Ich muss ab Montag wieder zur Schule und auch arbeiten. Und ich weiß nicht wo ich hin soll. Der neue Freund meiner Mutter, ist... Du kennst ihn. Du weißt wie er ist. Und meine Sachen müssen auch noch weg. Und ich weiß nicht wohin damit. Und..."

„Mila, ganz ruhig. Ich habe dir versprochen, dass wir eine Lösung finden. Bis Sonntag bleibst du erst mal bei mir. Und morgen nach dem Training gucken wir, wo du bleiben kannst. Und wie wir deine Sachen holen und wo wir sie lagern.", sagt er und nimmt mich in den Arm.

„Danke dir, Kai. Du bist der Beste."

„Ich weiß. Und jetzt kläre ich mal, ob du morgen mit zum Training kannst.", lacht er und greift zu seinem Handy.

I'm With You - Kai Havertz Fanfiction (Deutsch)Where stories live. Discover now