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P R O L O G

» the xx - missing

Ich werde in den Sitz gedrückt, als der Fahrer ordentlich Gas gibt. Alle Verkehrsteilnehmer weichen uns, mehr oder weniger, schnell aus und mir schleicht sich ein Lächeln auf die Lippen. Das ist der Moment, in dem das Adrenalin mir durch die Venen schießt. Der Moment, für den ich lebe.

„Kannst du mir die genauen Daten vorlesen?", fragt mein Kumpel Denis am Steuer.

„In der Nähe der A6. Zwei Straßen weiter, an der großen Kreuzung. Weißt du, was ich meine?"

Er nickt und starrt sturr auf die Straße.

Ich atme tief ein und bereite mich auf den bevorstehenden Einsatz vor.

Die Menschenmasse, bestehend aus Gaffern, entdecke ich schon von Weitem. Eigentlich ist es eine friedliche Straße. Zwar stark befahren, jedoch passierte hier selten was.

„Diese verfluchten Idioten, wieso lassen die mich nicht durch?", flucht Denis und ich lache, obwohl es völlig Fehl am Platz ist. Jedoch habe ich mich bereits so oft darüber aufgeregt, dass ich keinen Wert mehr darin sehe. Man muss es akzeptieren.

Schon von Weitem erkenne ich die riesige Menschenmasse und muss nicht lange darüber nachdenken - das ist unser Ziel. Ich hasse Gaffer.

Ehe der Wagen richtig angehalten hat, springe ich schon raus, reiße die Hintertüre auf und greife nach dem großen roten Koffer. Ohne weiter nachzudenken sprinte ich auf die Menschenmenge zu.

Einige machen mir Platz und werfen mir anerkennende Blicke zu. Ich mag es, dass sie Respekt vor dem haben, was ich tue. Andere muss ich unsanft zur Seite drücken, damit ich an ihnen vorbeikomme. Im Hintergrund höre ich weitere Sirenen von Kollegen, die uns zur Hilfe kommen.

Als ich vorne angekommen, erhalte ich einen Blick auf das Szenario. Schnell checke ich alles ab, um einen Überblick zu erhalten.

Der PKW steht rechts von mir. Die Motorhaube ist beinahe vollständig eingedrückt, der Lack ist zerkratzt und die Frontscheibe sowie das Fenster auf der Fahrerseite sind vollständig zerstört. Es könnte mal ein Opel gewesen sein. Gewesen sein.

Dahinter steht der LKW, der ähnlich ramponiert aussieht. Er scheint in den Graben am Straßenrand gefahren zu sein, nachdem sie kollidiert sind. Die starken Bremsspuren auf der Straße zeigen, dass die Geschwindigkeiten hoch und der Aufprall stark gewesen sein muss. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Denis auf den Laster zuläuft, weshalb ich zum Auto eile. Glassplitter knirschen unter meinen schweren Boots.

Der Anblick ist scheußlich. Ich erkenne eine Person in leicht geneigter Haltung hinter dem Steuer. Der Airbag verdeckt das Gesicht, jedoch sehe ich lange braune Haare, weshalb ich auf eine Frau tippe. Ich trete ans Fenster und blicke prüfend auf die Scheibe, jedoch ist von dieser fast nichts mehr übrig, weshalb ich mich bücke, um einen besseren Blick in den Wagen zu erhalten. Ich erkenne keine weiteren Personen, was mich kurz aufatmen lässt. Jedoch erkenne ich nun die Frau, welche blutverschmiert und leicht Richtung Mittelkonsole geneigt vor mir sitzt und stur geradeaus schaut. Der Schock danach sitzt immer tief.

„Hallo. Ich bin Rettungssanitäter. Ich werde Ihnen helfen. Können Sie mich hören?", frage ich bestimmt, aber dennoch in einem sanften Ton. Statt einer Antwort erhalte ich nur einen verzweifelten Blick aus todtraurigen Augen, die mit Tränen gefüllt und blutunterlaufen sind. Sie sieht relativ jung aus, wahrscheinlich eine Fahranfängerin.

„Ich spüre meine Beine nicht mehr", sagt sie mit zitternder, leiser Stimme. Ich freue mich über die Antwort, denn wenn jemand ansprechbar ist, ist das meist ein gutes Zeichen. Ein prüfender Blick bringt mich zu der Erkenntnis, dass ihr gesamter Unterkörper zwischen der eingedrückten Motorhaube und dem Sitz festklemmt.

„Es ist alles in Ordnung, Sie stecken nur fest. Die Feuerwehr ist auf dem Weg und wird Sie da schnell herausholen. Sie müssen ruhig bleiben, ich werde Ihnen helfen. Beschreiben Sie mir bitte genau, ob und welche Schmerzen Sie spüren", sage ich beruhigend, um zunächst eine erste Diagnose machen zu können.

Doch sie blickt nur weiter starr gerade aus und ihre blutigen Finger versuchen, das Lenkrad trotz des Airbags zu umklammern.

„Werde ich sterben?", fragt sie tonlos und so leise, dass ich es kaum verstehe.

Ich greife durch das Loch im Fenster und nehme sanft ihre Hand. „Sie werden nicht sterben. Das werde ich nicht zulassen. Versprochen", beruhigend streiche ich über ihren Handrücken und sehe aus dem Augenwinkel bereits einige der Feuerwehrmänner auf uns zulaufen.

Wenn ich deine Hand nicht halten konnte, Savannah, dann halte ich wenigstens die von Andern.

Wenn ich dich schon nicht retten konnte, Savannah, dann rette ich wenigstens die Anderen.

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So, let's go

Die Geschichte wird ein Mix aus Briefen, Einblicke und Situationen aus Austins aktuellem Leben und Rückblicke aus Savannahs Leben. Das wird super. Ich freue mich, wenn ihr dabei bleibt

AustinWhere stories live. Discover now