Der Rückweg kam mir viel kürzer vor, was daran liegen könnte, dass ich fast schon flog. Ich war auf Wolke sieben. Er hatte mich nicht verlassen. Er liebte mich. Er wollte mich heiraten. Natürlich ging das erst in einem Jahr, schließlich war ich erst Anfang September siebzehn geworden, doch wir würden es tun. Überglücklich lief ich durch die Innenstadt zu unserer Villa am Rande des Parks. Das große Eisentor quietschte nicht so wie sonst immer, als ich es einen Spalt aufschob und hindurch huschte. In der Eingangshalle war es kühl und die große Wanduhr in der Ecke verriet mir, dass es schon weit nach Mitternacht war. Um so mehr wunderten mich die leisen Stimmen, die aus dem Salon am anderen Ende der Halle zu mir herüber wehten. Auf Zehenspitzen schlich auf die Tür zu. Sie war nur angelehnt und innen war das Licht an. Ich traute mich nicht durch den Spalt zu sehen, aber das war nicht schlimm, denn ich erkannte die Stimmen auch so. Meine Mutter und mein Vater saßen im Salon und sprachen über niemand geringeren als mich. Natürlich war ich schon länger Gesprächsthema Nummer eins. Nicht nur bei uns zu Hause sondern überall. Im Diner, in der High School, in der Bibliothek... Das war aber auch eher weniger verwunderlich. Ich presste mich ganz platt an die Wand und lauschte.

"...glaubt er den wer er ist?"

"Ich weiß es nicht. Wirklich ich habe keine Ahnung was er sich dabei denkt." Das war definitiv meine Mutter gewesen. Ihre Stimme klang müde und sie stöhnte leise auf. "Das einzige was ich je wollte, war sie zu beschützen."

Jetzt sprach wieder mein Vater. "Das haben wir aber nicht geschafft. Und Anzeigen können wir ihn auch nicht mehr. Ava hat zu viel gegen uns in der Hand."

"Wie konntest du auch die Tür nicht abschließen? Du wusstest wie sauer sie auf uns ist. Es war klar, dass sie sich wert."

"Ja! Aber ich hätte nie gedacht, dass sie dazu in der Lage wäre ihre eigenen Eltern zu bestehlen und zu erpressen. Sie könnte dafür sorgen, dass wir Jahrzehntelang ins Gefängnis wandern. Du genauso gut wie ich."

"Aber wollen wir das denn wirklich nicht riskieren? Sie ist doch noch ein Kind. Und dieser Typ gehört hinter Gitter!"

"Nein!" mein Vater hatte angefangen wütender und lauter zu werden. "Es ist mir egal wie gefährlich er ist. Sie hat schriftliche Beweise. Wir haben nur unsere Aussage gegen ihre und seine. Ich werde nicht in den Knast gehen, weil unsere Tochter nicht mehr ganz dicht ist. Sie ist nicht mehr das brave 15-jährige Mädchen welches sie vor all dem war. Er hat sie verändert." 

Wieder seufzte meine Mutter. "Na gut. Und was machen wir dann? Er war einen Monat lang verschwunden. Denkst du wirklich er kann einfach wiederkommen und sein gewohntes Leben wieder aufnehmen? Die ganze Stadt redet über ihn. Er wird mit ihr weglaufen!"

"Nein. Nein, dass wird er nicht. Vertau mir. Die Stadt redet. Aber nur wegen all den Dingen die Sylvia herumerzählt. Niemand glaubt ihr ernsthaft. Sonst hätte die Polizei schon längst eine Fahndung gestartet."

"Also lassen wir ihn gewähren? Pietro, du bist der Bürgermeister kannst du den nichts tun?"

"Nichts solange wir nicht beide ins Gefängnis wollen."

Ich atmete erleichtert auf.

"Also stimmt es wirklich?" fragte meine Mutter ängstlich. "Du hast ihn gesehen?"

Erschrocken hielt ich die Luft an. Das konnte nicht sein. Es war etwas anderes darüber zu spekulieren, dass er wieder kommen könnte, als wenn er wirklich wieder da war.

"Ja." Ich hörte meinen Vater förmlich nicken. "Ich habe ihn vor dem Rathaus gesehen. Er hat mir praktisch ins Gesicht gelacht."

Sag es Papa, betete ich. Ich sah auf meinen Ring. Mein Herz schlug so laut gegen meine Brustkörper, dass ich Angst hatte meine Eltern könnten es hören. 

"Elijah Davies ist wieder in der Stadt."

In dieser Nacht schlief ich nicht viel, doch ich wachte so ausgeruht wie nie auf. Ich sprang aus dem Bett, ging unter die Dusche und machte mich in Lichtgeschwindigkeit fertig. Bevor ich ging sah ich nach meinem Safe. Er war immer noch gut versteckt hinter der doppelten Wand in meinem Schrank. Alle Papiere und Ordner waren noch da. Kurz bürstete ich mir durch die Haare, dann sah ich mich im Spiegel an. Der Anhänger mit dem Schlüssel hing um meinen Hals und der Verlobungsring glitzerte an meinem Finger. Ich trug das schwarze Kleid, welches ich schon bei unserer ersten Begegnung getragen hatte. Meine langen, dunklen Haare vielen in weichen Wellen über meine Schultern. Meine Eltern konnten mich mal. Westbrook konnte mich mal. Die ganze Welt konnte mich mal. Auf dem Weg zu seiner Wohnung dachte ich nach wie mein Name bald klingen würde. "Ava Davies." flüsterte ich. Garcia wollte ich nicht heißen. Garcia war ein schmutziger, in den Dreck gezogener Name.

Ava Davies

Ava Davies

Ava Davies


UnconditionalWhere stories live. Discover now